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Kapitel 1 La dolce Vita – Zwiebel, Mozzarella und ein Glas Prosecco

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Sabato (Samstag) – 25. August

Abends, 21 Uhr

Hmmh. Ich mach die Augen zu und stelle meine Riechzellen auf Empfang. Auf jeden Fall überbacken … Käse … kein Gratin … Zwiebel und Mozzarella. Mediterrane Kräutermischung. Ha! Schon gewonnen. Mit siegesgewissem Lächeln im Gesicht sperr ich die Wohnungstür auf. Aufräumarbeiten in der Küche hat heute Vinc an der Backe, so viel ist sicher. Wieder mal.

Mein Schatz steht im Flur, Arme verschränkt, breitbeinig, coole Miene.

»Tomaten-Mozzarella-Brötchen, Schinken, Schalottenringe, Kräutermischung mediterran«, erwähn ich betont beiläufig und stell meine Umhängetasche seitlich an der Schuhablage ab – die sich mittlerweile auf fünf Stockwerke hochgearbeitet hat. »Ach ja, und ein paar Körnchen grober Pfeffer«, setz ich imaginär gelangweilt hinzu und drück ihm ein gönnerhaftes Küsschen auf die Wange.

Vinc verdreht gespielt verzweifelt seine Augen. »Mann, Doro, kannst du nicht wenigstens mal aus Versehen danebenliegen? Ich storniere die Wette! Allmählich wachsen mir Schwimmhäute zwischen den Fingern vom vielen Spülen.«

Mitleidslos schüttel ich den Kopf. »War deine Idee. Vier Wochen.« Ich verziehe mich auf unseren Balkon.

Sieben Kilo Lebendgewicht streichen schnurrend um meine Waden.

»Na, mein Kleiner, heute hier?«, frag ich unseren Kater, der sich nach dieser persönlichen Anrede sofort auf den Weg Richtung Küche macht. Folgsam trotte ich hinterher. Geschirrklappern und Gläserklirren weckt die Vorfreude auf einen gemütlichen Abend. Im »Macis« war’s heute stressig, Presse für Paps, mittags volles Haus, dafür war’s am Abend dann ruhig, halb neun Feierabend war locker drin, da hab ich gleich Vinc angerufen …

»Irgendein Leckerli übrig für Rambo?«, frag ich, an den Türrahmen gelehnt.

»Nix vom Tisch!«, bestimmt Vinc resolut.

Ich bin da wesentlich weicher.

»Doro, das ist so ungesund«, versucht Vinc, mich zu Konsequenz zu erziehen.

Ich grinse in mich hinein. Das hat Paps schon nicht geschafft …

Vinc schaut kurz über die Schulter, zieht eine Augenbraue hoch. Er weiß wieder mal genau, was ich denke.

»Okay«, geb ich mich geschlagen und schütte lediglich ein bisschen Trockenfutter in Rambos Schälchen. Der verzieht sich beleidigt.

»Soll ich was mit rausnehmen?«, frag ich, die Nase an Vinc’ Schulter reibend.

»Schleich dich«, sagt er drohend, was heißen soll: Bin gleich fertig, mach’s dir gemütlich.

Gerne. Der Tag in Papas Gourmettempel »Macis« war strapaziös genug. Pressebesuch für Paps, seines Zeichens Sterne- und Fernsehkoch, ziemlich gefragt, und das seit Jahren, hat sich wie immer mit Genuss in seinem Ruhm gebadet – leider kann er es nicht lassen, mich mit ins Rampenlicht zu ziehen. Find ich ja nett, dass er stolz ist auf seine Tochter, aber Hintergrund ist mir lieber.

Rambo schleicht an mir vorbei, springt mit ein paar eleganten Sätzen von Balkon zu Balkon nach unten, bis zu der schmalen Katzenleiter für die rote Lilly aus dem ersten Stock. Okay, das heißt Gourmetmeile über den Viktualienmarkt, wo der eine oder andere Katzenfreund an ausgehungerte Streuner denkt. Rambo sieht das anders und nimmt es als Huldigung seiner stattlichen Erscheinung gnädig entgegen. Das ist ihm dann, wenn’s sein muss, sogar einen kleinen Machtkampf wert, den er aber mangels echten Hungers in der Regel verliert. Kratzt ihn vermutlich nicht wirklich, weil im »Macis« wird der Liebling des Chefs sowieso verwöhnt … Was in der Folge bedeutet, Rambo übernachtet bei Paps am Sebastiansplatz, und für Vinc und mich ist genügend Platz in der Hollywoodschaukel.

Ich gieß Wasser in die ausgetrocknete Erde im Pflanzgefäß. Das Geißblatt steht in voller Blüte, ist Blickschutz und Schattenspender zugleich, hat er prima gemacht, der Vormieter. Als Vinc mit vollbeladenem Tablett rauskommt, schieb ich schnell den kleinen, weiß lackierten Metalltisch zurecht. Sieht lecker aus, was mein Schatz kreiert hat. Nach dem ganzen Schnickschnack in Paps’ Küche freu ich mich am Abend auf was Schlichtes, als Nachtisch kuscheln mit Vinc.

Der Nachtisch hält den Erwartungen stand, dazu ein Gläschen Vino bianco frizzante – schön gekühlt, haben wir noch aus Italien, letztes Jahr von Maria.

Das Telefon klingelt.

»Nö, nicht jetzt«, nörgle ich, hangele mich aber ein Stück vor und greif mein Handy.

»Du musst mir helfen, Doro!«, kann ich grad so zwischen Schluchzern und Hicksern heraushören. Ich halt die Hand über den Lautsprecher.

»Keine Ahnung, wer dran ist«, sag ich zu Vinc und setze mich auf. Zehn-Uhr-Läuten vom Alten Peter. Über den Dächern von München.

Aus dem Handy Geheule.

»Hallo, bist du es, Lollo?« Meine Vermutung. Vinc nippt am Wein, wartet ab.

Ich leg die Hand über den Lautsprecher. »Wahrscheinlich hat sie ein graues Haar entdeckt. Und das mit 42«, spotte ich böse über die aktuelle Lebensabschnittsgefährtin meines Vaters.

»I… ich bin’s. Greta.«

»Greta?« Greta Rinaldi, geborene Schönauer, meine alte Schulfreundin. Ruft mich an und heult?

Ich mein, das irritiert mich schon. Schließlich sind wir zwar Freundinnen. Seit dem Gymi. Aber nicht beste Freundinnen.

Vinc schaut interessiert hoch, ich zucke mit den Schultern und lausche dem Gestammel am anderen Ende der Leitung. Der letzte Glockenton des Stundenschlags verklingt.

»Stopp!«, unterbreche ich Greta. »Jetzt beruhig dich mal. Kurz zusammengefasst, ihr braucht einen Ersatzkoch und du hast an mich gedacht. So weit richtig?«

Vinc runzelt die Stirn.

Ein tiefer Seufzer von Greta. »Valdo, unser Koch, hat sich den Arm gebrochen, und wo sollen wir Ende August einen neuen auftreiben? Wir haben alles versucht …«, erklärt Greta, jetzt wesentlich verständlicher.

»Ist doch kein Grund, so rumzuheulen«, bring ich die Lage auf den Punkt.

»Tut mir leid, Doro, wollt ich gar nicht … ist grad alles zu viel … und jetzt das noch. Das Hotel ist ausgebucht und fast alle Gäste wollen Halbpension. Das schafft Niveo nicht. Der ist nur Aushilfskoch.«

»Und wenn euer Valdo sich auf einen Stuhl setzt und dirigiert?« Praktiziert Paps auch, wenn er mit Abendgarderobe in seiner Küche vorbeischaut – und das selten ohne einen Verbesserungsvorschlag.

»Valdo muss ein paar Tage liegen, er hat nämlich auch eine leichte Gehirnerschütterung …«

Okay. Ich reib mir die Nase und schau zu Vinc. Sein Blick spricht Bände. Allein das, was er mitgekriegt hat, lässt anscheinend böse Ahnungen in ihm aufsteigen.

Irgendwo schlägt ne verspätete Glocke. Der alte Peter nebenan schweigt.

»Tja, Greta, wie stellst du dir das vor? Ich mein, ich arbeite bei Paps und kann nicht einfach losfahren.«

Vinc grinst unverschämt, was ihm einen Hieb auf die Schulter einbringt. War anscheinend zu schwach, er grinst frech weiter. Okay, okay, bin ihm nicht böse, er hat ja recht. Bei Bedarf kommt’s durchaus vor, dass ich schnell disponiere.

Äh … Moment, ich hab mich noch nicht entschieden …

»Und dein Mann traut mir das zu? Einer Frau, und erst 26 Jahre alt? Kein italienischer Macho?«

»Doro, ich habe mit meinen Schwiegereltern gesprochen, die haben das Sagen im Hotel, und als die gehört haben, wessen Tochter du bist, haben sie noch was aufs Gehalt draufgelegt«, schmeichelt Greta jetzt.

Hat sie allerdings den falschen Knopf erwischt. Mit Tochterbonus vom berühmten Sascha Ritter aufzutreten, hasse ich wie die Pest. Ich liebe Paps, aber ich bin ich, da leg ich extremen Wert drauf. Okay, Doro, schluck’s runter, befehl ich mir, kann Greta ja nicht wissen.

»Machen wir’s kurz«, entscheide ich. »Ich ruf dich morgen an, okay?«

»Doro, du bist ein Schatz!«, schreit mir Greta euphorisch ins Ohr.

»Mal langsam«, brems ich sie, »ich hab noch nicht Ja gesagt. Morgen, okay?«

»Ja, morgen. Ist gut.« Sagt’s und klingt so befreit, als hätte ich keine Wahl.

»Was war das jetzt?«, fragt Vinc, als ich das Handy in den Schoß sinken lasse und mich zurücklehne. Er legt den Arm um meine Schulter.

»Ich soll bei Greta in der Küche aushelfen. Am besten seit gestern.«

»Und was heißt das jetzt?«

»Na ja, die scheinen echt nen Notstand zu haben, Greta ist total verzweifelt, und Paps käme auch ohne mich aus.«

»Heißt zusammengefasst: Du fährst«, resümiert Vinc trocken.

Ich zuck die Schultern. Weiß ja selber nicht … »Na ja, wahrscheinlich … Aber Australien …«, sag ich.

»Hmm.«

»Könnten wir auch verschieben«, schlag ich vor.

»Könnten wir.«

Ich schau Vinc in die Augen. Wie meint er das jetzt? Ernst? Oder ist er beleidigt? Sauer?

Er blinzelt ein paarmal. »Ich fänd’s gar nicht so schlecht«, sagt er dann. »Der Umzug war sauteuer, die Miete und so … Eigentlich passt Italien und Kohle verdienen besser als Australien und tauchen am Great Barrier Reef. Zum Glück haben wir noch keine Flugtickets.«

Wie bitte? »Du wolltest doch auch …?«, frag ich leicht verunsichert.

Hab ich ihn überrollt mit meiner Begeisterung? Quatsch! Vinc sagt schon, was er will. Er ist halt meistens ein bisschen vernünftiger als ich. Und es stimmt ja. Ebbe in unserer Kasse.

»Und, kommst du mit? Ich mein, nach Italien.«

»Was hast du denn gedacht? Du machst Urlaub am Gardasee und ich hüte die Wohnung und nuckel an den Weinflaschen vom letzten Jahr?« Vinc schlingt die Arme um mich, sein Kuss schmeckt nach Wein und Oliven. »Allerdings kann ich erst in zwei Tagen. Fahr du mit dem Auto voraus, ich komm mit Fredis Motorrad nach.«

»Hast du dich mit Greta abgesprochen?«

»Mit Greta? Was meinst du?«

»Tja, so schnell, wie du alles regelst …« Ich zieh die Augenbrauen hoch.

»Glaubst du, nur du kannst spontan sein?«, fragt Vinc herausfordernd. »Aber im Ernst. Fredi hat ne Knieoperation hinter sich, Fußballunfall, und hat mich letzte Woche gefragt, ob ich seine Suzuki ausleihen will. Ab Montag kann ich sie haben, und ich hab mich eh schon gefragt, wann wir damit losziehen. Ich würde sagen, das ist die Gelegenheit. Also nimm deine Motorradklamotten mit.«

»Perfetto«, übe ich mich schon mal im Italienischen und wähle Paps’ Handynummer.

Vinc verzieht sich in die Küche. »Trinkst du noch ein Glas?«, ruft er von dort.

»Rat mal«, ruf ich zurück.

»Danke, das war mein Ohr«, beschwert sich Paps am anderen Ende der Leitung.

»Tschuldigung, war nicht für dich bestimmt«, sag ich zu ihm.

»Hast du was vergessen oder suchst du Rambo?«

»Weder noch. Ich kann eine Weile nicht bei dir kochen …«, komm ich ohne Umschweife zum Punkt.

»Was ist es diesmal?«, fragt Paps spöttisch.

Er ist nicht sauer. Anscheinend tut ihm Lollo wirklich gut.

»Witzig find ich das eigentlich nicht«, schiebt er trocken hinterher.

»Hallo? Kannst du meine Mimik hören?«

»Nicht nötig. Ich kenn dich seit 26 Jahren.«

»Dein Punkt«, geb ich mich geschlagen und erklär ihm die Lage.

»Ja, dann rette das Hotel deiner Freundin oder ihr Leben oder was auch immer … Aber du weißt ja: Rezepte, Gewürze, Ideen.«

»Ich weiß. Und ein paar Fläschchen Vino. Beste Qualität. Ich schau mich um. Und danke, Paps.« Ich schick einen dicken Schmatzer durch den Äther.

»Danke, das war wieder mein Ohr. Und … ich dich auch«, lacht Paps.

Eine verfrühte Sternschnuppe zieht ihre Bahn und verglüht am milchigen Nachthimmel.

»Hast du gesehen?«

Vinc tippt gerade an seinem Handy rum. »Was?«, fragt er, ohne hochzuschauen.

»Die Sternschnuppe. Ich darf mir was wünschen.«

»Also, ich wünsch mir, dass du jetzt endlich herkommst und Ruhe gibst«, brummt Vinc und legt sein Handy zur Seite. »Außerdem ist es viel zu früh für ne Sternschnuppe, war vermutlich nur ein Flugzeug.«

»Bist ja nur neidisch. Tja, blöd, dass du die Sternschnuppe nicht gesehen hast, gell. Aber manche Wünsche gehen trotzdem in Erfüllung«, tröste ich ihn und kuschel mich zu ihm auf die Hollywoodschaukel.

Limoncellolügen

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