Читать книгу Der Emu rennt... - Gundula Peter-Stern - Страница 7
Eine Seefahrt
ОглавлениеDer nächste Tag war dem Meer gewidmet.
Als gutsituierter „New Australien“ nannte Hugo natürlich auch ein Boot sein eigen. Es war ein weiß-blaues Kajütenschiff mit einem 75 PS Motor und dem schönen Namen Popey. Christine versorgte uns für den Tag mit guten Ratschlägen, Sonnenmilch und dicken Lunchpaketen. Sie selber würde uns heute auf diesem Ausflug nicht begleiten, da sie am Nachmittag ein Bridgeturnier hätte.
Der blaßblaue Himmel kündigte einen glühend heißen Tag an und die Aussicht auf die kühle am Wasser ließ Hugo noch beflügelter fahren als sonst. In mehreren Kurven schaute ich mich nach hinten um, um zu sehen, ob das Schiff sich nicht vom Hänger verabschiedet hätte und geradeaus in die Botanik gesaust sei.
Auf dem Weg zum Hafen kauften wir kalte Getränke und verstauten diese gleich in der riesigen Kühlbox, die zu Hälfte mit gestoßenem Eis gefüllt war. Diese Box war mal ausgesprochen praktisch konstruiert worden, denn tief unten an der Seitenwand war ein Stöpselchen eingelassen, damit das Schmelzwasser ohne mühselige Schöpferei schnell abgelassen werden konnte.
Klaus und ich hatten von Schiffen nicht den Schimmer einer Ahnung (ich wußte nur, daß die Dinger schwimmen sollten) und so waren wir beim Zuwasserlassen zwar voll guten Willens, aber bestimmt mehr hinderlich als hilfreich. Mehr als einmal warf Hugo einen komisch verzweifelten Blick gen Himmel, als wir wieder einmal einen seiner Befehle anders als gewünscht ausgeführt hatten.
Er fuhr den Hänger mit dem Boot soweit ins Wasser, daß die Popey, sobald sie von allen Seilen befreit war, wie von selber im dunklen Wasser dümpelte. Während Hugo das Auto parkte, hielt Klaus das Boot an einem Tau fest, damit es sich nicht schon ohne uns davonmachte. Es zog kräftig zur Hafeneinfahrt hinaus und Klaus hatte alle Hände voll zu tun, um den Kahn zu bändigen. Sichtlich nervös forderte er mich auf, nicht so tatenlos rumzustehen, sondern nun endlich schon mal einzusteigen. Erst mal können!!!
Nicht sehr elegant wurde ich schließlich, nach erwiesener Unfähigkeit es alleine zu schaffen, von den beiden Herren über die Bordwand gehievt. Die Abschürfungen auf meinem Bauch taten mir noch tagelang weh, so rabiat war ich über den Rand geschrubbelt worden. Der Bikini mußte also erst mal im Koffer bleiben.
In der „Port Phillip Bucht“ durften sich Popeys Pferdestärken dann mal so richtig ausarbeiten. Mit Klaus als Aushilfskapitän am Steuer jagten wir, parallel zu Strand über die sich leicht kräuselnden Wellen. Es machte ihm riesigen Spaß und ich knipste den „Herrn Kapitän“ von allen Seiten, mit und ohne Mütze, cool und lässig mit nur einem Finger lenkend, oder verbissen schauend mit weißen Knöcheln das Steuer haltend, wie „John Maynard“ auf dem Eriesee.
Nach einiger Zeit übernahm Hugo wieder Kommando und Steuerrad und lenkte das Schiff aus der Bucht aufs offene Meer heraus. Der Seegang wurde zusehends stärker.
Hugo bat mich drei Dosen Bier aus der Eisbox zu holen und aufzumachen. Nachdem nämlich Klaus seine „Fahrprüfung“ erfolgreich absolviert hatte, sollte jetzt seine Beförderung vom Smutje zum Steuermann zünftig begossen werden. Als wir angestoßen hatten und die „Black Duck“ cans gerade zum Trinken ansetzten, nahm der Skipper boshafter weise ruckartig das Gas weg. Schwer knallte das urplötzlich abgebremste Boot in ein Wellental. Klaus und ich kegelten, gut von Bier durchnäßt, durcheinander.
Unser Kapitän bog sich vor Lachen: „He, he, haha, he, he, jetzt seid ihr beide richtig getauft, ihr Landratten.“
„Witzbold!“ Ich von dem Scherz nicht so angetan und hielt mir mein lädiertes Hinterteil. Klaus lachte zwar mit, aber sah es ihm an seiner weißen Nasenspitze an, daß der Scherz auch nicht recht nach seinem Geschmack gewesen war. „Der Idiot hätte mich um ein Haar meine Vorderzähne gekostet“, zischte er mir zu und rieb sich den dicken Schnäutzer. „Ohne den säh´ ich jetzt bestimmt aus wie ein Viertklässler.
Wir fuhren weiter aufs Meer hinaus. Nach einiger Zeit stoppte Hugo das Boot; er holte die Angeln hervor und begann sie uns zu erklären. Rolle, Leine Swissel, Sinker und Haken, kundigen Hände knüpften geschwind Knoten und verbanden Enden. Ruck zuck war die Angel bis auf den Köder bereit. „Jetzt du!“ Hugo legte mir die Einzelteile hin. Das hätte ich ja gleich Hudinis Entfesselungstrick nachstellen könne...Klaus betrachtete angelegentlich mit dem Fernrohr die vorbeiziehenden Schiffe: „Ich hab zwei linke Hände.....“
Ungeduldig bereitete Hugo also auch die beiden anderen Angeln vor und steckte sie in die Halterungen, die an der Bordwand angebracht waren. Dann öffnete er kleine blaue Eimer und fing an, sich über die Vorzüge dieser oder jener Köder auszubreiten: Fischstückchen, Krabben oder auch „Winzfische“, je nachdem auf welchen Fisch man ging. Mit stank die ganze Angelei jetzt schon, ohne überhaupt jemals als „Petrijünger“ tätig geworden zu sein. Das Boot dümpelte gar schrecklich. Ich verwünschte die Dose Bier! Hätte sie sich doch nur ganz über meine Bluse entleert, aber nein, mehr als die Hälfte war ja leider noch drin geblieben. Dieser Rest machte sich jetzt dumpf in mir bemerkbar. Die Eier mit Speck und die Portion Bohnen, die mir heute Morgen noch so ausgezeichnet geschmeckt hatten und die die Grundlage für einen langen Tag hatten bilden sollen, taten ihr Übriges.
Mein Magen hob und senkte sich, dem Spiel der Wellen angepaßt. Die Sonne brannte ohne den kühlenden Fahrtwind doppelt heiß. Es ging mir ja soooo schlecht! Ich träumte von einem Spaziergang durch eine Schneelandschaft: Barfuß und mit einem Eisbeutel auf dem Kopf. Aber nein, wir mußten das Abendessen beschaffen. Und wenn ich nur an Essen dachte...
Gebratener Fisch? Nein, danke!
Klaus hingegen lernte trotz seiner zwei linken Hände schnell. Ihm rutschte nie die Leine von der Rolle, er schleuderte sich nicht beim Auswerfen den schweren metallenen Sinker ins Kreuz, und er spießte auch nicht zusammen mit einer Krabbe den Daumen auf den Haken. Als sich bei meinem vierten und letzten Auswerfen Swissel , Sinker, Haken und Köder in schnöder Eintracht davonmachten, um in den blauen Fluten zu versinken, stöhnte Hugo gequält auf. Ich kostete ihn eine Menge seines teuren Zubehörs. Und dabei hatte ich mir mit den Knoten wirklich redlich Mühe gegeben. Oder vielleicht auch nicht?
An verschiedenen Plätzen zog Klaus mit der Zeit einen ganzen Eimer voll „Frogs“ an Bord. Diese Fische, die Köpfe wie Frösche haben, wurden gleich von Hugo gesäubert und filetiert. Ich sah diesem Treiben mit gemischten Gefühlen zu, aber um nicht der totale Spielverderber zu sein, erbot ich mich, beim Schuppen der Tiere zu helfen. Aber die Arbeit „Kopf runter“ bekam mir weniger als überhaupt nicht. Hugo verordnete mir als „hundertprozentig“ sicher helfendes Privatrezept einen doppelten Whisky, den ich schwankend dankend annahm, in einem unbeobachteten Augenblick aber mit einer eleganten Handbewegung mit Ozeanwasser vermischte.
Ich war in dumpfes Grübeln über die zweifelhaften Reize einer Angelpartie versunken, als mich Hugos Stimme zusammenfahren ließ. „So ein verdammter Mist! Wir waren zu lange und zu weit draußen. Wir haben nicht mehr genug Benzin, um in den Hafen zurückzukommen. Verflucht nochmal, ich sehe uns schon Paddeln!“ Ehrlich erschrocken schauten wir Hugo an, doch in seinem sonnengebräunten Gesicht konnten wir nicht lesen, ob und wie ernst die Lage war.
„Ich werde mal den Motor starten und dann mit langsamer Fahrt auf die Mole zuhalten. Vielleicht schaffen wir es gerade so. Wenn nicht, müssen wir ankern, und ihr könnt mit dem Beiboot an Land rudern und einen Kanister Benzin holen.“ Das hätte mir gerade noch zu meinem „Wohlbefinden“ gefehlt!
Wir tuckerten los. Ich ließ das Ufer nicht aus den Augen; aber es kam und kam nicht näher.
Wir krochen so langsam dahin wie die Minuten. Immer wieder sah ich zu Hugo, der sich mit skeptischem Gesicht über die Tankanzeige beugte, die sich bereits bedenklich weit in den roten Bereich geneigt hatte. „Aber hier hast Du doch einen Reservekanister stehen“, Klaus hob ihn hoffnungsvoll hoch und stellte ihn schnell wieder ab, „Ach, leer..!“
Hugo zupfte an seinem Bart herum und schimpfte auf einen Nachbarn, der sich Benzin von ihm geliehen und leider das Wiederauffüllen vergessen hatte.
Natürlich trug das nicht dazu bei, daß es mir besser ging; im Gegenteil. Erstaunlich, wie schlecht man doch Entfernungen auf dem Meer einschätzen kann. Ich dachte immer, innerhalb der nächsten fünf Minuten könnten wir anlegen, aber wir fuhren noch eine gute halbe Stunde im Schneckentempo weiter. Als wir endlich, endlich in Höhe der Hafeneinfahrt waren, gab Hugo nochmal richtig Gas, und mit elegantem Schwung setzte er das Boot mit ersterbendem Motor auf den Strand.
Als das Schiff wieder auf dem Hänger vertäut worden war, gab uns Hugo die Angeln samt Zubehör, die Eiskiste, die Abfalltüte und andere Dinge, damit wir sie im Pick – up verstauten. Als letztes Teil holte er einen vollen Benzinkanister aus einer aufklappbaren Sitzbank und reicht ihn Klaus mit breitem Grinsen runter.
„Bah, wat haste doch für eine fiese Charakter!“ konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. Hugo wieherte wie ein Ross vor Lachen. Er war mit dem Erfolg seines Scherzes mehr als zufrieden. Klaus, dem es ja auch nicht so schlecht ging wie mir, sah wohl die Sache nicht so verkniffen wie ich, und als Hugo sich schließlich Lachtränen von den Backen wischte, grinste auch mein Mann.
Während der Rückfahrt erholte ich mich in dem herrlich kühlen Auto und war fast wiederhergestellt, als wir gegen 18 Uhr in die einfahrt in Knoxfield einbogen. Klaus wollte sich sofort ins Haus begeben, um eine Dusche und ein kühles Bier zu genießen, als ihn Hugos Stimme zurückhielt: „He, wo soll´s hingehen? Wir müssen erst einmal das Boot saubermachen. Wer mitgefahren ist, muß auch mit den Dreck wegmachen!“ Er griff sich den Gartenschlauch und tauchte Klaus und Schiff in einen verschwenderischen Wasserstrahl. Klaus bekam einen Schwamm in die Hand gedrückt und durfte richtig Muskelarbeit verrichten. Naß, müde und mürrisch schrubbte und wienerte er die Popey unter fachmännischer Anleitung nach allen Regeln der Kunst. Schon beim Zusehen dieser schweißtreibenden Arbeit wurde mir „plümerant“, und unter Hinweis auf meinen desolaten Gesundheitszustand machte ich mich davon. Klaus schickte mir ein „gute Besserung“ hinterher und arbeitete verbissen weiter. Ich glaube, Hugo ließ ihn den Dreck des ganzen letzten Jahres entfernen.
Am Abend gab es unsere fangfrischen Fischfilets. Sie schmeckten traumhaft gut. Mein Magen
hatte sich beruhigt, und ich genoß das Essen in vollen Zügen. Im Hinterkopf aber warnte mich stets ein kleines Männchen, nicht noch mal auf Hugo und seine flachen Scherze reinzufallen. Gebratener Fisch? Ja bitte!!!