Читать книгу Fünf nach Zwölf - Eine Momentaufnahme - Götz Grothus - Страница 7

Prolog

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-Wenn riesige Flächen Kaliforniens, des Urwaldgebietes am Amazonas und sogar eines ganzen Kontinents Jahr für Jahr, teils unkontrollierbar, teils absichtlich abbrennen,

-wenn allein bei den Buschfeuern in Australien mehr als 1,25 Milliarden Tiere sterben,

-wenn täglich ca. 130 Tier- und Pflanzenarten für immer von der Erde verschwinden und die Weltmeere existenzbedrohlich überfischt werden,

-wenn Staatsführer und Anhänger von Verschwörungserzählungen, -mythen, -theorien und -ideologien den Klimawandel leugnen,

-wenn ein deutscher Komiker im öffentlich-rechtlichen Fernsehen das existentiell ernste Anliegen der Schülerin Greta Thunberg und der „Fridays for Future“ - Bewegung mit fragwürdigen Witzeleien durch den Kakao zieht,

-wenn deutsche Fernsehwettermoderatoren Sommertemperaturen von 40 Grad Celsius und eine Novembertemperatur von 20 Grad Celsius mit ihrem „The Show must go on“ - Lächeln im Gesicht als andere Normalität verkünden,

-wenn ein milliardenschwerer schweizer Großkonzern in Teilen Afrikas und in Pakistan Wasserrechte von korrupten Regierungen aufkauft und dann in Plastikflaschen abgefülltes Wasser an die Bevölkerung verkauft,

-wenn in einer Pandemie die Reichen reicher und die Armen ärmer werden und weltweit jährlich 1,6 Billionen Euro für Rüstung ausgegeben werden,

dann stimmt einfach etwas nicht!

Dieses Buch ist entstanden, weil nach über 50 Jahren einer mit wachen Augen und gesundem Menschenverstand erfolgten Beobachtung von Umwelt und Weltgeschehen die Zeit gekommen ist, die in diesen Jahren gesammelten Gedanken und Erkenntnisse zum Zustand dieser Welt und des Menschen Geist, aber auch Visionen und Handlungsempfehlungen in verständlicher Form und mit überschaubarem Leseaufwand mit möglichst vielen Menschen zu teilen. Es ist auch entstanden, weil, egal wohin man schaut, viel zu oft kurzsichtig und unentschlossen gehandelt und zu selten intelligent zu Ende gedacht wird. Und es ist entstanden, weil die behandelten Themen in der bisherigen Publikumsliteratur und in den Wissenschaftsreportagen der Fernsehmedien seit Jahren überwiegend stereotyp, ideenlos und nur mit dem Tenor „Wenn wir ab jetzt alles besser machen und eine Kehrtwende einläuten, dann bestehen gute Chancen, dass wir die gesteckten Ziele noch erreichen!“ veröffentlicht werden. Der Titel dieses Buches lässt allerdings den Zweifel genau daran erkennen. Es ist erklärtermaßen kein kuscheliges „Fünf vor zwölf“ - Buch, das den Leser nach beendeter Lektüre versöhnlich in Lethargie fallen lässt und das auf die Politik - sofern durch ein Buch überhaupt möglich - einfach nicht den nötigen Handlungsdruck ausübt. Da Politikern mit zunehmendem Verantwortungsgrad auch ein zunehmender Wissensstand unterstellt werden kann, sollten den Mitgliedern einer Regierung und deren Vorsitzenden sowohl die Themen als auch die Sachstände der faktenorientierten Kapitel bereits bekannt sein. Die Verantwortung für unterschiedliche Ressorts in der Vergangenheit sollte ihnen dabei nicht nur für ihre Karriere genutzt, sondern auch für Wissen und Weitsicht gesorgt haben!

Ein Hinweis zur Benutzung dieses Buchs: Wer vor dem Lesen gute oder sogar sehr gute Laune hat und kein Zyniker ist, dem wird die gute Laune beim Lesen sehr wahrscheinlich vergehen. Wer schlechte Laune hat und zynische Momente in sich trägt, bei dem könnte sich die Stimmung durchaus verbessern. Beiden - bitte erwachsenen - Stimmungsträgern wird zur Lektüre ein gutes Glas Wein oder gar Härteres, bei Bedarf gerne auch zwei oder gar mehr Gläser empfohlen. Aber Vorsicht: Ein Vollrausch könnte dazu führen, dass man sich am nächsten Morgen so fühlt, wie sich unsere Erde schon seit langem fühlen würde, wenn sie fühlen könnte: angeschlagen, schwindelig, matschig und krank. Das Buch beinhaltet die schonungslose und pragmatische Analyse der Ist-Situation der Menschheit im Jahr 2020. Es ist ein präziser Schnappschuss einer bizarren Welt, bei dem es sich in den nächsten und zugleich entscheidenden 10 Jahren sicherlich lohnt, ihn hin und wieder noch einmal zu betrachten und rückwirkend zu bewerten. Das Buch erhebt keinen Anspruch auf exakte Wissenschaft, es soll der Unterhaltung dienen und hat eher den Charakter eines kleinen Kompendiums gegen das Vergessen.

Der Umgang der Menschheit mit dem Klimawandel, das Erscheinen des SARSCoV-2-Virus und der offensichtlich sehr unterschiedlich professionelle Umgang mit den beiden haben das Gedankenfass zum Überlaufen gebracht. Dabei nimmt das Virus - wie schon oft und richtig angemerkt - eine „Nebenrolle“ als die Lupe ein, die den vorher zu oft gewollt vernebelten Blick auf den Zustand der Erde und das Verhalten der Menschen öffnet und schärft. Die Idee einer Lupe, eines Brennglases, soll über die bereits bekannten und ausgiebig diskutierten lokalen und globalen Beobachtungen (die Defizite im Gesundheitswesen und im Bereich der Digitalisierung, die Nachteile einer Globalisierung und von komplexen Lieferketten, das Risiko von Armut im Sinne von arm werden und im Sinne von benachteiligt versorgt werden, die Infragestellung von Konsumverhalten) an dieser Stelle etwas weitergedacht werden:

Wenn die Sonne länger durch ein ruhendes Brennglas fällt, wird es im Brennpunkt zunächst angenehm warm, dann sehr schnell sehr heiß, und am Ende kann es je nach Material im Fokus sogar anfangen zu brennen. Das sagt zwei Dinge:

1.Die Sonne ist eine unermessliche und eine in unseren Zeitvorstellungen unendlich währende Energiequelle, die unsere Erde in großen Gebieten angenehm erwärmt und in anderen Gebieten sehr stark erhitzt. Seit der Entstehung unseres Sonnensystems sind ca. 4,6 Milliarden Jahre vergangen, und sie wird noch mindestens weitere 5 Milliarden Jahre mit ähnlicher Strahlkraft scheinen. Wir nutzen sie bislang viel zu uneffektiv und ineffizient!

2.Wir beobachten schon seit Jahren die gut sichtbaren Konsequenzen der Aktivität kräftiger Brenngläser: Kontinente in Flammen, Sturm-, Hitze- und Dürrekatastrophen, Starkregenereignisse und Überschwemmungen. Hinzukommen werden die heute noch gar nicht sichtbaren Folgen der „Super-Brenngläser“, sogenannte Klimakipp- oder auch Chaospunkte mit exponentiellen Folgen; jeder für sich allein ist schon dramatisch:

- Die Versteppung der riesigen Urwaldflächen im Amazonasgebiet.

- Das Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien unter Freisetzung riesiger Mengen von Faulgasen, z.B. dem sehr klimaschädlichen Gas Methan, und unter Freisetzung von noch völlig unbekannten und eventuell sogar sehr gefährlichen Erregern.

- Die Zerstörung der Meere und Moore als wichtige CO2-Speicher.

- Das Schmelzen des arktischen Eises, die daraus resultierende irreversible Unterbrechung von Ozean-Tiefenströmungen und der anschließende Zusammenbruch der Wärmeversorgung des europäischen Kontinents.

Wenn wir nicht die einschränkende Linearität unseres Denkens verlassen, wird unser Planet in den nächsten Jahrzehnten in großen Teilen zunehmend ungemütlich. Wir verschließen vor den oben genannten zwei Punkten zwar nicht mehr vollends die Augen, doch handeln wir nicht annähernd angemessen!

Ein Buch soll bewegen und - noch besser - durch Bewegung eine Veränderung auslösen. Mit diesem Buch sollen die Augen geöffnet und alle Sinne geschärft werden für das, was um uns herum und weit weg passiert, warum einiges geschieht, anderes nicht, was wir alle damit zu tun haben, was wir noch ändern können und was nicht. Auch weil wir es - leider allzu oft - gar nicht wollen. Alle im Buch verwendeten, meist gängigen Fachbegriffe, die sich nicht vermeiden ließen, werden da, wo nötig und möglich, in Klammern übersetzt oder erläutert. Es wird der Gewohnheit geschuldet auf Gendersternchen verzichtet. Jeder der vier Themenblöcke und auch die einzelnen Kapitel werden möglichst abgeschlossen abgehandelt, sie bauen nicht oder wenig aufeinander auf, und ein Springen im Buch ist somit problemlos möglich. Abgesehen von der Tatsache, dass Zahlen gerne zum Anzweifeln einladen, bedeuten sie in diesem Buch dort, wo sie genannt werden, immer nur ungefähre Größenordnungen. Sie weichen allein schon durch die rasanten Veränderungen immer vom realen Wert ab. Das Buch basiert auf den bis zum Ende des Jahres 2020 bekannten Fakten und allgemein zugänglichen Informationen, die nach bestem Wissen und Gewissen und mit großer Sorgfalt zusammengetragen wurden. Vermutungen werden immer als solche deutlich angekündigt, genauso wie die im Buch enthaltenen vier Fake News, die gewollt in den Bereich von Visionen fallen. Da im Buch an einigen Stellen die Frage aufkommen könnte, welche praktische Relevanz die beschriebenen Ideen und Vorschläge haben, sollen die für eine Einordnung und Bewertung wichtigen Begriffe „Realität“, „Utopie“, „Vision“, „Science-Fiction“, aber auch der der „Irrealität“ beschrieben werden:

Realität ist das, was ist und was ein Mensch mit seinen unterschiedlichen Sinnen wahrnehmen kann.

Utopie ist ein in der Vorstellung eines Menschen besonders in Bezug auf Zukünftiges entworfenes Bild im Sinne eines fiktiven Lebens- und Gesellschaftsmodells, das auf andere anzweifelnde Wirkung haben kann.

Eine Vision ist ein in der Vorstellung eines Menschen besonders in Bezug auf Zukünftiges entworfenes Bild im Sinne eines subjektiv gesehenen Idealzustandes, das auf andere idealerweise positiv motivierende Wirkung haben soll.

Science-Fiction ist ein in der Vorstellung von Menschen besonders in Bezug auf Zukünftiges entworfenes Bild im Sinne eines - derzeit unvorstellbaren - Zustandes nach der Realisierung von unwahrscheinlichen zukünftigen wissenschaftlich-technischen Entwicklungen, das phantasieanregende Wirkung hat.

Irrealität ist das, was aus unterschiedlichen Gründen niemals sein wird und was daher auch von keinem Menschen jemals wahrnehmbar sein wird.

Ein Beispiel:

Nehmen wir das oben genannte Artensterben. Wie gesagt verschwinden derzeit jeden Tag ca. 130 Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich von unserem Planeten. Das ist die Realität. Es ist utopisch, dass dieses Artensterben innerhalb eines Jahres vollständig gestoppt wird. Es ist aber eine Vision, dieses Artensterben innerhalb von fünf Jahren stoppen zu können. Science-Fiction ist, wenn es gelänge, längst ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten, von denen es noch geringste Mengen Genmaterial gibt, wieder als Population zum Leben zu erwecken. Irreal ist es, dieses Vorhaben ohne noch vorhandenes Genmaterial verwirklichen zu können.

In der Tat werden von einigen Zoos dieser Welt in sogenannten „Frozen Zoos“ Gen-Archen aufgebaut. Im Zoo von San Diego (USA) werden seit 2004 Tausende von Zellkulturen, aber auch Eier, Spermien und Embryonen von aktuell vom Aussterben bedrohten Tierarten bei minus 196 Grad Celsius eingefroren, um diese Arten „bei Bedarf“ wieder zu Populationen „aufwecken“ zu können. In welche Lebensräume - jenseits von Zoos - diese zukünftig ausgebrüteten Wesen entlassen werden sollen bleibt offen. Die ursprünglichen Biotope sind, wenn nicht massiv und schnell gehandelt wird, durch menschengemachte Klima- und regionale Wetterveränderungen nachhaltig zerstört und müssten erst einmal wieder in Form von funktionierenden Räumen „hergestellt“ werden.

Zurück zum Buch. Es wird um deutsche, europäische und globale Themen, um Politik, Klima, Umwelt, Finanzen, Gesundheit, Konsum, Verkehr, Erziehung, Soziales, Gerechtigkeit und Moral gehen.

Die Liste der Bücher, deren Lektüre in den letzten Jahren und Monaten für viele Anregungen und Einsichten gesorgt hat und die ein Teil der Grundlage dieses Buches sind, soll in der Reihenfolge ihres Erscheinens vorangestellt werden:

Zum Thema „Zustand der Erde, mit Blick in die Zukunft aus der Sicht der 70er Jahre“: „Global 2000. Der Bericht an den Präsidenten“, Verlag Zweitausendeins, 1980.

Zum Thema „Zukunftschancen der Menschheit“: Hoimar von Ditfurth, „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen“, Verlag Rasch und Röhring, 1985.

Zum Thema Allgemeinbildung: Bill Bryson, „Eine kurze Geschichte von nahezu allem“, Verlag Goldmann, 1. deutschsprachige Ausgabe 2004.

Zum Thema Generationenkonflikt: Bernd W. Klöckner, „Die gierige Generation: Wie die Alten auf Kosten der Jungen abkassieren“, Verlag Eichborn, 2005.

Zum Thema „Eintritt extrem unwahrscheinlicher Ereignisse“: Nassim N. Taleb, „Der Schwarze Schwan“, Verlag Hanser, 2007.

Zum Thema „Umgang mit Atomkraft“: Ranga Yogeshwar und Prof. Klaus Töpfer, „Unsere Zukunft, ein Gespräch über die Zeit nach Fukushima“, Verlag C.H. Beck, 2011.

Zum Thema „Umgang mit Acker und Böden“: Florian Schwinn, „Rettet den Boden“, Verlag Westend, 2019.

Zum Thema „Handlungsoptionen zur Rettung der Erde“: Autorenkollektiv, „Wann wenn nicht wir*“, Ein extinction rebellion Handbuch, S. Fischer, 2019.

Zum Thema „Expansion von China“: Clive Hamilten, Mareike Ohlberg, „Die lautlose Eroberung“, Deutsche Verlags-Anstalt, 2020.

Zum Thema Corona: Matthias Horx, „Die Welt nach Corona“, Verlag Econ Ullstein, 2020.

Zum Thema Klimawandel: Al Gore, „Eine unbequeme Wahrheit“, Riemann Verlag, 2006. Sven Plöger, „Zieht euch warm an, es wird heiß“, Verlag Westend, 2020. Am Ende dieses Buches gibt es auch Handlungsempfehlungen.

Wer sich lieber in einem der lesenswerten Bücher mit den dort ausgeführten Themen beschäftigen möchte, möge das bitte tun. Allen anderen wird empfohlen, sich ein passendes Getränk zu bereiten - die Lektürekost ist keine leichte!

Fünf nach Zwölf - Eine Momentaufnahme

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