Читать книгу Memoiren eines Barons I - Gustav Schilling - Страница 5

1

Оглавление

Ich verdanke mein Leben einer leidenschaftlichen Umarmung, mit welcher der alte Baron meine Mutter beehrte.

Der alte Baron war einer der reichsten Edelleute im Lande und das letzte Glied seines Geschlechtes. Ihm bedeutete es nichts, daß er die Anzahl seiner Vorfahren kaum noch zählen konnte. Trotz der Tatsache, daß er der Letzte seines Stammes war, verspürte er nicht das mindeste Verlangen zu heiraten und die lange Linie des alten Adelsgeschlechtes fortzusetzen. Ab und zu suchte er sich unter seinen Untergebenen ein junges Mädchen aus, dessen Reize ihm besonders verlockend erschienen. Er ließ es von einer Erzieherin ausbilden. Ein Schneider und eine Näherin sorgten dafür, daß dieses Mädchen makellos elegant gekleidet wurde. Danach liebte der alte Baron dieses Mädchen so lange, bis er ein anderes fand, das ihm noch besser gefiel.

Aber wenn er einer seiner Geliebten überdrüssig geworden war, so verstieß er sie niemals, ohne sie ausreichend zu entschädigen. Jede bekam eine stattliche Mitgift, deren Höhe sich jeweils danach richtete, welches Ausmaß an Entzücken er bei ihr gefunden hatte. So mancher Arzt, Schullehrer oder Steuereinnehmer war recht wohlhabend geworden, nur weil er eins der kleinen Mündel des Barons geheiratet hatte. Als Mündel bezeichnete er seine entthronten Geliebten. Eines Tages besuchte der alte Baron eine gewisse Stadt und bekam dort die Tochter des Barbiers zu Gesicht. Er sah, daß sie sehr schön war. Sofort schickte er seinen Kammerdiener los. Dieser Bote kehrte niemals erfolglos zurück. Er versagte auch diesmal nicht.

Die scheue Tochter des Barbiers besuchte den alten Baron bei Anbruch der Abenddämmerung und kehrte erst mehrere Stunden später zurück, schwer mit allerlei Geschenken beladen.

Nach zehn Wochen erhielt der alte Baron einen Brief von diesem armen Mädchen. Darin schilderte es, so gut es konnte, die Angst vor dem gestrengen Vater, falls dieser etwas von der leichten Veränderung in ihrem Zustand bemerkte.

Der alte Baron schickte nach dem alten Mann und versüßte ihm die bittere Pille durch angemessene Vergoldung. Anfangs tobte und wütete der alte Mann zwar noch, aber er beruhigte sich sehr schnell wieder, als der Baron ihm eine Mitgift von zweitausend Talern für die Tochter versprach und sich außerdem bereiterklärte, für Unterhalt und Erziehung des Kindes aufzukommen.

Soviel also über meinen Vater und meine Mutter.

Der alte Baron hielt sein Wort. Ich erhielt eine Erziehung und Bildung in der Stadt, wie es für seinen einzigen Sohn gar nicht besser hätte sein können. Keiner meiner Lehrer und Erzieher, die ihm Gutes über mich berichteten, kehrte ohne Geschenke zurück. Meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war.

Der alte Baron hatte großen Gefallen an mir gefunden, und so adoptierte er mich mit fürstlicher Erlaubnis als seinen eigenen Sohn.

Als dies geschah, war ich siebzehn Jahre alt.

Meine Leser haben also einen beachtlichen Sprung gemacht, was meinen Lebensweg betrifft, und ich glaube nicht, daß sich irgendjemand dabei in irgendeiner Weise wehgetan hat.

Man behauptet, daß die meisten Kinder, die einer zufälligen Umarmung ihre Existenz verdanken, heißeres Blut und zartere, empfindsamere Nerven hätten. Auch sollen sie für alle Eindrücke und was weiß ich sonst noch, viel empfänglicher sein.

Doch wie dem auch sei, ich muß zugeben, daß ich aus der Art, wie meine Mutter mich empfangen hat, eine gehörige Portion Leidenschaft mit auf den Weg bekommen habe. Schon in sehr jungen Jahren wurde ich mir des Feuers in meinen Adern bewußt. Ich empfand eine seltsame Unrast in der Brust. Dies alles bescherte mir so manche unbehagliche Stunde. Ich liebte es, in die Augen schöner Mädchen zu schauen. Noch lieber war es mir, wenn ich die Hände eines Mädchens halten durfte. Doch die größte Freude bereitete es mir, wenn ich, falls sich gerade eine günstige Gelegenheit bot, ein Mädchen auf die Wangen oder – noch besser! – auf den Mund küssen konnte. Eine solche Gelegenheit ließ ich niemals ungenutzt verstreichen. Die Beschleunigung meines Herzschlages, dieses Zusammenkrampfen meiner Brust, das Anschwellen all meiner Muskeln und die Vibrationen, die meinen Körper durchpulsten, waren viel zu angenehme Erlebnisse für mich, als daß ich eine Gelegenheit, auch nicht die geringste, auslassen konnte, wenn ich mir davon eins dieser Gefühle versprechen durfte.

Ich hatte weder strenge Aufseher noch schlecht gelaunte Lehrer und Erzieher. Bedenkt man dazu mein gutes Aussehen, mein heiteres, sorgloses Wesen, meinen unbestreitbaren Charme, wie hätte ich da nicht des öfteren solche Gelegenheiten finden sollen?

Memoiren eines Barons I

Подняться наверх