Читать книгу Rosen für Theophanu. Braut Ottos II. - Kaiserin des Abendlandes - Gunter Krieger - Страница 9

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Noch drei Monate blieben die beiden Kaiserpaare in Italien, und Theophanu bekam eine Ahnung, was es hieß, immerzu unterwegs zu sein. Das Reich besaß, anders als Ostrom, keine Hauptstadt, und die Herrschenden reisten von Pfalz zu Pfalz, um Präsenz zu zeigen und Hof zu halten. Was Theophanu anfangs noch wie ein Abenteuer erschienen war, entpuppte sich bald als Tortur. Die Enge des Reisewagens, die holprigen Wege und die unbarmherzige Sonne Italiens machten sie krank. Sie fieberte und musste in Mailand drei Tage das Bett hüten. Otto wachte an ihrem Krankenlager, hielt ihre Hand.

»Du wirst dich daran gewöhnen«, tröstete er sie.

»Gewiss«, erwiderte sie mit heiserer Stimme.

Einmal hörte sie im Fieberschlaf, wie man in ihrer Gegenwart über sie sprach. Offenbar war ihre Schwiegermutter Adelheid zugegen, die sich mit einem Arzt unterhielt.

»Wie soll das bloß weitergehen, wenn sie schon jetzt ständig kränkelt?«, fragte Adelheid besorgt. »Wie soll sie Kinder auf die Welt bringen? Es wird sie umbringen. Ohnehin ist sie von zierlicher Gestalt.«

»Macht Euch keine Sorgen! Ich bin eine Löwin!«, flüsterte Theophanu.

»Was hat sie gesagt?«,

»Sie spricht im Fieber«, antwortete der Arzt.

Nachdem sie wieder zu Kräften gekommen war, zog man weiter. Es sei nötig, das Alpengebirge noch vor dem Wintereinbruch zu überqueren, erklärte ihr der Schwiegervater, der nie einen Hehl daraus machte, wie sehr er sie in sein Herz geschlossen hatte. Und bald bahnte sich ein mächtiger Wurm aus Wagen und Reitern den Weg über die engen Bergpässe. Mitte August erreichten sie Sankt Gallen und hielten Einkehr im dortigen Kloster.

Sankt Gallen war ein wahrer Hort des Geistes und der Gelehrtheit, wie Theophanu erfreut feststellte. Die Mönche pflegten die griechische Sprache, und Theophanu fühlte sich vom ersten Moment an sehr wohl. Immer wieder erlebte sie, dass sie eine einnehmende Wirkung auf die Menschen zu haben schien. In Konstantinopel war sie nur die unmündige Verwandte des Basileus gewesen; hier empfing man sie als die Kaiserin aus einem fremden alten Reich, das für die hiesigen Menschen so geheimnisvoll und magisch war. Der Abt, ein kluger und belesener Mann von angenehmem Wesen, suchte manchmal verstohlen ihre Nähe, um mit ihr gelehrte Gespräche in griechischer Sprache zu führen.

Theophanu genoss die Hochachtung, ja die Bewunderung, die man ihr entgegenbrachte. Aber es entging ihr nicht, wie Adelheid dies mit Missfallen zur Kenntnis nahm. Deshalb beschloss sie, sich vorläufig in Zurückhaltung und Bescheidenheit zu üben, um Adelheid keine Angriffsfläche zu bieten. Gleichwohl würde sie es nicht zu ihrer Lebensaufgabe machen, ihrer Schwiegermutter gefällig zu sein, sagte sie sich, schließlich war sie nun selbst Kaiserin.

Eine weitere Erfahrung, die sie während des Aufenthaltes in Sankt Gallen machte, war der erstaunliche Wissensdurst ihres Gemahls. Es war ihr auch vorher nicht entgangen, dass er ein selbst für byzantinische Verhältnisse hohes Maß an Bildung besaß. Doch dass er sich stundenlang in die Klosterbibliothek zurückzog, um dort in den Handschriften zu lesen, war eine Überraschung. Manchmal leistete Theophanu ihm Gesellschaft und betrachtete den Lesenden heimlich.

Seit vier Monaten waren sie Mann und Frau, und Theophanu mochte es, in seiner Nähe zu sein. Otto war stets liebevoll und zuvorkommend. Im Ehebett war er darauf bedacht, ihr nicht wehzutun – was konnte sie mehr von ihrem Gemahl erwarten? Gewiss, er wirkte oft grüblerisch und in sich versunken, doch manchmal zeigte er sich auch vergnügt und fröhlich und verstand es, sie zum Lachen zu bringen. Einmal – sie hatten in Ravenna Quartier bezogen – war er mit seinem Vater und einigen Rittern für ein paar Tage fortgeritten. Bei seiner Rückkehr war sie ihm mit ungestümer Freude in die Arme gefallen, sodass selbst Eunice sich gewundert hatte.

Auch den Tag vor der Abreise aus Sankt Gallen verbrachte der junge Otto in der Bibliothek – war es doch die letzte Gelegenheit, in dem umfangreichen Bücherschatz der Mönche zu stöbern. Theophanu fand ihn über die Schriften des Augustinus gebeugt und setzte sich zu ihm.

»Es muss äußerst faszinierend sein, was du da liest.«

»Den Bösen ist es ein Glück, Völker zu unterwerfen«, sagte er langsam, ohne den Blick von den Seiten des ledergebundenen Buches abzuwenden. »Für die Guten jedoch ist es ein Zwang. Denn schlimmer wäre es, wenn die Ungerechten über die Gerechten herrschen als umgekehrt.«

»Der gerechte Krieg!«

»Glaubst du, dass Gott einen Krieg gutheißen kann?«

»Eine seltsame Frage aus dem Mund eines Mannes, der sich täglich im Schwertkampf übt.«

»Von einem Kaiser wird erwartet, dass er heldenhaft zu kämpfen versteht. Aber du hast nicht auf meine Frage geantwortet, Theophanu.«

»Augustinus hat recht. Manchmal müssen Kriege geführt werden, um größeres Leid zu verhindern. Deshalb glaube ich, dass Gott einen Krieg gutheißen kann. Denk an deinen Vater! Hätte er die mordenden Ungarn gewähren lassen sollen? Nein, er stellte sie zum Kampf. Und besiegte sie. Gott wollte es so, davon bin ich überzeugt.«

Otto sah sie an und schmunzelte. »Du weißt viel über unser Reich, das ihr Byzantiner mit Spott überschüttet.«

»Ich bin die Kaiserin dieses Reiches, Otto.«

»O ja, das bist du.« Er rieb sich die Augen, denn das Lesen hatte ihn ermüdet. »So viele Bücher! Ich wünschte, wir könnten hier überwintern, dann würde ich sie alle lesen.«

»Warum leihst du dir nicht einige Bücher aus?«

Er hob die Brauen. »Der Abt würde sich bestimmt nur ungern von ihnen trennen wollen.«

»Mag sein. Aber du bist der Kaiser.«

Otto lachte, als ihm klar wurde, dass sie nicht scherzte. »Gut, ich werde den Herrn Abt darum bitten.« Er ergriff ihre Hand. »Ich bin froh, dass du meine Frau bist. Ich brauche dich. Du bist schon jetzt mehr Herrscher, als ich jemals sein werde.« Es machte sie betroffen, dass er sich so verletzlich gab.

»Unsinn. Du wirst ein großer Kaiser sein.«

»So wie mein Vater?«

»Ihr seid ein Blut!«

»Immer ging es nur nach seinem Willen. Nie hat er mich eigenständig gewähren lassen. Mit seinen Pranken hält er alles zusammen, was er errungen hat.«

»Er hat dich zum Mitkaiser gemacht.«

»Ha, was nützt mir die Kaiserkrone, wenn letztlich immer nur sein Wort gilt? Nicht einmal Urkunden lässt er mich ausstellen.«

»Urteile nicht zu streng über ihn. Er meint es gut mit dir.«

»Ich weiß, du magst ihn. Und er mag dich, Theophanu, das ist nicht zu übersehen. Darüber bin ich froh, denn es ist nicht meine Absicht zu jammern oder über ihn zu klagen. Dennoch, auf seine eigene Weise ist mein Vater ein Tyrann.«

»Nein, das ist er bestimmt nicht. Er …« Sie schwieg, weil Otto einen Finger hob.

»Ich will dir von einer Begebenheit erzählen, die sich vor einigen Jahren in den Mauern dieses Klosters zugetragen hat. Als mein Vater und ich die Kirche betraten, knieten vor dem Altar einige Mönche, tief im Gebet versunken. Mein Vater hatte die wahrhaft glorreiche Idee, ihre Andacht zu prüfen und ließ seinen Stab auf die Erde fallen.«

Theophanu schmunzelte. »Haben die frommen Mönche die Prüfung bestanden?«

»Ich wollte dir nur zeigen, wie er denkt und fühlt. Alles hat ihm untertan zu sein.«

»Immerhin hat er den Stab aus seinen Händen gleiten lassen. Ich finde, das passt nicht zu einem Menschen, der alles mit seinen Pranken zusammenhält.«

Er blinzelte sie an. »Hast du eigentlich auf alles eine Antwort?«

»Ich bemühe mich, schließlich brauchst du mich ja. Du hast es selbst gesagt.«

»Darf ich dich küssen?«

»Hier?«

»Ja, hier und jetzt!«

»Du darfst. Du bist der Kaiser. Und außerdem wünsche ich es.«

Im September erreichten sie Ingelheim, wo eine Synode stattfand. Erstmals lernte Theophanu hochrangige Vertreter der Reichskirche kennen. Seitdem sie deutschen Boden betreten hatte, spürte sie, dass ihr die Herzen der Menschen trotz aller Huldigungen nicht mehr wie von selbst entgegenschlugen. Dies sei auch nicht ungewöhnlich und kein Grund zur Sorge, sagte sich Theophanu, schließlich sei sie eine Fremde und habe noch nichts geleistet, um sich das Vertrauen der Menschen zu verdienen.

Ohnehin waren die Menschen jenseits der Alpen von anderem Schlag als die Italiener oder Griechen. Sie waren ernster, verschlossener, grimmiger, sie wirkten meist bäuerlich und entsprechend waren ihre Manieren. Oft waren ihre Mienen so finster wie die uralten Wälder, die es in ihrem Land in großer Fülle gab. Nichtsdestoweniger war Theophanu nunmehr die Kaiserin dieses Volkes. Und sie war fest entschlossen, ihre griechische Seele für das Unbekannte zu öffnen.

Von Ingelheim ging es weiter nach Trebur, von dort nach Nierstein. In Frankfurt beging die kaiserliche Familie das Weihnachtsfest. Der Einbruch des Winters mit Schnee und Eis in dem ohnehin unwirtlichen Land war für Theophanu, obwohl sie sich vorbereitet glaubte, wie ein Schock. Ein hartnäckiger Husten suchte sie heim und abermals verbrachte sie einige Tage im Bett, umsorgt von Eunice und ihrem Gemahl.

Im neuen Jahr reisten sie weiter. Am Palmsonntag, pünktlich zur Schneeschmelze, erreichten sie Magdeburg, wo der im Bau befindliche Dom Theophanus Interesse weckte. Die Eleganz byzantinischer Architektur suchte sie in dem entstehenden Gotteshaus freilich vergebens. Doch Theophanu war zuversichtlich, dass sie eines Tages aufhören würde, immerzu an ihre Heimat zu denken.

An einem Abend der Karwoche begleitete sie ihren Schwiegervater in die Krypta der alten Basilika, wo sich das Grab der Edgitha befand. Vor siebenundzwanzig Jahren war die erste Frau des Kaisers gestorben. Der jüngere Otto hatte seiner Gemahlin erzählt, dass der Vater einst an Edgithas Seite bestattet werden wollte.

Tief versunken im Gebet verharrte der alte Kaiser kniend vor der Grabplatte. Er wirkte schwermütig, was sicher auch daran lag, dass der Todestag Christi nahte. Selten hatte Theophanu einen Menschen von solch inbrünstiger Frömmigkeit erlebt. Der Schein der Wandfackeln ließ ihre Schatten an den kalten Wänden tanzen. Schließlich bekreuzigte sich der Kaiser. Theophanu half ihm beim Aufrichten, obgleich ihm dies trotz seiner sechzig Jahre kaum Mühe bereitete. Seine Augen schimmerten feucht – der große Sieger vom Lechfeld war den Tränen nahe. Eine Weile betrachteten Schwiegervater und Schwiegertochter stumm das Grab der Engländerin: So wie Theophanu war auch sie einst aus der Fremde gekommen. Allein deshalb fühlte sich die junge Kaiserin Edgitha verbunden.

»Ich habe sie sehr geliebt«, brach Otto das Schweigen mit brüchiger Stimme. Der mächtige Kaiser schämte sich seiner Blöße nicht.

Seine entwaffnende Offenheit überraschte Theophanu. Sie verspürte das Bedürfnis, ihn tröstend zu umarmen, beließ es aber dabei, ihm ihre Hand zu reichen. Dankbar ergriff er sie.

»Es waren immer starke Frauen um mich, dem Herrgott sei Dank«, sagte er und sah ihr dabei tief in die Augen. »Meinem Sohn scheint ähnliches Glück bestimmt zu sein. Er wird dich brauchen, Theophanu.«

»Unterschätzt ihn nicht, Vater. Er ist stärker, als Ihr glauben mögt.«

Otto der Große schüttelte traurig den Kopf. »Nein, das ist er nicht. Gewiss, großmütig ist er und klug. Er ist auch sehr mutig. Aber stark? Zum Siegen bedarf es mehr als Mut und Verstand.«

Mit einem Mal begriff Theophanu das ganze Dilemma der beiden Männer. Ihr Gemahl war der Sohn eines großen Mannes, der schon zu Lebzeiten zum Mythos geworden war. Die Bürde, die auf den Schultern des Sohnes lag, war nahezu erdrückend und im Schatten des Vaters wog jeder Fehler doppelt schwer. Vielleicht hatte der alte Kaiser Angst gehabt, ihn hinreichend mit seinen kommenden Aufgaben vertraut zu machen, um ihn nicht versagen zu sehen. Und nun, am Grab der ersten Frau, schienen ihm Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns zu plagen.

»Zu spät«, murmelte er tonlos, wie zu sich selbst.

»Zu spät? Was meint Ihr?«

Er deutete auf die Grabplatte. »Schon bald werde auch ich hier ruhen, Theophanu. Neben meiner Edgitha.«

»Ihr seid ein rüstiger Mann. Warum sollten Euch nicht noch viele Jahre vergönnt sein?«

»Meine Zeit ist fast vorüber. Deshalb bin ich froh, dass du an seiner Seite bist, meine Tochter.«

Theophanu legte den Kopf schief und lächelte ihm aufmunternd zu. »Am Ostersonntag, wenn der Herr aus dem Grabe erstanden ist, werdet Ihr Euch besser fühlen.«

Der Kaiser nickte, ohne dass er sonderlich überzeugt wirkte. »Ja. Einmal noch darf ich Seine Auferstehung in dieser Welt feiern.«

Schritte hallten durch die Krypta. Adelheid kam näher. Sie war ohne dienerliche Begleitung, was recht ungewöhnlich war. Ihr Blick war finster getrübt und Theophanu vermutete, dass ihre Anwesenheit der Grund dafür war.

»Ich ahnte, dass ich Euch hier finden würde!«, sagte sie flüsternd zu ihrem Gemahl, der Schwiegertochter kaum Beachtung schenkend.

Theophanu gewann schlagartig eine weitere Erkenntnis: Nicht sie selbst war diesmal der Grund für den Missmut der Kaiserin. Des Kaisers Anweisung, ihn nach seinem Tod neben seiner ersten Frau zu bestatten, musste für Adelheid eine schwere Kränkung, ja eine Demütigung sein. Eine Demütigung, über die sie freilich nie ein Wort verlieren durfte, um nicht kleinherzig zu erscheinen. Treu und ergeben hatte sie dem Kaiser mehr als ein halbes Leben zur Seite gestanden, manchem Sturm hatten sie gemeinsam getrotzt, doch der Tod würde sie nicht nur leiblich voneinander trennen. Otto der Große war entschlossen, dem Tag des Gerichts an der Seite Edgithas entgegenzusehen.

Der unausgesprochene Schmerz der Kaiserin war begreiflich. Theophanu empfand Mitleid mit ihr, wusste aber nicht, wie sie ihr Trost spenden könnte. Ohnehin würde Adelheid niemals ihren Trost annehmen. Nichts anderes besagte der kühle, jegliche Seelenqual abstreitende Blick, mit dem sie Theophanu bedachte.

»Meine Teuerste, ich freue mich, dass auch Ihr gekommen seid!«, begrüßte sie ihr Gatte. Theophanu fragte sich, ob er von ihren Nöten wusste. Wenn ja, dann war ihm offenbar daran gelegen, ihren Schmerz zu lindern. Möglich aber auch, dass er, wie die meisten Männer, solcherlei Fragen ganz unsentimental betrachtete und dass seine zärtliche Freundlichkeit mit alledem nichts zu tun hatte.

Adelheid nahm die Hand, die er ihr reichte, und endlich hoben sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln, das nicht einmal gezwungen wirkte.

»Nichts könnte mich daran hindern, Euch an diesem Ort Gesellschaft zu leisten«, entgegnete sie. Etwas Tapfereres hätte Adelheid nicht sagen können, dachte Theophanu.

Zu Ostern gelangte die kaiserliche Familie nach Quedlinburg, wo Kaiser Otto der Große einen glanzvollen Hoftag abhielt. Unzählige Abordnungen hielten Einzug in die Stadt, darunter die Herzöge von Böhmen und Polen, Boleslaw und Mieszko, sowie Gesandte der Dänen, Russen, Bulgaren und Ungarn, die einstigen Todfeinde des Reiches. Selbst der neue Papst in Rom – der alte Johannes XIII. hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet – schickte einen Legaten. Nicht einmal eine Maus hätte in der Pfalz noch Platz gefunden.

Auf ihrer Reise hatte Theophanu schon manche Huldigung empfangen, aber erst in Quedlinburg bekam sie eine wahre Vorstellung von der Machtfülle der Familie, in die sie eingeheiratet hatte. Mochten die Franken in den Augen Byzanz’ grobschlächtige, hinterwäldlerische Bauern sein, mochte ihr Reich auch ohne stolze Geschichte, ihre Städte ohne Prunk und die Sitten mitunter so rau wie das wetterwendische Klima sein, so brachte man dem Herrscher doch keineswegs weniger Respekt entgegen als dem Basileus.

Stolz präsentierte der alte Kaiser den Vasallen und Untertanen seine griechische Schwiegertochter, die, in ein prächtiges, mit Gold und Perlen geschmücktes Seidenkleid gehüllt, neben ihm saß. Er pries sie mit Überschwang, und Theophanu wünschte sich, er hätte weniger Aufhebens um sie gemacht. Zumal Adelheid die Lobreden des Gemahls mit merklichem Grimm zur Kenntnis nahm. Theophanu konnte sie durchaus verstehen. Was hatte sie denn schon vollbracht, um sich den Respekt oder auch nur das Wohlwollen der Großen zu verdienen? Der junge Otto aber zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Sie werden dich lieben«, flüsterte er. Dass viele der Gesandten mit Eifer ihre griechischen Sprachkenntnisse zum Besten geben wollten, war in der Tat äußerst schmeichelhaft für Theophanu.

Abends, bevor sie sich erschöpft von all den Ehrerbietungen ins Schlafgemach zurückziehen wollte, half Eunice ihr beim Entkleiden. Die Dienerin wirkte angespannt und schien nur da­rauf zu warten, dass Theophanu sie zum Sprechen aufforderte. Die junge Kaiserin tat ihr den Gefallen.

»Was ist mit dir, Eunice?«

»Vorhin wurde ich Zeugin einer Unterhaltung. Der Kaiser und die Kaiserin …«

»Augenblick! Du warst doch nicht etwa die heimliche Zeugin ihres Gespräches, oder?«

»Ihr kennt mich doch.«

»Eben.«

»Nun, sie sprachen so laut, dass ich alles vom Nebenraum aus verstehen konnte.«

»Ohne dass du ein Ohr ans Türholz legen musstest?«

»Herrin, bitte! Wollt Ihr nun wissen, was die kaiserlichen Herrschaften miteinander sprachen, oder nicht?«

Ihr Mentor Gero von Köln hatte Theophanu einst geraten, den Hofklatsch zu ignorieren. An seine dringlichen Worte erinnerte sie sich nun. Doch sicher hätte auch er Verständnis für die menschliche Neugier aufgebracht, der man sich nicht immer und überall verschließen konnte. Vor allem, wenn die Eindrücke eines aufregenden Tages noch so lebhaft durch die Gedanken schwirrten.

»Na schön«, entgegnete sie leichthin, während sie sich im Spiegel betrachtete. »Was hast du also gehört?«

Eunice kämmte sorgsam das seidige Haar ihrer Herrin. »Die Kaiserin«, giftete sie, »sie hat über Euch geschimpft. So sehr, dass ich am liebsten auf sie eingedroschen hätte.«

Theophanu versuchte, gelassen zu bleiben, obwohl die Worte ihr einen Stich versetzten. »Oh! Womit habe ich denn ihren Unwillen geweckt?«

»Sie nennt Euch eitel und dünkelhaft. Eure Kleidung erscheint ihr von verschwenderischer Pracht und die Schmuckgehänge, die Ihr tragt, von sündhafter Eitelkeit. Auch dass Ihr die griechische Sprache weiterhin pflegt, ist ihr ein Stachel im Fleisch. Es zeuge von Eurem Hochmut, sagte sie.«

»Offenbar verstehst du ihre Sprache inzwischen recht gut«, sagte Theophanu nach einer Weile.

»Gut genug, um mich zu ärgern, wenn jemand schlecht über Euch spricht.«

»Was sagte der Kaiser zu ihren Vorwürfen?«

»Ha! Er wollte nichts auf Euch kommen lassen. Ihm gefalle, was seine Schwiegertochter am Leib trage, behauptete er fast trotzig. Nur müsse man sich eben daran gewöhnen, dass jetzt eine Byzantinerin Mitglied der kaiserlichen Familie sei. Darauf habe man schließlich jahrelang gewartet. Die Kaiserin Adelheid aber erwiderte ihm …«

»Lass es nur gut sein, Eunice.«

»Ihr wollt nicht wissen, worüber sie sich weiter monierte?«

»Nein. Ich bin müde und will jetzt schlafen gehen.«

»Wie Ihr wünscht.« Eunice zog eine beleidigte Schnute. Theophanu wünschte sich, die Dienerin hätte ihr nichts erzählt. Wie ein Mühlstein lag ihr das Gehörte im Magen. Möglich, dass sie zeitlebens eine Fremde blieb im Reich der Deutschen.

Kaiser Otto der Große starb nur wenige Wochen später in seiner Pfalz zu Memleben, wo auch sein Vater, König Heinrich, einst den letzten Atemzug getan hatte.

Am Dienstagmorgen vor Pfingsten hatte der Kaiser noch bei bester Gesundheit der Frühmette beigewohnt. Auch am Mittagstisch gab er sich fröhlich und war guter Dinge, wenngleich Theophanu einen seltsam verklärten Glanz in seinen Augen zu sehen glaubte. Hinterher fragte sie sich, ob er bereits von Todesahnungen erfüllt gewesen war, so wie neulich vor dem Grab Edgithas. Zeit seines Lebens war Otto ein frommer Beter gewesen, was ein Grund dafür sein mochte, dass er der Begegnung mit seinem Schöpfer gelassen entgegensah.

Während des Vespergebetes, dem die kaiserliche Familie vereint in der Kapelle beiwohnte, überkam ihn plötzlich eine Schwäche, und Adelheid und Theophanu führten ihn rasch zu einem Sessel. Als der herbeigerufene Arzt hinzukam, glaubte man den Kaiser bereits tot, denn sein Haupt hatte sich geneigt, alles Leben schien aus ihm gewichen zu sein. Dem Arzt aber gelang es, ihn noch einmal zu Bewusstsein zu bringen. Des Kaisers glasiger Blick musterte die sorgenden Gesichter der Umstehenden.

»Bleibt noch!«, flehte Adelheid ihn an.

Ein schwaches Kopfschütteln war die Antwort. Adelheid rollte eine Träne über die Wange. Auch Theophanu verspürte den Wunsch zu weinen. Sie biss sich auf die Lippen. Weine nicht! Weine nie wieder, denn du musst stark sein!

»Haltet Frieden«, hörte man den Kaiser flüstern. Sah er dabei seine Gemahlin an? Dann verlangte er, die Sterbesakramente zu empfangen.

Wenige Stunden später, es war bereits Abend, verschied er im Schlafgemach unter den liturgischen Sterbegesängen der Mönche und umgeben von seinen Nächsten. Adelheid, die nicht länger schluchzte und des Toten Hand hielt, blickte fordernd ihren Sohn an, der mit aschfahlem Gesicht hinter ihr stand.

Otto, der zweite Kaiser dieses Namens, nickte der Mutter stumm zu. Er wusste genau, was ihr Blick besagte: Nun war er der alleinige Regent und er würde seine ganze Kraft aufbieten müssen, sich des Rückhaltes der Reichsfürsten zu versichern. Dumpfe Angst schien sich seiner zu bemächtigen. Theophanu nahm seine Hand und drückte sie fest.

Ein Leben voller Kämpfe stand ihnen bevor.

Rosen für Theophanu. Braut Ottos II. - Kaiserin des Abendlandes

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