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2. Dezentrale Verwaltung in Amtssprengeln

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Untere Verwaltungsebene

Die Funktionsträger der Verwaltung auf der unteren, örtlichen Ebene wurden unterschiedlich bezeichnet; verbreitet war die Bezeichnung „Amtmann“ oder „Vogt“. Als Stellvertreter des Landesfürsten sollten sie die Hoheitsrechte ihres Dienstherren in ihren lokalen Amtssprengeln ausüben, auf die Einhaltung der Policeynormen achten und Verstöße in einem gerichtsförmigen Verfahren bestrafen.[54] Sie verkörperten die Herrschaft des Landesfürsten innerhalb des ihnen jeweils zugewiesenen Amtssprengels, weil der Herr selbst nicht überall gleichzeitig sein und die ihm zustehenden Rechte wahrnehmen konnte. So lag die zentrale Aufgabe des Amtmannes auch in der Frühen Neuzeit immer noch darin, die Rechte des Herrn durch kontinuierliche Ausübung zu wahren und Versuchen ihrer Beeinträchtigung und Schmälerung im Wege der Selbsthilfe oder auf dem Rechtswege entgegenzutreten. Die älteste und zentrale Funktion des Amtmannes hatte also mit moderner „Verwaltung“ im Sinne eines Gesetzesvollzugs nichts zu tun, sondern war im Kern die Stellvertretung des Herrn. Zu dessen Rechten zählte im Mittelalter ganz wesentlich die Gerichtsbarkeit, sodass die Rechtspflege von Anfang an auch zu den Kernfunktionen des Amtmannes gehörte. Zu einem Vollzugsorgan im eigentlichen Sinne wurde der Amtmann erst mit der seit dem ausgehenden Mittelalter breiter werdenden Gesetzgebungstätigkeit der Territorien, denn diese Gesetze mussten jetzt „vollzogen“ werden. „Vollzug“ war dabei gleichbedeutend mit Kontrolle und Sanktionierung von Gesetzesverstößen. Der Amtmann wurde auf diese Weise zu einem ausführenden Organ, welches die normativen Entscheidungen der Zentrale vor Ort durchzusetzen suchte, indem es deren Einhaltung überwachte. Umgekehrt berichtete der Amtmann der Zentrale über erhebliche Vorgänge in seinem Amtssprengel, stellte also ganz wesentlich auch ein Wahrnehmungsorgan der Regierung dar, durch das die Vorgänge im Lande, die irgendwelcher Gegenmaßnahmen bedurften, registriert werden konnten.

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Patrimonial-/Grundherrschaftliche Verwaltung

In den meisten Territorien war das Netz der über das Land gelegten lokalen Amtssprengel allerdings sehr stark durchsetzt von den „Immunitäten“ der intermediären Gewalten, in denen die Verwaltung den jeweiligen Inhabern adeliger oder kirchlicher Grund- und Ortsherrschaften zustand. Die Verwaltung wurde hier von den Organen der intermediären Gewalten, den Inhabern der feudalen Herrschaftsbildungen („Grundherrschaft“/„Ortsherrschaft“/„Unterherrschaft“) ausgeübt. Die Stellung dieser Feudalherrschaften hing von der Machtstellung und dem Einfluss der Stände im jeweiligen Territorium ab: Je stärker die Stände, desto geringer die landesfürstlich-staatlichen Kompetenzen in den Immunitäten, d. h. den Orts- und Grundherrschaften des landsässigen Adels und ggf. der Prälaten.[55] Im 18. Jahrhundert war der Staat dann allerdings im Zeichen eines absolutistischen Politikstils vielfach darum bemüht, die feudalen Grund- und Ortsherrschaften zumindest einer verstärkten Kontrolle zu unterwerfen. In Österreich etwa wurden zu diesem Zweck die sog. „Kreisämter“ als neue Unterbehörden eingerichtet, die die staatliche Herrschaft vor Ort auch außerhalb der landesfürstlichen Grundherrschaften geltend machen konnten.[56]

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Kommunale Selbstverwaltung

Nicht unerwähnt bleiben darf hier aber die teils höchst bedeutsame Rolle der Kommunen innerhalb des territorialen Verwaltungsaufbaus: Vor allem in den westlichen Territorien, insbesondere im Südwesten des alten Reiches, war die untere staatliche Verwaltungsebene eng verzahnt mit den Organen kommunaler „Selbstverwaltung“ dörflicher oder städtischer Gemeinden.[57] So waren etwa die badischen „Vögte“ die Beamten der unteren staatlichen Verwaltungsebene, der sog. „Vogteien“. Letzteren kam aber zugleich auch die Eigenschaft einer kommunalen Genossenschaft zu, sodass der Vogt auch als kommunaler Amtsträger betrachtet werden konnte.[58] Vor allem die städtischen Kommunen stellten vielfach noch in der Frühen Neuzeit Immunitäten dar, an deren Grenzen die Kompetenzen der staatlichen Behörden endeten. Hier bildeten Bürgermeister und Rat die lokale Gewalt unter einer teils nur sehr dünnen Schicht staatlicher Herrschaftsrechte. Der Staat war im 18. Jahrhundert auch hier bestrebt, die kommunale Autonomie Stück für Stück zu beschneiden oder zumindest stärker zu kontrollieren; die Kommunalaufsicht wurde zu einem wichtigen Regelungspunkt einer Policey im Stile des Absolutismus, mit freilich ganz unterschiedlichem Erfolg je nach Durchsetzungsfähigkeit des Fürsten gegenüber den Ständen.

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