Читать книгу Der Emu rennt... - Gundula Peter-Stern - Страница 5
Mr. Luchs
ОглавлениеFür diese letzte Flugstrecke, Singapur/ Melbourne war „neutrales“ Kabinenpersonal an Bord gekommen, Leute, die sonst mit Service nichts, oder nicht viel zu tun hatten. Die Qantas wurde ja zum Teil immer noch bestreikt.
So erlebten wir mit der unerfahrenen Crew einige aufregende Minuten als wir, auf dem Rollfeld stehend, die Ansage vernahmen, wir müßten auf Grund technischer Probleme das Flugzeug wechseln. Nach den langen Stunden in Bahrain waren wir auf „Verzögerungen“, welcher Art auch immer, nicht mehr so erpicht. Die „Beinahepanik“ löste sich in erleichtertem Gelächter auf, als uns eine Stewardeß erklärte, man hätte sich bei den Tonbändern nur vergriffen: An sich wollte man die Sicherheitserklärungen einspielen...
Um uns die Zeit zu verkürzen, tischte man wieder auf, was Küche und „Keller“ hergaben. Auf dieser Reise hatten wir entweder zu wenig zu essen und zu trinken, oder mehr, als wir verarbeiten konnten! Bei dem dann folgenden Spielfilm verschlug es dem Ton die Sprache, und so genossen wir die Ruhe, denn die allgemeine lautstarke Begeisterung vom Reisebeginn war einer stillen Resignation gewichen.....
„Irgendwie und irgendwann kommen wir doch in Melbourne an“, dichtete Klaus ein kleines Lied und summte mir die Melodie ins Ohr. Ich schwebte so zwischen Traum und Stummfilm, losgelöst von allen Sorgen und war, die Kopfhörer mit leichter Klaviermusik gefüllt, langsam eingedöst. Da weckte mich eine forsche Stimme:
„Sehr geehrte Damen und Herren, es tut uns leid, ihnen mitteilen zu müssen, daß wir aus flugtechnischen Gründen gezwungen sind, anstatt in Melbourne in Sydney zu landen. Um ihren Weitertransport zu organisieren, wenden sie sich bitte an unser Personal am Informationsschalter.“
Ja, war es denn möglich! Ich fing an zu lachen. „Wir werden den ganzen Urlaub in der Luft verbringen, wir kommen niemals an, wie der fliegende Holländer.“ Unser Freund, Hugo Luchs, hatte uns in einem seiner vielen Briefe von unser geplanten Begrüssungsparty berichtet. Er hatte uns die netten Leute beschrieben, was es zum grillen geben würde, das jeder Gast seine Getränke selber mitbringen müßte und uns dabei die warmen Nächte zum Greifen nahe gebracht. Diese erneute Flugplanänderung war mittlerweile die Sechste. Aus Bahrain hatten wir nicht anrufen können, und auch jetzt hatten wir keine Möglichkeit, eine Nachricht nach Melbourne zu senden. Also, wir hätten dieses Spielchen -sie kommen- sie kommen nicht- sie kommen- sie kommen nicht- bestimmt nicht so lange mitgemacht. Wir hatten die Leute noch nie gesehen, und doch alles getan, um uns bei ihnen so richtig unbeliebt zu machen.
Als wir schließlich um 12:00 Uhr auf australischem Boden landeten, hatte wir uns wieder gefaßt. Was so kompliziert angefangen hatte, mußte ja jetzt einfach besser werden! Eine Steigerung der Schwierigkeiten war, jedenfalls in unseren Augen, wohl kaum noch möglich. Gerade, als wir sozusagen in den Startlöchern saßen, um endlich an die frische australische Luft zu kommen, kamen zwei amtliche Herren in sportlicher Sommerkleidung an Bord. Über
Lautsprecher wurden wir informiert, daß wir jetzt auf Grund von Bestimmungen „xyz“ ent. (na, was denn eigentlich?) würden. Die Beiden „Kurzbehosten“ trennten sich und marschierten, je zwei Dosen rechts und links über die Reihen haltend, von hinten nach vorn durch das Flugzeug. Erfahrene Vielflieger hielten sich entweder die Augen zu oder ein Stückchen Stoff vor Mund und Nase. Wir hingegen taten gar nichts und staunten nur. - andere Länder andere Sitten!
So, nun innerlich und äußerlich gereinigt, strömten wir zur Immigration, um dort, trotz Computers, ein geschlagenes Stündchen anzustehen.
Von Klaus angetrieben, legte ich beim Besorgen der Anschlußtickets nach Melbourne ein zügiges Tempo vor. Ich war froh nach der ewigen Sitzerei im Flugzeug und dem nervtötend langen Warten vor dem Einreiseschalter auf dem Laufband mal wieder richtig ausschreiten zu
können. Da flog man nur so dahin. Das brachte mir nicht immer die ungeteilte Zustimmung von einigen meiner ehemaligen Mitflieger ein, aber deren Zögerlichkeit und deren „Baseligkeit“ raubte mir nun langsam die Nerven. Alle Wege waren mit übersichtlichen Hinweistafeln ausgeschildert und an wichtigen „Kreuzungen“ standen nette Damen, die uns in die entsprechende Richtung schleusten. Trotzdem klumpten sich etliche Leute mitsamt ihres zum Teil äußerst umfangreichen Handgepäcks in der Mitte des Laufbandes zusammen und palaverten. Ansich sollte jeder Passagier nur ein einziges Teil, Mantel, Schirm, Kamera und Handtasche zählen extra, mit in die Kabine nehmen dürfen. Unglaublich mit welcher Nonchalance sich einige Leute über diese Bestimmung hinwegsetzten.
Sie machten auch nur sehr unwillig Platz, und wichen wohl nur, weil sie Angst hatten von der genervten Menge überrollt zu werden, waren wir doch nicht die einzigen, die es eilig hatten. Wie in Europa gingen sie zur rechten Seite hin, was dann zu einigen Stolpereien, bzw. Auflaufunfällen führte, bekanntlich herrscht in Australien Linksverkehr...
Am Schalter gab es kurzzeitig einen kleinen Aufstand unter den Wartenden und halblaute unschöne Worte, weil einige der „Neutouristen“ das englische System, des in der Reihe anzustehen, wohl nicht durchschaut hatten. Sie ignorierten einfach die Wartelinie vor der man stehen mußte, bis man denn einzeln an den Schalter gerufen wird und standen so eins, zwei drei, schwupps, auf einmal als erste ganz vorne.
Gut, daß die Bodenhostess den Überblick behielt und Vordrängler zwar noch freundlich aber
sehr energisch an das Ende der Schlange verbannte.
Erfreulicherweise war unser Weiterflug schon organisiert worden und wir konnten die Anschlußtickets sofort in Empfang nehmen. Anschließend wurden wir mit einem Bus zu einem kleinen Flugplatz am Rande von Sydney gebracht, von wo aus wir mit einer Boing 727 eine gute Stunde lang nach Südwesten flogen. Etwa gegen 17:30 Uhr landeten wir endlich, endlich in Melbourne.
Nach erfreulich kurzer Zeit konnten wir unser Gepäck in Empfang nehmen. Nach den vielen Schwierigkeiten und Verzögerungen hatten wir gar nicht erwartet, die Koffer gleich unter den Ersten zu sehen. Also, trotz allem, eine tolle Airline.
Tja, da waren wir nun am Ziel unserer langen Reise angekommen. Die Mitreisenden wurden entweder abgeholt oder wußten wenigstens, wo sie hinwollten. Wir standen nach einer halben Stunde immer noch verloren auf dem mittlerweile fast leeren Flughafen herum. Schließlich wechselten wir Geld, suchten eine Telefonzelle auf und riefen unsere Gastgeber an. Christine
Luchs war am Apparat und erklärte uns, daß ihr Mann und ein Freund namens John uns schon
seit Mittag erwartet hätten. Immer wieder hätte es aber irgendwelche Verzögerungen gegeben.
Nun, wir konnten es den beiden nicht übel nehmen, daß sie nach Stunden der Ungewißheit die
Geduld verloren hatten.
Wir beschlossen also, ein Taxi zu nehmen. Gerade in diesem Augenblick tauchten zwei, mit
dunklen Blazern ausgestattete, Gentleman auf und schritten etwas ratlos durch die Halle. Wir
sahen unseren Bildern wohl nicht mehr sehr ähnlich, denn als Klaus sich zu erkennen gab, war die Überraschung groß. Klaus sah zugegebenermaßen mit Vollbart und Brille etwas wilder aus als auf dem letzten Paßfoto. Aber man faßte sich rasch und tauschte die üblichen Begrüssungsformalitäten aus. Wir bedankten uns wortreich für die Geduld und all die Bemühungen und überreichten einen umfangreichen Bildband von Deutschland. (Im Vertrauen: Ich war froh, das eisenschwere Teil aus meinem Handgepäck loszuwerden.)
Als Gastgeschenk bekamen wir ein hübsch bebildertes aber leider ebenso gewichtiges Buch zurück. Nein, war das eine Freude, den „Zentner“ nun wieder, nur mit anderen Bildern, in der Tasche zu haben. Hugo verfrachtete uns in sein herrlich kühles Auto und begann auf dem Nachhauseweg gleich mit einer ausführlichen Stadtrundfahrt. Zum Glück saß ich hinten, so daß ich nicht der direkte Ansprechpartner war. Ich sehnte mich nur noch nach einer Dusche und einem Bett und zwölf Stunden Schlaf. Aber Hugo dachte wohl, daß wir auch zu Hause schlafen könnten und kannte keine Gnade. Fast jedes historische Gebäude wurde in der hereinbrechenden Dunkelheit gezeigt und erklärt. Ich war so fertig, daß ich einschlief. Das machte natürlich einen schlechten Eindruck, aber Hugo ließ nun endlich von seiner Tour ab und fuhr über den Yarra-Yarra River Richtung Knoxfield, wo er mit seiner Frau ein wunderschönes großes Haus bewohnte. In der flachen Villa erwartete uns neben Christin der Siamkater Mi und ein Wahnsinnshund, nämlich eine fette, kaum mehr „mobile“ Bulldoggendame namens Deedee. Dieses Monster zeichnete sich durch viele Tugenden oder besser Untugenden aus, von denen zwei seine sprichwörtliche Gefräßigkeit und Gier waren. Die Familie Luchs hatte eine Reihe netter Töchter, die entweder mit Mann oder Freund und sämtlichen kindlichen Anhang erschienen waren, um uns zu begrüßen. Es wimmelte nur so von Carolines, Betties, klein Caroline und Johns und Eds. Winzige, aber quicklebendige Enkelchen machten das BBQ (Grillfest) zu einer aufregenden Sache, denn entweder war eines immer zu nahe am Feuer oder am Gartenteich oder versuchte mit der Würstchenzange die dicke Deedee zu zwicken. Hugo entschuldigte sich, daß keine weiteren Gäste da seien, aber der Termin unseres Erscheinens war so oft verlegt worden, daß keiner mehr Zeit oder Lust hatte, sich wieder einen Abend um die Ohren zu hauen, alles vorzubereiten und dann auf Leute zu warten, die doch nicht kommen würden. Also drängten sich jetzt die dienstverpflichteten Frauen der Familie Luchs in der Küche zusammen und würzten Fleisch, machten Kartoffelsalat, Dips und tranken Sherry oder Cola und schwatzten. Das Sprachengewirr machte mich erst einmal sprachlos, denn das australische Englisch hat doch einige Besonderheiten. Am besten gibt das der Satz: „The rain in Spain falls mainly on the plain.“ wieder, wobei jedes „ai“ wie unser ganz normales „ei“ ausgesprochen wird.
Draußen klumpten sich die ebenfalls dienstverpflichteten Luchs-Männer um die Feuerstelle zusammen. Einer Pflicht, zu der sie, meiner Ansicht nach, nicht mit Gewalt gezwungen werden mußten. Sie aßen geräuschvoll Unmengen von Chips und tranken Unmengen Bier aus Dosen. Diese hatten sie, um sie kühl zu halten, eiskalt in sogenannte „Stubbyholder“ einer Hülle aus Styropor oder Schaumgummi, gesteckt. Eine bei den dort auftretenden Temperaturen sehr nützliche Erfindung! Klaus und ich erzählten ausführlichst von unserer Odyssee, bis sich die Gespräche mit der Zeit den lokalen Neuigkeiten zuwandten. Zum Glück, muß ich sagen, denn nach dem reichlichen Essen, einem doppelten Begrüssungswhisky und einem einfachen Verdauungswhisky, waren meine Reserven erschöpft.
Einer der Gäste fing an, über die Überlegenheit der sogenannten „Neuen Welt“ über das alte
Europa zu schwadronieren: Hier sei nicht alles so verstaubt und festgefahren. ! Klaus wollte gerade unsere angegriffene „europäische Ehre“ verteidigen, als sich, wie auf Kommando, die
Frauen erhoben und „der Kleinen wegen“ zum Aufbruch drängten.
Unter dem Eindruck der langen Reise und des überwältigenden, herzlichen Empfangs schliefen wir so gegen 01:00 Uhr ein, daß heißt, wir fielen übergangslos in einen erquickenden Tiefschlaf, der schon eher einer Bewußtlosigkeit gleichkam!
Übrigens fand ich in unserem Bett eine Heizdecke vor. Sollte ich wohl meine Erwartungen über die hier zu Teil herrschenden Temperaturen besser revidieren!? Diese Nacht aber schliefen wir, angeheizt von all den Erlebnissen und den Whiskys, „ unten ohne“.