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Take off

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„This flight is cancelled!“ sagte die hübsche junge Frau am Schalter der Qantas und lächelte gleichbleibend charmant zu uns herüber.

Ich hatte auf einmal das Gefühl, eine dunkle Brille aufzuhaben: Die Lampen schienen nicht mehr so hell und das todsichere Gefühl aufkommender Probleme machte sich unangenehm in meinem Magen bemerkbar.

Es war in der ersten Woche im Februar, ein bitterkalter, klarer Tag.

Bei herrlichstem Sonnenwetter waren wir „staufrei“ über die Autobahn nach Frankfurt, gekommen. Das Auto konnten wir bei unseren netten Freunden auf dem Hof sicher abstellen. Sie hatten uns dann netterweise direkt bis vors Portal der Abflughalle gefahren. Mit Ermahnungen wie: „Verlauft euch nicht, laßt euch nicht beißen und kommt gesund wieder,“ schickten sie uns auf die Reise.

Nun schoben wir unseren Trolly mit den exakt 40kg schweren Koffern zum Schalter der australischen Airline Qantas.

Beim Packen hatte es wegen dieses genau einzuhaltenden Gewichtes schon erbitterte Behauptungskämpfe gegeben. Ich wollte nicht auf „den schönen Rock mit der passenden Bluse und den dazugehörenden Sandaletten“ verzichten, von ein paar Kleinigkeiten, wie z.B. Fön, mehreren Handtüchern und reichlich Unterwäsche ganz zu schweigen. Klaus klärte mich süffisant darüber auf, daß die Australier schon von der Erfindung der Waschmaschine gehört hätten, und so ein Teil bestimmt in jedem Haushalt zu finden sei,- und dann auch von mir benutzt werden könnte!

Nun, zugegeben: sein Bekleidungshäufchen nahm sich mit drei T-Shirts, drei Hemden, zwei kurzen Hosen, Badehose, Mütze, Unterwäsche und ein paar Latschen gar bescheiden aus.

„Australien ist ein warmes Land“, und „was ich nicht mit habe, kaufe ich mir eben“, waren seine Devisen.

Nachdem wir beim Packen, besonders meiner Sachen, um jedes Teil hart verhandelt hatten, kamen wir auf gute 47kg.

„Hör mal, wir haben ja fast nur Mitbringsel für die Australier im Gepäck! Ich habe wirklich nur das Allernötigste mitgenommen.“ Ich jammerte zum Steinerweichen und sah mich schon über Wochen immer mit demselben verwaschenen Hemd und derselben Jeans herumlaufen. Aber Klaus kannte da ja keine Verwandten!

Um jedweder Schwierigkeit beim Einchecken von vorn herein aus dem Weg zu gehen, bestand er auf genau den vorgegebenen vierzig Kilogramm.

Er malte mir aus, wie es sei, wenn wir die Koffer öffnen müßten und uns, unter den neugierigen Augen unserer Mitreisenden, von einigen „Schätzchen“ trennen müßten. Ich sah mich schon auf den Knie liegen und unter Klausens bissigen Kommentaren in unseren Habseligkeiten wühlen.

Wie gesagt, es war unsere erste große Reise, und wir standen erst am Anfang. Wir waren natürlich viel zu früh am Flughafen angekommen, und deshalb waren die Schalter zum Einchecken noch nicht besetzt. Das machte uns nichts aus, denn die ganze Atmosphäre war so aufregend, neu und beeindruckend, daß wir gar keine Minute davon missen wollten.

Um uns zu informieren und um ganz sicher zu gehen, schoben wir zum allgemeinen Auskunftsschalter und fragten die adrette Schönheit, ob der Flug Nr. 111 wohl pünktlich losgehen würde.

Die junge Frau bediente verbindlich lächelnd ihren Computer. Dann aber schaute sie noch einmal intensiver auf den Bildschirm und ließ sich mit der Antwort viel Zeit. –„Du meine Güte!“, dachte ich mir, so viele Maschinen werden doch nicht abends um 20.45 Uhr nach Australien abfliegen. Was guckte die denn da so lange?“-

Und dann sagte die Hübsche eben jenen folgenschweren Satz, dessen Bedeutung in seiner ganzen Tragweite zu verstehen bzw. zu verarbeiten uns ein gerütteltes Maß an Zeit, Mühe und Nerven kostete: „ This flight is cancelled!“

„Äh, wie meinen Sie das?“ fragte mein Mann, der an sich des Englischen durchaus mächtig ist, ziemlich verdattert.

Ich hatte noch Schwierigkeiten, den Sachverhalt in seinem vollen Umfang zu begreifen. „Wann geht denn die nächste Maschine?“ fragte ich arglos. Das nette Wesen hinter dem Schalter wiegte zweifelnd den Kopf und erhoffte sich offensichtlich von dem Computer eine erschöpfende Antwort. – Aber da stand wohl nichts Genaues.

„Was machen wir denn nun weiter“, ich war tief beunruhigt. „Wir haben doch schon unseren Urlaub genommen; da können wir nicht einfach nach Belieben mit der Zeit hin – und herhopsen! Unsere Freunde in Australien erwarten uns. Was ist denn mit all den Vorbuchungen und Inlandsflügen?“

Ich weigerte mich entschieden, meinen Traum von Australien schon auf dem Flughafen zu begraben.

Die Auskunftsdame fühlte offensichtlich mit uns. Sie riet uns, umgehend ins Stadtbüro zufahren, weil man dort vielleicht besser Bescheid wüßte uns deshalb mehr für uns tun könnte.

Mit Sack und Pack bestiegen wir ein Taxi und fuhren zu unseren Freunden zurück. Diese waren mehr als erstaunt, uns so schnell wiederzusehen und versäumten es nicht, diesen Umstand mit ein paar albernen Sprüchen zu kommentieren: „Wie rasch doch die Zeit so vergehen würde.....! Zeitsprung erlebt, was?“

Uns war aber nicht zum Lachen zumute.

Nach ein paar Tassen Kaffee und heißen Diskussionen begann das große Autoverschieben aufs Neue. Jost hatte unseren Wagen Millimeter genau in einer Ecke eingeparkt, da er auf dem Hof nicht im Wege stehen sollte.

Mit warmen Getränken und zündenden Argumenten aufgeheizt, kutschierte mich Klaus dann durch das mir unbekannte Frankfurt. Aber so richtig hatten wir an dieser an sich interessanten Stadtrundfahrt keine rechte Freude.

Im Stadtbüro standen die weiblichen Mitarbeiter um einen schmächtigen Mann mit schütteren Haaren, dafür aber umso dichteren Vollbart. Schon bei unserem Eintreten redeten Alle wild durcheinander und ließen uns einige Minuten unbeachtet stehen. Schließlich löste sich ein Mädchen offensichtlich widerwillig aus dem Pulk und kam auf uns zu.

„Guten Tag, womit kann ich ihnen helfen?“

„Wir wollten ansich heute abend nach Australien abfliegen“, fing Klaus mit seinen Ausführungen an, als ihm die junge Frau auch schon, sichtlich erleichtert, ins Wort fiel. „Da sprechen Sie am besten mit Herrn Holzmann, er kann Ihnen bestimmt mehr dazu sagen.“ Aber so beredt und höflich der Mann auch war, er konnte uns im Grunde nicht mehr sagen, als wir schon wußten. Als er dann noch hörte, daß wir mehrere Wochen Urlaub genommen hatten, wurde er fast frech: „Wenn Sie so viel Zeit haben, kommt es doch nicht auf ein paar Tage mehr oder weniger an, ich jedenfalls kann mir einen so langen Urlaub nicht erlauben, und würde ich noch so viel Überstunden machen.“

Wir trennten uns, nichts Gutes voneinander denkend.

Wie gut hätten uns jetzt ein paar beruhigende, mäßigende Worte getan. Wir waren genervt, enttäuscht, mit einem Wort: -stinksauer-!

Und weil wir wenig Ahnung hatten, haben wir dann ein den folgenden Tagen viele Sachen falsch gemacht, oder zumindest falsch eingeschätzt.

„Ebent“

Als erstes gingen wir daher noch in Frankfurt zu der nächsten großen Bank und tauschten unsere Australdoller zurück, nicht ohne dabei einen beachtlichen Verlust in Kauf nehmen zu müssen.

Auf der Rückfahrt hatten wir für das schöne klare Winterwetter keine Augen mehr. Wir machten nur noch Pläne, wie wir die leeren, vor uns liegenden, Wochen ausfüllen könnten.

Natürlich wollten wir etwas gleich Ausgefallenes, Exotisches und Einmaliges wie Australien machen, aber als wir in Gedanken die Weltkarte durchgingen, fanden wir bei jedem Ziel das berühmte „Haar in der Suppe“.

Die Länder, die in die engere Wahl kamen, wie etwa Brasilien oder Peru, hatten eine Reihe von „Muß- und Empfehlungsimpfungen. Nun, diese durchzuführen dafür fehlte uns ja definitiv die Zeit. Außerdem wußten wir von diesen Ländern nicht soviel wie für einen gelungenen Urlaub nötig gewesen wäre und dann störte uns noch ganz gewaltig die Sprachbarriere.

Konnte doch keiner von uns beiden spanisch, geschweige denn portugiesisch. Es war also nicht unsere Sache so auf blauen Dunst, gänzlich ohne Vorbereitungen, in so ein exotisches Land zu fahren.

Zurück in Dortmund stürmten wir sofort in unser Reisebüro und Klaus legte dort seinen Gefühlen durchaus keine Zügel an.

„Natürlich geben wir die tickets zurück, meinen Sie denn, wir könnten den Leuten von Qantas noch vertrauen? Jetzt stehen wir wirklich mehr als saudumm da, Zeit und Geld für Urlaub und kein Ziel!“

Vor lauter Enttäuschung waren wir waren wie vernagelt und nicht in der Lage, klar zu denken.

Es wäre sicherlich sehr hilfreich von unserem Agenten gewesen, wenn er anstatt uns nur zu bedauern konstruktive Vorschläge gemacht hätte, wie z.B. die Umbuchung auf eine andere Airline zu versuchen oder den guten Rat, erst einmal abzuwarten. Vielleicht hätte auch ein gutes Tässchen Kaffee geholfen etwas den heißen Dampf des Ärgers abkühlen zu lassen. Nun, wir waren jedenfalls fest entschlossen, Australien für immer den Rücken zu kehren. Wie das so manchmal mit Vorsätzen ist......

Mit dem anstandslos zurückgezahlten Geld verließen wir das Reisebüro und strebten einem kleinerem Geschäft in einer etwas schmuddeligen Passage zu. Aus irgendeinem mir nicht mehr erfindlichen Grunde versprachen wir uns gerade von diesem Büro Rat und Hilfe zu bezahlbaren Preisen.

Die Chefin selber bat uns mit den Worten: „Was kann ich für Sie tun?“ an ihren Tisch. Wie bei einem, von langen Regengüssen aufgefüllten, Wasserfall toste ein Sturzbach von Worten auf die Frau des Hauses herab. Mit der Zeit wurde der Fluß schmaler, dann zum Rinnsal und versiegte schließlich ganz. Klaus hatte sich endlich seinen ganzen Ärger und die riesengroße Enttäuschung von der Seele geredet.

Sie lächelte skeptisch und schien nicht so ganz an unsere Reise zu glauben. Außerdem zweifelte sie den Streik bei der Qantas an. Erst als ich ihr das Visum im Paß zeigt, erkundigte sie sich bei verschiedenen Stellen und fand schließlich alle unseren Angaben bestätigt.

„Zum Kuckuck noch eins, ja hat man denn nicht wenigstens mal versucht, Sie auf eine andere Airline umzubuchen?“ fragte sie etwas ungläubig verblüfft.

Klaus und ich sahen uns an. Völlig perplex hatten wir auf diese so berechtigte Frage keine Antwort, sondern nur die lahme Gegenfrage: „Ja, kann man das denn so einfach? Fliegen denn auch andere Gesellschaften nach Australien?“

Frau Sonne maß uns mit einem langen Blick. Ich konnte darin die stumme Frage lesen: „Tun die so unbedarft, oder sind die so schlicht im Geiste?“ Aber sie war auch eine erfahrene Geschäftsfrau und konnte sich auf ihr Gegenüber einstellen.

„Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir sie nicht nach Australien bekommen. Da gibt es heutzutage jede Menge Verbindungen. Machen Sie sich mal keine Gedanken. Mit ein bißchen Glück schneidern wir Ihnen eine Superreise zusammen.“

Das hörte sich ja schon mal sehr vielversprechend an. Also, reden konnte Frau Sonne. Wenn sie in der anderen Hinsicht auch noch so tüchtig war, konnte nichts mehr schiefgehen.

Wir lehnten uns entspannt zurück.

Hurtig wurde der Computer befragt, und siehe da, auf dem Bildschirm erschien eine kurze, aber erfreuliche Liste mit exotischen Namen.

„Also, wir haben die Malaysia-, Philippin- und Singapore-Airlines. Natürlich gibt es noch einige sehr viel preiswertere Anbieter, aber manche von denen haben ausgesprochen schlechte Umsteigeverbindungen. So kann es sein, daß Sie bis zu neun Stunden auf einem Flughafen sitzen. Und ich sage Ihnen, das zieht sich, vor allem in der Nacht! Von einer Gesellschaft weiß ich, daß Service und Ausstattung so miserabel sind, daß man gut beraten ist, sich das Klopapier selber mitzubringen.“

Wir fanden es schon drollig, an was man so alles denken sollte.

Natürlich wollten wir einen preiswerten Flug, aber Picknickkörbchen und Toilettenrolle wollten wir nun doch nicht mitbringen müssen.

„Wie sind denn so die Preise bei den asiatischen Linien?“ waren wir interessiert. Frau Sonne nannte uns Beträge, die so um die 1000 DM höher lagen, als das, was wir zuvor bezahlt hatten. „Donnerschlag!“ zeigte sich Klaus beeindruckt – unangenehm, natürlich. Wir beide traten in eine heftige Diskussion über unsere Finanzen ein und kamen zu dem Ergebnis, daß, wenn wir einen Teil der Anschlußflüge streichen ließen, das Geld für die tickets gerade reichen würde. Wir entschlossen uns nach intensiver Beratung für die Philippin-Airlines, die uns über Manila ohne Stop-over nach Sydney bringen sollte.

Heute war Montag. Der nun gebuchte Flug sollte am Donnerstag stattfinden. Frau Sonne erklärte uns, daß sie von Streiks bei asiatischen Airlines noch nie was gehört hätte.

Wie sie sich auszudrücken pflegte:“ Alles klar, alles bestens!“

Wir waren froh und glücklich, doch noch eine Lösung gefunden zu haben, zumal uns Frau Sonne erklärt hatte, daß bis auf Kenia alle Pauschalreisen ausgebucht seien. – Es war eben noch nicht die Zeit von „Last Minute“.

Beschwingt fuhren wir zurück in unsere Wohnung. Dort empfing uns meine Schwiegermutter, die während unseres Urlaubs die Blumen gießen und nach der Post sehen sollte, aufgeregt mit einem Telegramm.

„Ich wollte nur mal nach den Blumen gucken und schauen, ob Ihr auch alles ausgemacht habt.

Ihr wißt ja, ich bin da immer besonders ängstlich. Gerade, als ich wieder gehen wollte, klingelte der Telegrammbote. Ich habe es sofort aufgemacht. Es tut mir ja so leid, daß Ihr jetzt nicht fliegen könnt.“

Ich glaube, Schwiegermutter war trotz aller Anteilnahme sehr froh, daß das „gefährliche Abenteuer Australien“ jetzt erst einmal „vom Tisch“ war. „Kinder, das Sauerland ist doch auch sehr, sehr schön und dazu auch noch viel billiger...“

Die Qantas hatte das Telegramm um 10.30 Uhr abgeschickt, also zu einer Zeit, wo wir uns schon längst am Flughafen befunden hatte. Der Inhalt war kurz und knapp: „Flug wegen Streiks gestrichen. Bitte Reisebüro kontaktieren.“

Wir waren schon immer besonders frühe Vögel gewesen. Schade, daß wir heute nicht verschlafen hatten, das hätte uns die ganze Fahrt nach Frankfurt mitsamt des Rattenschwanzes wie Geldrücktausch pp. erspart.

Ich konnte es nicht lassen, Klaus wegen seines Ausspruchs, den er seinerzeit bei der gezielten Auswahl der Fluggesellschaft Qantas gemacht hatte, aufzuziehen.

„Das Australische Abenteuer soll schon beginnen, wenn wir das Flugzeug besteigen! Ab dann soll alles nur noch australisch sein: Leute, Essen, Sprache und die drinks...“

Ich fühlte mich wie mit einem negativen Lottogewinn belegt. Schade, daß keine andere Gesellschaft streikte, nur die Qantas.

Hatte ich schon erwähnt, daß Klaus nach sieben Jahren wieder angefangen hatte zu rauchen?

Eigentlich waren wir mit unseren Gedanken schon nicht mehr in Deutschland, und nur weil unsere schwachen Körper gelegentlich nach fester Nahrung verlangten, lebten wir von Brötchen, Dosenwurst und Bananen.

Im Geist saßen wir schon längst bei unseren Brieffreunden in Melbourne und feierten ein Grillfest nach dem anderen – und das bei mindestens 30 Grad im Schatten. Damit aber besagte Freunde nicht umsonst am Flughafen warten würden, denn ihr Anfahrtsweg betrug schon eine gute Stunde, riefen wir sie an und gaben ihnen den neuen Ankunftstermin durch.

Am nächsten Morgen fuhren wir gegen Mittag zu Frau Sonne und nahmen ehrfürchtig unsere schönen bunten tickets in Empfang, Wir bezahlten dabei mehr, als wir sonst für Hin- und Rückflug und alle Inlandsflüge zusammen bezahlt hätten.

Als wir das Reisebüro verließen, sahen wir Schaufenster ein wunderschönes Poster. Es zeigte auf leuchtend roter Erde den Ayers Rock in mysteriösem dunklen Blaurot vor einem zart violetten Himmel. Konnte die Natur wirklich so unglaubliche Farben malen, oder war das eine Kitschpostkarte? Mein Herz wurde leicht vor Freude; glücklich summte ich vor mich hin.

„Weißt Du“, sagte Klaus in meine Träume hinein, „ich werde jetzt mal interessehalber die Qantas anrufen und fragen, wie es bei denen so aussieht. Da vorne ist eine Telefonzelle.“

„Du und Dein Australisches Abenteuer!“ konnte ich nicht lassen zu spotten.

Während Klaus mit Herrn Horner telefonierte, konnte ich an seinem Gesicht ablesen, daß eine dicke Keule, sprich, eine Riesenüberraschung am anderen Ende der Leitung verkündet worden war. Uns bestimmt keine angenehme.

Tatsächlich, die Qantas war nämlich sehr rührig gewesen! Sie hatte einen Jumbo der Lufthansa gechartert, und der war, zwar mit 15 Stunden Verspätung, aber er war in Richtung Australien abgeflogen.- Ohne uns. -

Uns hatte man natürlich als Passagiere nicht mehr berücksichtigt, weil wir ja unsere Buchung bereits am Montagmittag wieder rückgängig gemacht hatten.

Über den „Menschen im Frankfurter Büro“ wunderte sich Herr Horner zwar sehr, aber er entschuldigte ihn mit dem, in solchen Situationen vermehrt auftretenden, allseits bekannten Streß; er bedauerte auch, daß wir so voreilig gehandelt und Alles storniert hätten, ohne mit ihm, einem kompetenten Mann, Rücksprache zu halten. Wir versprachen für kommende Reisen Besserung und erzählten ihm dann beiläufig, daß wir vor ein paar Minuten für soundsoviel DM tickets von Phillipin Airlines für den Flug am Donnerstag gekauft hätten. Herr Horner murmelte was von „Lehrgeld zahlen“ oder so...und wünschte uns einen guten Flug. Jetzt hatte ich keine Lust mehr zum Singen.

Klaus und ich waren geknickt und sauer auf uns selber, nun nicht bei dem um so viel günstigeren Qantasflug dabei gewesen zu sein. Wir nahmen uns aber fest vor, Lehren aus diesem Vorfall zu ziehen: Sollte jemals wieder auf unseren Reisen ein Flug gestrichen werden, würden wir uns in aller Ruhe direkt vor dem Schalter einrichten, abwarten und den Dingen ihren Lauf lassen. Notfalls würde auch eine Sesselreihe als Übernachtungsmöglichkeit herhalten, aber den Flughafen verlassen, geschweige denn die Tickets zurückgeben? Nimmermehr! Wir waren jung und lernfähig! Und die vielen Hundert Mark mehr die wir nun hatten bezahlen müssen schmerzten in unserer Urlaubskasse ganz empfindlich.

Kaum waren wir wieder zu Hause, als Herr Horner schon wieder am Telefon war und uns den neuesten Stand der Dinge kurz und knapp erklärte. Der Streik sei zwar noch nicht zu Ende, aber es gäbe schon Annäherungspunkte. Wir könnten noch zum „alten Preis“ zwei Plätze in einer Maschine am kommenden Samstagabend bekommen Wir müßten uns allerdings innerhalb der nächsten 20 Minuten entscheiden. Die Plätze wären, wie zu erwarten, stark gefragt, quasi überhaupt nicht vorhanden und nur ein Entgegenkommen von ihm persönlich.

Was war jetzt zu tun? Konnten wir der Qantas wieder vertrauen? Und was sollten wir mit den schon bezahlten tickets machen? Wir entschlossen uns, nach einigem Hin und Her, und Abwägung aller Argumente, auf „Lücke zu setzen“. Die Würfel rollten noch...

„Herr Horner, buchen sie für uns!“

„Wer nicht wagt auch nicht gewinnt!“ verkündete Klaus forsch auf unserer Fahrt in die Stadt und überließ mir dann galant im Reisebüro den unangenehmen Part des Redens und Verhandelns.

Es wurde nach der Begrüßung dann auch schnell ziemlich dramatisch: Die zunächst freundliche Frau Sonne wehrte sich mit Händen und Füßen unsere tickets zurück zu nehmen. Sie wollte nichts von einer Stornogebühr wissen, sondern versuchte uns zu erzählen, daß sie die tickets sozusagen aus eigener Tasche bezahlen müßte und bestand auf „Einhaltung“ des „Flugvertrages“. Als ich jedoch nicht locker lies kam sie dann aber nicht umhin, mit eingefrorenem Lächeln und natürlich gegen eine Stornogebühr die Tickets wieder zurückzunehmen. In den Umschlag packte sie außer dem Geld bestimmt auch einige ungute und boshaft Wünsche. Die Verabschiedung war von beiden Seiten sehr frostig. Nomen ist doch nicht immer Omen.

Durch Schnee und Hagel fuhren wir anschließend frohgemut nach Düsseldorf. Wir wollten ganz sichergehen und uns daher die Tickets selber direkt bei der Airline abholen. Post- und Bankwege können ja manchmal recht verschlungen und lang sein. Wir erhofften uns auch aktuelle Informationen, z.B. wegen des Streiks usw.

Der nächste Nackenschlag ließ aber nicht lange auf sich warten. Herr Horner erklärte uns, „leider, leider“, daß „unsere“ Maschine aus Amsterdam käme und total ausgebucht sei. Zum Zeitpunkt des Anrufes hätte er das aber noch nicht wissen können und kurz danach, als er es dann selber erfuhr, sein wir ja nicht mehr zu erreichen gewesen..

„Aber“, so klärte er uns auf, „seien Sie trotzdem als „Stand by –Passagiere“ am Samstag um 19.00 Uhr am Flughafen.“ Er versuchte uns mit dem Hinweis auf seine langjährige Erfahrung zu trösten: „Wissen Sie, ich weiß hundertprozentig, daß immer einige Passagiere zum Flug nicht erscheinen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich mal in London auf eine angeblich total ausgebuchte Maschine von New York nach Rom gewartet habe. Hinterher konnte ich mich auf einem Vierersitz lang ausstrecken! Glauben Sie mir, das klappt bestimmt auch bei Ihnen“

Ich konnte mit meinen Zweifeln nicht hinter dem Berg halten „Also, ich weiß nicht! Diese Reise nach Australien kommt mir vor wie ein Jojo: Wir fliegen, wir fliegen nicht. Dieses ganze Hin und Her geht ja auch noch von unserer Urlaubszeit ab. Nochmal so eine „Hüpfbuchung“, nein, daß überlebe ich nicht!“ stöhnte ich theatralisch.

Nur um uns zu beruhigen und um ganz sicher zu gehen, was aber aus seiner Sicht völlig überflüssig sei, erbot sich nun Herr Horner, uns für Sonntagmorgen auf eine halb leere Pan-Am- Maschine zu buchen: „Übrigens eine hoch interessante Streckenführung, da sehen Sie eine Menge neuer Länder. Es geht über London, Los Angeles und Honululu, jeweils mit Zwischenlandung (und außerdem noch mal eben schnell zum Mond, um dem Mann ein paar Zigaretten zu bringen). Ich wurde schon nur vom Zuhören müde...

Die Urlaubszeit schrumpfte zusammen, und wir hatten noch nicht einen Fuß auf einen fremden Kontinent setzen können geschweige denn Deutschland überhaupt schon verlassen. Die Zeit hat ja ihr Gutes: Sie geht unbeirrt weiter, ob man nun etwas dafür oder dagegen tut.

Am Freitagabend, auf unsere etwas besorgte Anfrage hin, sagte uns Herr Horner nochmals aufmunternd, daß mit dem Flug morgen bestimmt alles o.k. gehen würde.

Endlich war dann der bewußte, lang ersehnte Samstag gekommen. Das Wetter war nicht mehr so gut wie eine Woche zuvor. Es hatte in der Nacht ordentlich geschneit, und es war kalt und windig geworden.

Wir machten uns also wieder sehr rechtzeitig auf den Weg, so daß wir schon um 12.00 Uhr in Frankfurt waren. Markus, ein Freund unseres Freundes, ein schrecklich redseliger Mensch, der auch noch wenig zum Angeben neigte, bot sich an, uns mit zum Fußballspiel der Eintracht gegen den HSV mitzunehmen .Er hätte nämlich noch einige Freikarten unter die Leute zu bringen. Wir waren zwar nicht ganz „fußballfest“, d.h., warm genug angezogen, nahmen aber trotzdem dankend an. Es lag ja eigentlich nur der lange Nachmittag mit seiner drögen Warterei vor uns. Unsere Freunde halfen uns mit dicken Winterjacken und langen Schals aus der Verlegenheit. Leider hatte „Freund Markus“ nicht nur eine große Klappe, er fuhr auch noch besonders großspurig und schnell. Das hatte dann zur Folge, daß der Wagen in einer leichten Rechtskurve den Kontakt zum Boden verlor, ins Schlingern kam und uns schneidig geradeaus gegen einen Baum beförderte. Es tat einen heftigen Schlag, und unsere Fahrt war erst einmal zu Ende. Ich trug blaue Flecken am Schienbein und an der Stirn davon, besagter Freund einen ordentlichen Schrecken und Klaus die Erkenntnis, bei solchen zweifelhaften Straßenverhältnissen fortan lieber selber zu fahren.

Wir stiegen aus und besichtigten, inmitten einer kleinen Runde Schaulustiger, die es an guten Ratschlägen ob der Straßenverhältnisse nicht mangeln ließen, den Schaden. Zum Glück war nur die Stoßstange des alten Fordmodells vorne rechts kräftig eingedellt. Aber der ganze Wagen war, bei Licht besehen, sowieso reichlich mit kleineren und größeren Macken verziert.

Das hätte uns vor dem Einsteigen eine Warnung sein müssen! Wie gut, daß unsere Reise nicht schon in Frankfurt ein vorzeitiges Ende gefunden hatte.

Meine vollgestopfte Handtasche, die ich schludriger weise wieder einmal nicht zugemacht hatte, entleerte sich bei dem Bums und ergoß ihren Inhalt hinter und unter den Fahrersitz. Anstatt den dusseligen Markus anzupflaumen, der ja schließlich schuld an dem ganzen Schlamassel war, kippte Klaus seinen Schrecken und Ärger über mich und die runtergefallene

Tasche aus. Na ja! Mir grauste schon vor der Heimfahrt, dazu noch im Dunkeln.

Gegen 18.00 Uhr kamen wir, trotz der dicken Jacken reichlich verfroren, aber sonst „ unverunfallt“ vom Fußballplatz zurück. Das Spiel war nicht besonders aufregend gewesen und 1:1 ausgegangen.

Nun aber, endlich galt es noch die letzten kleinen Hürden vor dem Erreichen des Paradieses mit hoffentlich traumhaften Temperaturen, in Angriff zu nehmen. Der Anruf bei der Qantas ließ uns jedoch vor Schreck wieder erstarren!

Die freundliche Dame erklärte uns resolut, wir sollten unbedingt in Dortmund bleiben, denn diese erste halbreguläre Maschine sei voll, voll und nochmals voll. „Können wir dann bitte zwei Stehplätze haben?“ fragte ich leicht zynisch, aber der Stimme am anderen Ende hörte man keinerlei Gereiztheit an, als sie sich mit einem höflichen „Gute Nacht“ verabschiedete.

Christel und Franz waren nicht erbaut darüber, zusätzlich zur Parkplatzbereitstellung auch noch als Übernachtungsgastgeber herhalten zu müssen. In Frankfurt hatte gerade eine Messe begonnen, und daher waren jedes Hotel, jede Pension, selbst jede „ Badewanne“ ausgebucht. Unsere Freunde hatten ihr Gästezimmer vermietet und sogar die Couch im Wohnzimmer einem Kollegen aus Belgien überlassen. Ihnen war also verständlicherweise nicht dazu zu Mute, noch zwei Leute auf zusammengeschobenen Stühlen im Eßzimmer zu beherbergen. Klaus und ich beratschlagten, was zu tun sei und kamen zu dem Ergebnis Auf zum Flughafen und die Sache aussitzen!

Fast schon ein bißchen lethargisch schlichen wir schließlich mit unseren Sachen durch die Abflughalle zum Counter der Qantas. Dort gab ich unsere Tickets ab – und das Warten begann!

Um 22.30 Uhr sollte der Flug losgehen...

Wir saßen auf einer Bank in unmittelbarer Nähe des Schalters und versuchten, die eincheckenden Leute zu zählen. Wir hatten beide nur eine vage Vorstellung davon, wieviel Leute in einer solchen Maschine Platz hätten. Und sie kamen in wahren Scharen! So um die 400 hörten wir auf zu zählen, und Klaus schaute sich schon einmal nach zwei ruhigen etwas abseits gelegenen durchgehenden Bankreihen für die Nacht um. Er rauchte wie ein Schlot. Ich war nahe daran, auch wieder schwach zu werden, und meinen Nerven hätte es sicherlich gut getan .Wir waren natürlich nicht die Einzigen, die als Stand-By-Passagiere ihr Glück versuchen wollten, nein, wir waren mittlerweile ein kleines Grüppchen von 11 Personen, und alle sahen sehr sportlich aus. Mir klopfte das Herz vor lauter Aufregung direkt in den Ohren. Entweder starrte ich auf die Uhr, 22.00 Uhr, oder auf die Groundhostess. Mir wurde immer heißer, und unter Klausens mißbilligenden Blicken schälte ich mich aus einer „Pelle“ nach der anderen. Ich bin nämlich ein schrecklich verfrorener Typ und hatte daher eine Menge auszuziehen. Mein Blutdruck stieg mit der Höhe des abgelegten Kleiderhäufchens. Anorak, Strickjacke, Weste...

Ich versuchte, die Frau am Schalter durch intensives Anstarren zu hypnotisieren, aber sie schaute nicht ein einziges Mal in unsere Richtung, sondern arbeitete sich konzentriert durch Stapel von Flugscheinen, zählte und ordnete ein über das andere Mal. Da alle regulären Passagiere schon in die Maschine gegangen waren, war es vor dem Schalter fast ruhig geworden, keiner wollte sich jetzt noch unterhalten. Wir waren von „Verbündeten“ zu „Konkurrenten“ geworden. Die Spannung, die über allen lag, war mit Händen zu greifen. Klaus rauchte wie ein Schlot.

Mit wehenden Mänteln, ihr umfangreiches Handgepäck mit Getöse schleppend und zerrend, davon völlig außer Atem, kam ein Paar mittleren Alters den endlosen Terminal entlang gehastet. Die Glücklichen! Sie konnten schon von Weitem mit ihren Tickets wedeln, wohl um ihren berechtigten Anspruch auf Beförderung zu unterstreichen. So schnell, wie sie gekommen waren, wurden sie auch abgefertigt und entschwanden unseren sehnsüchtigen Blicken. Jetzt nahm ich mir unaufgefordert von Klaus eine Zigarette.

Es war gespenstisch still. Selbst die Uhr schien gespannt zu verharren. Gerade, als ich dachte, daß es für meine Aufregung und meinen Blutdruck keine Steigerung mehr geben könnte, hob die Groundhostess ihre Augen in unsere Richtung: Die Zigarette flog in den Aschenbecher. Ich sprang, wie von der Tarantel gestochen, vom Sitz hoch und spurtete zusammen mit einem jungen blonden Surfer Brust an Brust auf den Schalter zu. Ich schaffte es mit der berühmten Haaresbreite, oder wie in meinem Falle, um „Handtaschendicke“, unsere Papiere auf den Tisch zu knallen.

Es war 22.10 Uhr. Vier von elf Wartenden wurde das Glück eines Platzes zuteil – wir waren tatsächlich dabei! Zwar saßen wir ganz hinten in der letzten Reihe, rechts und links flankiert von stämmigen Herren, aber wir saßen zusammen. Wir waren unbeschreiblich glücklich!

Die schon sitzenden Passagiere hatten uns vorwurfsvoll angesehen, während wir uns abgekämpft bis an das Ende der Maschine durchmanövriert hatten. Der Stauraum für unser Bordgepäck über den Sitzen war picke packe vollgestopft. Die sehr resolute Stewardess machte noch mehrere Fächer auf und bugsierte unsere Taschen schließlich, als auch sie nicht mehr die kleinste Lücke fand, irgendwo nach hinten. Eine Frau mit elegantem grauem Kostüm, die eine Reihe vor uns saß, sagte so laut, daß man es nicht überhören konnte, „Wenn die Leute da pünktlich gewesen wären, müßten wir hier nicht so lange warten!.“

„Ich wäre ja auch gerne früher eingestiegen“, gab ich empört zurück. „ Auf den Nervenkitzel, ein Stand-By-Passagier zu sein, hätte ich liebend gerne verzichtet, das können Sie mir bitte glauben!“ Ehe Klaus auch noch seinen bissigen Kommentar an die Lady loswerden konnte, wurden die Sicherheitsvorkehrungen eingespielt und das Flugzeug setzte sich in Richtung Rollbahn in Bewegung.

Nach schier endlos langem Anlauf erhob sich die Maschine in den nächtlichen winterlichen Himmel...

Der Emu rennt...

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