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Vorwort: Maß und Mythos, Zahl und Zauber – Die Vermessung von Himmel und Erde

Wolfschmidt, Gudrun (Hamburg)

Das Buch „Maß und Mythos, Zahl und Zauber“ beschäftigt sich mit der Vermessung von Himmel und Erde; es handelt sich um die Proceedings der Tagung der „Gesellschaft für Archäoastronomie“ in Dortmund 2018,1 wo sich das Vermessungstechnische Museum befindet. Insgesamt 24 Beiträge spiegeln die Tagung wider.

Einleitend stellt Michael A. Rappenglück die wichtige Frage nach der Bedeutung des Sternenhimmels für die Menschen – Was eigentlich ist Kulturastronomie? Und wie grenzt sich dieser Begriff von Ortungskunde, Archäoastronomie, Astroarchäologie, Paläoastronomie, Ethnoastronomie, usw. ab?

Seit dem Paläolithikum spielen archaische und vor-neuzeitliche Himmelsbilder und Kosmovisionen weltweit eine bedeutsame Rolle im Leben des Menschen. Michael A. Rappenglück untersucht bei der in vielen Kulturen benutzten Symbolik des Baums der Welt und der Welten (einschließlich Weltberg oder Lebensbaum), ob ein archaisches kosmographisches Modell zugrundeliegt. Ferner präsentiert er zahlreiche Beispiele, stellt viele interessante Bezüge her und gibt umfangreiche Literaturhinweise.

Die ersten Beiträge stehen unter der Überschrift Himmel und Erde erfassen durch Zählen, Messen und Konstruieren. Michael A. Rappenglück widmet sich dem innovativen Thema Paläo-Mathematik – die Urgeschichte von Mathematik, Metrologie und Astronomie im Paläolithikum, aber auch bis zum Neolithikum, – Himmel und Erde erfassen durch Zählen, Messen und Konstruieren, belegt durch eindrucksvolle Beispiele.

Zahlen und Zeichen spielen eine große Rolle in der Kulturgeschichte. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich Werner Beckmann mit den Zahlen in der Volksweisheit der Westfalen. Besonders wichtig sind die Zahlen als kosmische Einheiten für Maße in Raum und Zeit. Gezählt werden Tage, Wochen, Monate und Jahre in Hinblick auf Kalender. Gemessen werden nicht nur die Umlaufzeiten von Sonne Mond, sonden auch die der Planeten. Die Zahl „Sieben“ der Wochentage ist auf die sieben klassischen „Planeten“ (einschließlich Sonne und Mond) zurückzuführen. Ralf Koneckis-Bienas stellt bei seinen kurzen Beiträgen Märchenhafter Himmel, Himmlische Märchen2 und Ko(s)mische Zahlen in Bezug zu Gestirnsperioden die interessante Frage: Welche Märchen, Mythen und Sagen spiegeln aufgrund ihrer Zahlenverhältnisse kalendarisches oder kosmisches Wissen wider? Irene Hager et al. untersucht bei dem Heidenstein bei Eibenstein, einem Schalenstein in Oberösterreich, ob es Auf- bzw. Untergangspunkte von Himmelskörpern gibt, die sich für Zeit- bzw. Kalenderbestimmungen eignen.

Beispiele zur Verwendung einer „Zählmethode“ aus der Bronzezeit sind bekannt, u.a. die Aubrey-Löcher (Stonehenge), die Himmelsscheibe von Nebra mit der Schaltregel oder die Goldhüte mit Kalenderwissen (z. B. Berlin).3 Oskar Schmidt und Wolfgang Merkel anlysieren die Venus-Zeichen auf drei bronzezeitlichen Goldhüten vom Typ Schifferstadt und schlagen damit einen Schlüssel zum Verständnis der Goldhut-Symbolik vor.

Christiane Richter und Bernd Teichert greifen ein spannendes Thema auf, Astronomische Untersuchungen der Nasca-Linien. Sie überprüfen den Vorschlag von Dr. Maria Reiche (1903–1998), ob die Zeichnungen eine Kalenderanlage der Nasca-Indios darstellen. Jörg R. Bauer thematisiert in einem kurzen Beitrag Von Mythos und Spekulation zu Maß und ZahlGlauberg-Skulptur, Almanach-Kalender und überprüft die astronomische Orientierung um den Fürstengrabhügel am Glauberg in keltischer Zeit. Harald Gropp widmet sich dem Kalendermacher, Klimaforscher und Weltallbummler Milutin Milanković (1879–1958).

Die folgenden Artikel werden im Abschnitt Geodäsie in der Archäoastronomie – Weltkarten zusammengefasst. Astrid Wokke beschäftigt sich mit Gürtelscheiben und Halsketten: Himmelsscheiben und Ekliptik? und stellt die Frage, ob es eine Stereografische Projektion in der nordischen Bronzezeit gegeben haben könnte. Rahlf Hansen & Christine Rink präsentieren unter dem Titel Der Faden der Ariadne eine neue Möglichkeit zur antiken Vermessung der Größe der Welt – und zwar in Kreta mit Hilfe des Sterns Canopus.

Karl H. Schulze fragt Wie genau sind die Daten des Ptolemaios für Germanien? Andreas Fuls beschäftigt sich mit Geodätischen Transformationsmethoden und der Entzerrung der Weltkarte des Klaudius Ptolemaios mit dem Ziel, die 6347 historischen antiken Orte mit heutigen Orten bzw. topographischen Merkmalen zu identifizieren. Ein weiterer Artikel von Andreas Fuls stellt Heinrich


Abbildung 0.3:

Geschichte der Vermessungstechnik im Vermessungstechnischen Museum Dortmund

Oben: Römische Groma und Heliotrop, F. W. Breithaupt, Göttingen, 1835

Unten links: Präzisionstheodolit, Pistor & Martins, Berlin, 1861

Unten rechts: Universaltheodolit, F. Sartorius, Göttingen, 1910

Fotos: Gudrun Wolfschmidt im Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund

Lübke und die Ausbildung von Geodäten und Kulturtechnikern an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin vor.

Georg Zotti diskutiert mit dem Titel GIS, Landschaft, 3D-Modelle und Himmelssimulation die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen 3D-Modelle zur archäoastronomischen Untersuchung von Kulturdenkmälern und der sie umgebenden Landschaft mit dem Computerplanetarium Stellarium oder eine Game Engine besser geeignet sind als die klassischen Horizontpanoramen.

Der letzte Abschnitt Vermessung in der Architektur der Antike, des Mittelalters und der Frühen Neuzeit beschäftigt sich mit der Vermessung von Himmel und Erde, der astronomischen Ausrichtung von Grabstätten, Baudenkmälern und Städten. Wie haben die Ägypter, Griechen und Römer gemessen? Wie sehen die ältesten Messinstrumente aus? Wie wird heute gemessen? Warum wurden bewährte Maße aufgegeben? Bernt Herlitzius geht den Spuren römischer Bautechnik in Soest und Umgebung nach.

Wie sind mittelalterliche Kirchen ausgerichtet, z. B. die eindrucksvolle und mysteriöse Drüggelter Kapelle am Möhnesee? Christoph Gebauer diskutiert die Funktionen der Drüggelter Kapelle und Bernt Herlitzius die Kapitellsymbole in der Drüggelter Kapelle. Heribert Reif stellt die romanische Kirche Bönen Flierich, eine der ältesten Kirchen dieser Region, und ihre Kapitelle in Beziehung zum Jahreslauf vor – unter baumkundlichen Aspekten – Bäume in der Kultur der Landschaft und Siedlungen, insbesondere die Linde.

Mit dem Thema Stadt und Kosmos untersucht Kerstin A. Aurelia Geßner in eindrucksvoller Weise die astronomische Ausrichtung mittelalterlicher Stadtanlagen in Europa (Ausrichtung der Ost-West-Achse auf den Sonnenaufgangspunkt am Gründungstag) anhand von drei europäischen Städten in Frankreich (Tournay), Italien (San Giovanni Valdarno) und Deutschland (Rothenburg ob der Tauber).

Werner Heinz beschäftigt sich mit den Geografischen Meridianen; insbesondere geht es um die Mittagslinien in Kirchen meist ab dem 16. Jahrhundert zur Zeitbestimmung (Mittag), aber auch in Zusammenhang mit der Kalenderreform (Ablesung der Jahreszeit) – Kathedralen als Sonnenobservatorien und Kalenderbauten. Bekannt sind die Meridianlinien in Bologna (San Petronio) 1575 von Ignazio Danti (1536–1586) und 1656 von Giovanni Domenico Cassini (1625–1712), ferner Rom (Santa Maria degli Angeli) 1702, Paris (St. Sulpice) 1727, Palermo (Dom) 1794.

So bietet das Buch einen interessanten Überblick zur Vermessung von Himmel und Erde von der Stein- und Bronzezeit, Antike und den alten Kulturen bis zum Mittelalter und der Frühen Neuzeit – Maß und Mythos, Zahl und Zauber spielte immer eine bedeutende Rolle.


Abbildung 1.1:

Der Himmel im Leben der Menschen: Archäoastronomie, Ethnoastronomie, kulturelle Astronomie, kulturelle Kosmologie

Collage mit eigenen Fotos: Michael A. Rappenglück

1 http://archaeoastronomie.org/.

2 Teil I: Sonne, Mond und Winkelmaß im Deutschen Volksmärchen und Teil II: Das Rastermaß.

3 Menghin, Wilfried: Der Berliner Goldhut. Macht, Magie und Mathematik in der Bronzezeit. Hg. von M. Wemhoff. Regensburg 2010.

Maß und Mythos, Zahl und Zauber - Die Vermessung von Himmel und Erde

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