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5.3.5 Baetge-Bilanz-Rating als modernes Verfahren der Jahresabschlussanalyse

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Ein konkretes Bsp. für ein Künstliches Neuronales Netz ist das Backpropagation-Netz[138] BP-14, welches später in Baetge-Bilanz-Rating (BBR) umbenannt wurde. Das BBR wurde mit Hilfe der künstlichen neuronalen Netzanalyse entwickelt. Für die Entwicklung des BBR standen 11 427 Jahresabschlüsse[139] zur Verfügung, wovon 10 515 Jahresabschlüsse von solventen und 912 Jahresabschlüsse von später insolvent gewordenen Unternehmen stammten.[140] Der Entwicklung des Baetge-Bilanz-Rating lag in der Ausgangssituation ein Kennzahlenkatalog mit 259 teilweise Bilanzpolitik neutralisierenden (kreativen) Kennzahlen zugrunde. Nachdem bei Voranalysen 50 Kennzahlen aufgrund von Hypothesenverstößen eliminiert werden konnten, wurden durch zahlreiche Lern-, Test- und Validierungsphasen und durch den Einsatz diverser Pruning-Methoden jene Kennzahlenkombinationen identifiziert und kombiniert, die eine stabile und sehr wenig fehleranfällige Klassifikation der Unternehmen erlaubt.[141]

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Aus den verbliebenen 209 Kennzahlen hat sich durch das Lernen des Künstlichen Neuronalen Netzes eine Kennzahlenkombination von 14 Kennzahlen als besonders trennfähig erwiesen (vgl. Tab. 1). Durch diese 14 Kennzahlen wurden im Verlaufe des Lernens des Künstlichen Neuronalen Netzes acht Informationsbereiche[142] abgedeckt, welche sich einer der drei Teillagen (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage) der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zuordnen lassen. Die 14 Kennzahlen werden gewichtet und zu einer einzigen Kennzahl, dem N-Wert, aggregiert. Der N-Wert ist ein Maß für die Existenzgefährdung eines Unternehmens.[143]

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Tab. 1: Kennzahlen des BBR[144]
Bezeichnung Informationsbereich Teillage Definition
Kapitalbindungsdauer1 Kapitalbindungsdauer Vermögenslage ((Akzepte + Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) × 360) / Gesamtleistung
Kapitalbindungsdauer2 ((Akzepte + Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) × 360) / Umsatz
Kapitalbindung Kapitalbindung (Kfr. Bankverbindlichkeiten + kfr. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen + Akzepte + kfr. Sonstige Verbindlichkeiten) / Umsatz
Fremdkapitalquote Verschuldung (Kfr. Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen) / Bilanzsumme
Fremdkapitalstruktur (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen + Akzepte + Bankverbindlichkeiten) / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen)
Eigenkapitalquote1 Kapitalstruktur (Wirtschaftliches Eigenkapital – immaterielle Vermögensgegenstände) / (Bilanzsumme – immaterielle Vermögensgegenstände – flüssige Mittel – Grundstücke und Bauten)
Eigenkapitalquote2 (Wirtschaftliches Eigenkapital + Rückstellungen) / (Bilanzsumme – flüssige Mittel – Grundstücke und Bauten)
Finanzkraft1 Finanzkraft Finanzlage Ertragswirt. Cashflow / (Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen)
Finanzkraft2 Ertragswirt. Cashflow / (Kfr. Fremdkapital – mfr. Fremdkapital – erhaltene Anzahlungen)
Anlagendeckung Deckungsstruktur Wirtschaftliches Eigenkapital / (Sachanlagevermögen – Grundstücke und Bauten)
Umsatzrentabilität Rentabilität Ertragslage Ordentliches Betriebsergebnis / Umsatz
Cashflow1-ROI Ertragswirt. Cashflow / Bilanzsumme
Cashflow2-ROI (Ertragswirt. Cashflow + Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen) / Bilanzsumme
Personalaufwandsquote Aufwandsstruktur Personalaufwand / Gesamtleistung

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Anhand des N-Wertes lässt sich nicht nur zweiwertig herleiten, ob ein Unternehmen existenzgefährdet ist oder nicht. Es sind auch differenzierte Aussagen über die Bestandsfestigkeit des betrachteten Unternehmens möglich. Der N-Wert kann auf einer Skala Werte zwischen -10 (sehr hohe Existenzbedrohung) und +10 (ausgezeichnete Bestandssicherheit) annehmen. Die Skala ist in sechs Güteklassen und vier Risikoklassen unterteilt. Letztere geben den Grad der Existenzgefährdung eines Unternehmens an. Je kleiner der N-Wert, desto gefährdeter ist die Existenz des Unternehmens. Durch eine Beobachtung der N-Wert-Entwicklung eines Unternehmens im Zeitablauf können auch allmählich sich entwickelnde Existenzgefahren identifiziert werden.[145] Wenn also der N-Wert eines Unternehmens im Intervall von -2 bis -10 liegt, ist von einer zunehmend drohenden Unternehmenskrise auszugehen (vgl. Tab. 2).[146]

Tab. 2: N-Wert und Grad der Bestandssicherheit/Existenzgefährdung[147]
N-Wert Klasse Grad der Bestandssicherheit/Existenzgefährdung
10 – 8 Güteklasse Ausgezeichnete Bestandssicherheit
8 – 6 Sehr gute Bestandssicherheit
6 – 4 Gute Bestandssicherheit
4 – 2 Befriedigende Bestandssicherheit
2 – 0 Ausreichende Bestandssicherheit
0 bis -2 Kaum ausreichende Bestandssicherheit
-2 bis -4 Risikoklasse Leichte Existenzgefährdung
-4 bis -6 Mittlere Existenzgefährdung
-6 bis -8 Hohe Existenzgefährdung
-8 bis -10 Sehr hohe Existenzgefährdung

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Wie treffsicher die modernen Verfahren der Bilanzbonitätsanalyse und der Krisenfrüherkennung sind, zeigt die folgende Tab. 3. Am Institut für Revisionswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster konnte nachgewiesen werden, dass das BBR in der Lage ist, existenzgefährdete Unternehmen zuverlässig und frühzeitig (d.h. Jahre vor der Insolvenz) zu identifizieren.[148] Beispielsweise wurde das BBR in den 1990er Jahren dazu verwendet, die Jahresabschlüsse der umsatzstärksten Unternehmen aus den Wirtschaftszweigen Industrie, Handel und Dienstleistung auf deren Bestandsfestigkeit zu untersuchen. Die Leistungsfähigkeit bezüglich der Frühwarnung vor Krisen durch das BBR ist bereits im Jahr 1996 in einem DB-Artikel dokumentiert.[149] Tab. 3 umfasst einige der auf der Grundlage des BBR frühzeitig erkannten Unternehmenskrisen. Beispielsweise konnte mit Hilfe des BBR bereits 1995 erkannt werden, dass die Existenz des Philipp Holzmann Konzerns stark gefährdet war, obwohl dieser erst im Jahre 1999 endgültig insolvent wurde.[150]

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Tab. 3: Frühzeitig mit dem BBR erkannte Unternehmenskrisen[151]
Unternehmen Jahresabschluss N-Wert (Manifeste) Krise Veröffentlichung
Philipp Holzmann 1995 -3,30 November 1999 Der Betrieb August 1996
Pittler 1992 -4,30 Januar 1997
Traub 1992 -8,20 Oktober 1996
KHD 1993 -1,80 Mai 1996
Gebr. März 1994 -1,90 Februar 1996

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Das BBR erlaubt nicht nur, das Bestandrisiko eines Unternehmens als Ganzes in einem Top-down-Ansatz zu ermitteln, sondern mithilfe der speziell für das BBR entwickelten sog. Fragengeleiteten Ursachenanalyse und der Individuellen Sensitivitätsanalyse ist auch ein Rückschluss auf die möglichen Krisenursachen eines Unternehmens möglich. Die Ursachenanalyse lässt sich mit Hilfe einer Fragenpyramide darstellen (vgl. Abb. 16).

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