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5.2.2 Probleme und Grenzen von klassischen Verfahren der Jahresabschlussanalyse

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Probleme der klassischen Jahresabschlussanalyse ergeben sich also aus der Notwendigkeit, Kennzahlen mehr oder weniger subjektiv auszuwählen, zu gewichten und zusammenzufassen: Bei der herkömmlichen Jahresabschlussanalyse ist die Auswahl der Kennzahlen als subjektiv zu bezeichnen, weil der Analyst gemäß seiner eigenen Erfahrung eine Auswahlentscheidung trifft. Dieses Problem lässt sich auch nicht durch die Anwendung eines allgemein bekannten Kennzahlensystems beheben, da sich der Analyst (auch) subjektiv zwischen vordefinierten subjektiv gebildeten Kennzahlenkatalogen entscheidet. Damit wird das Objektivierungsprinzip verletzt, weil bei der herkömmlichen Jahresabschlussanalyse keine objektiven Verfahren verwendet werden (können), um die für das Urteil relevanten Kennzahlen auszuwählen, zu gewichten und zusammenzufassen.

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Die üblichen Kennzahlen der klassischen Jahresabschlussanalyse sind nicht darauf angelegt, bilanzpolitische Maßnahmen zu neutralisieren; bei ihrer Verwendung geht der Bilanzanalytiker zumeist implizit davon aus, dass keine Bilanzpolitik vom Bilanzierenden gemacht wird.[113] Ein auf diese Weise gewonnenes Ergebnis der klassischen Jahresabschlussanalyse wäre indes durch bilanzpolitische Maßnahmen verfälscht, sofern das zu analysierende Unternehmen das Bild seiner wirtschaftlichen Lage durch bilanzielle Ansatz- und Bewertungswahlrechte, Ermessensspielräume sowie durch bilanzpolitisch motivierte Sachverhaltsgestaltungen (sog. financial engineering) geschönt oder auch verschlechtert hat.[114] Das Neutralisationsprinzip wird verletzt.

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Die mit der klassischen Jahresabschlussanalyse gewonnenen Teilurteile über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage können zudem widersprüchlich sein, wenn diese Teilurteile über ein und dasselbe Unternehmen teils eine bestimmte gute Teillage und teils eine andere bestimmte schlechte wirtschaftliche Teillage indizieren. Mit Hilfe einiger weniger ausgesuchter Kennzahlen kann der Bilanzanalytiker zwar auf einfache Weise ein subjektives Vor-Urteil bilden. Dabei ist indes nicht sichergestellt, dass alle für das Urteil relevanten Kennzahlen in seine Beurteilung einbezogen werden. Dem Ganzheitlichkeitsprinzip wird also nicht entsprochen. Somit ist nicht gewährleistet, dass sämtliche für eine Beurteilung der Existenzgefährdung des Unternehmens tatsächlich und empirisch relevanten Kennzahlen ausgewählt worden sind.[115]

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Der Jahresabschluss als Informationsbasis für die klassischen Verfahren der Jahresabschlussanalyse ist zumindest bei Kapitalgesellschaften leicht verfügbar, weil diese zur Offenlegung ihres Jahresabschlusses verpflichtet sind. Die Daten können indes nicht direkt aus dem Jahresabschluss für die Kennzahlenberechnung verwendet werden. Sie müssen zunächst aufbereitet werden (vgl. Rn. 161 f.). Der Aufwand für die Datenaufbereitung sollte mit dem Informationsnutzen aus der Analyse verglichen werden, um die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens zu wahren.

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Die klassische Jahresabschlussanalyse ist vergangenheitsorientiert, weil das Urteil mit den gesetzlich vorgeschriebenen vergangenheitsbezogenen Jahresabschlüssen gebildet wird. Die Aussagekraft der Jahresabschlussanalyse wird darüber hinaus geschmälert, wenn die Jahresabschlüsse – wie häufig in der Praxis – erst Monate nach dem Bilanzstichtag vorgelegt werden.[116] Vor diesem Hintergrund ist die Erfüllung des Frühzeitigkeitsprinzips in Frage zu stellen (vgl. Rn. 106).

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Um alle diese Mängel der herkömmlichen Jahresabschlussanalyse zu vermeiden, sind Analyseverfahren entwickelt worden, die mit einer sehr großen Zahl an Jahresabschlüssen von solventen und von später insolventen Unternehmen sowie mit bilanzpolitik-konterkarierenden Kennzahlen die Lage des Unternehmens an typischen Kennzahlenmustern von später insolvent werdenden Unternehmen beurteilen. Damit steht die sog. „moderne“ Jahresabschlussanalyse zur Verfügung, mit der aktuelle Jahresabschlüsse auf die derzeitige und künftige Bestandsfestigkeit des betreffenden Unternehmens geprüft werden können. In der Folge werden die modernen Verfahren der Bilanzanalyse vorgestellt. Zu prüfen ist, ob bei diesen Verfahren die in Rn. 102 ff. genannten Anforderungen erfüllt werden.

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