Читать книгу Chronisches Erschöpfungssyndrom - Heilung ist eine Option! - Gwendolin Reinicke - Страница 10
ОглавлениеDATEN UND FAKTEN ZU CFS
Wer sich selbst einen Überblick zum Thema CFS verschaffen will, der kann sich gerne mal auf den Webseiten www.mecfs.de und www.faitgatio.de umsehen. Mein Wissen über die Daten und Fakten habe ich unter anderem von diesen Seiten und aus den darin gelisteten Studien.
Geschichte
Die ersten Fälle der immer noch sehr unbekannten Krankheit wurden in den 30er Jahren notiert. Im Nachhinein bekam sie den Namen „Epidemic Neuromyasthenia“ (Neuro = Gehirn, Myasthenie = Muskelschwäche).
Seither tritt der Erschöpfungszustand immer häufiger auf und obwohl die Krankheit eine längere Geschichte aufweist, als man denken würde, ist das Verständnis sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der wissenschaftlichen Ebene ziemlich klein geblieben.
Begriffserklärung ME/CFS
Der Begriff „Myalgische Enzephalomyelitis“ (ME) wurde erstmalig in den 50er Jahren nach einer Epidemie im Royal Free Hospital in London geprägt. Damals erkrankten mehrere hunderte Menschen an einer Art Fieber mit unerklärlichen Schmerzen und neurologischen Erscheinungen. Der Begriff setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern Myalgie, Muskelschmerz, und Enzephalopathie, „Gehirnleiden“ (griechisch: enképhalos, „Gehirn“, altgriechisch: pátheia, „Leiden“). Im Jahr 1988 wurde in Amerika nach einer ähnlichen Epidemie der Begriff Chronic Fatigue Syndrome (CFS) entwickelt.
Der Unterschied zwischen beiden Begriffen besteht darin, dass bei ME die Myalgien, also die Muskelschmerzen vorhanden sein müssen. CFS hingegen ist ein gröberer, aber auch umfassenderer Begriff und wird im Sprachgebrauch gerne verwendet, weil er einfacher zu erklären, zu merken und auszusprechen ist. Doch Betroffene und Ärzte sind sich über die Verwendung der Begrifflichkeit nicht einig. ME ist etwas spezifischer und wird allein durch die medizinische Begrifflichkeit ernster genommen. Er ist aber leider nicht umfassend genug.
CFS, zu Deutsch chronisches Erschöpfungssyndrom, ist der allgemeine Begriff für alle Menschen, die unter einer schweren Erschöpfung mit physischen und kognitiven Einschränkungen leiden, die über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten anhalten. Leider wird der Begriff CFS sehr schnell mit einer psychischen Erkrankung wie Burnout verwechselt und ist deshalb auch nicht optimal. 2015 wurde noch der Begriff Systemic Exertion Intolerance Disease (SEID) diskutiert. Übersetzt heißt das so viel wie „Belastungs-Intoleranz-Erkrankung“ Wenn ihr mich fragt, viel zu kompliziert und viel zu oberflächlich. Als hätte man mit CFS eine Allergie gegen Sport oder so. Außerdem treten die Empfindungen ja nicht nur während oder nach Belastung auf, sondern auch im Ruhezustand. Deshalb unangemessen. Mittlerweile wird häufig der Kombinationsbegriff ME/CFS verwendet. Den finde ich gut, aber ich verwende trotzdem gerne das Kürzel CFS, denn ich bin der Meinung, wir brauchen keine schlimm klingende Bezeichnung für die Erkrankung, um ernst genommen zu werden. Viel wichtiger ist, dass die Allgemeinheit besser über CFS Bescheid weiß.
Ich weiß, dass viele Betroffene das anders sehen und eine Bezeichnung vorziehen, welche die Schwere der Krankheit mehr hervorhebt, weil sie sich hilflos und nicht gehört fühlen, und das kann ich sehr gut nachvollziehen. Dennoch glaube ich nicht, dass die Begrifflichkeit so viel an der Glaubhaftigkeit ändern wird. Kaum einer, dem man von ME/CFS erzählt, kann etwas mit dem Begriff Myalgische Enzephalomyelitis anfangen. Also muss man sich am Ende doch erklären und dann wird man feststellen, dass das Gegenüber trotzdem keinen Plan hat, was die Krankheit bedeutet und wie es einem damit wirklich geht. Deshalb habe ich mir die Mühe mit der Begriffserklärung gar nicht erst gemacht. Die Menschen, denen ich wichtig bin, haben sich über meinen Zustand informiert und mir zugehört. Jedem anderen wäre es egal gewesen, ob ich nun ME oder CFS gesagt hätte, geglaubt hätten und haben sie mir so oder so nicht.
Definition
Seit 1969 wird ME/CFS von der World Health Organisation (WHO) als neuroimmunologische Multisystemerkrankung anerkannt. Dies ist eine große Entlastung für alle Betroffenen, denn es verringert die Fehlinterpretation und Fehldiagnostik des Zustandes als psychische Erkrankung. Die Symptomatik erstreckt sich über eine riesige Bandbreite von Empfindungen und kann von Person zu Person variieren.
Der Zustand bringt eine starke körperliche und kognitive Erschöpfung bzw. Beeinträchtigung mit sich. Auch der Schweregrad ist von Person zu Person unterschiedlich und kann sich im Krankheitsverlauf einer Person verändern.
Die Symptomatik muss mindestens sechs Monate Bestand haben, um diagnostiziert zu werden.
Diagnosekriterien
- 6 Monate anhaltende Symptome
- bleierne Erschöpfung
- Post Exertional Malaise (PEM) (Verschlimmerung nach Anstrengung)
- Symptome des zentralen Nervensystems
- immunologische Symptome
- neurologische/neurokognitive Symptome
- nicht erholsamer Schlaf
- orthostatische Intoleranz (Unfähigkeit des Blutdruckes, sich anzupassen)
- Schmerzen
Schweregrade
Leicht: 50-prozentige Verminderung des Aktivitätsniveaus
Moderat: meist ans Haus gefesselt
Schwer: meist ans Bett gefesselt
Sehr schwer: vollständig ans Bett gefesselt und bei grundlegenden
Tätigkeiten auf Hilfe angewiesen
Prävalenz
Weltweit sind mindestens 17 Millionen Menschen von ME/CFS betroffen. Damit tritt die Krankheit häufiger auf als Aids und ist nicht so selten, wie man vielleicht denken würde. Dennoch haben in Deutschland die wenigsten davon gehört.
Schätzungen zufolge sind in Deutschland in etwa 300.000 Menschen betroffen. Laut der staatlichen US-Behörde für Krankheit und Prävention (CDC) sind in den USA über 4 Millionen Menschen betroffen. Da CFS wie gesagt leider oft falsch oder gar nicht diagnostiziert wird, wird die Dunkelziffer wohl weit über den aufgenommenen Fällen liegen. Vom asiatischen und afrikanischen Raum sind mir bisher keine Daten bekannt, wahrscheinlich weil auch dort die Existenz von ME/CFS noch nicht bekannt und eventuell mit einer psychischen Erkrankung fehldiagnostiziert wird. FATAL für die Betroffenen.
Verteilung
ME/CFS kann jeden Menschen jeden Alters und in jeder Lebenslage treffen. Dabei gibt es aber ein deutliches Hoch in den Altersphasen zwischen 10 und 20 Jahren und 30 und 40 Jahren. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass in genau dieser Zeit sehr oft ein Wandel stattfindet und der Körper anfälliger für Ungereimtheiten ist. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Woran das liegt? Keine Ahnung. Meine Spekulation: Es hat etwas mit der Stressverarbeitung zu tun.
Puh, ich merke, dass ich mit dem Schreiben immer wieder unterbrechen muss, weil dieses Kapitel alte Empfindungen triggert. Krass!
Krankheitslast
Egal mit welchem Schweregrad man zu kämpfen hat, CFS beeinflusst die Lebensqualität enorm. Auf der Website www.mecfs.de findet ihr im Verzeichnis unter „Daten und Fakten“ ein Balkendiagramm aus einer dänischen Studie1, in der ME/CFS mit 20 anderen Krankheiten verglichen wurde um die Krankheitslast besser einschätzen zu können. Auf dem Diagramm ist deutlich zu erkennen, dass die Lebensqualität eines CFSlers im Durchschnitt über 50% sinkt. Die sogenannte „health-related quality of life“ (HRQOL), zu deutsch „gesundheitsbezogene Lebensqualität“, ist laut Studie beträchtlich geringer als der Bevölkerungsdurchschnitt und die niedrigste aller in der Studie verglichenen Krankheiten. Auch von der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS wird CFS als Erkrankung mit der niedrigsten Lebensqualität überhaupt beschrieben.
Natürlich gehört die Lebensqualität zur Kategorie subjektive Empfindungen, aber meiner Meinung und Erfahrung nach kann diese bei CFS bis zu 100% sinken. Wenn du in einem abgedunkeltem Raum liegst, nicht reden, nicht essen kannst, geschweige denn dich bewegen, was bleibt denn dann noch von dir übrig? Zum Glück sind nicht alle CFSler derart eingeschränkt, aber selbst wenn man in der Lage ist, sich zu bewegen, ist alles, was man noch tun kann, super anstrengend.
Auslöser
Den einen Auslöser für CFS gibt es nicht. Es gibt vermutlich unzählige Möglichkeiten, durch welche dieser körperliche Zustand ausgelöst werden kann. Es können sowohl ein Virus, ein instabiles Genickgelenk, eine Impfung, Chemikalien- und andere Umweltbelastungen, eine bakterielle Infektion als auch physische und psychisches Traumata oder andere Faktoren verantwortlich sein. Die Folge: Der Organismus reagiert mit einer toxischen Stoffwechsellage (oxidativer Stress), welche zu zahlreichen Schäden an den Zellstrukturen führt (siehe Abbildung 2). Oxidativer Stress ist nicht der alleinige Grund für CFS, spielt dabei aber eine wichtige Rolle.
Alle der oben genannten Auslöser führen bei einigen Menschen zu einem chronischen Erschöpfungszustand, dem Schlaf und Ruhe keine Abhilfe schaffen kann. Natürlich stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum der eine nach einem Unfall CFS bekommt und der andere nicht. Tja, dies wird wohl noch eine ganze Weile das Rätsel der Forschung bleiben. Meine Vermutung bleibt nach wie vor, dass bei den meisten CFSlern ein schon vorher existierendes körperliches Ungleichgewicht vorherrschte. Ob biochemisch oder psychisch. Ein gesunder Körper – und damit meine ich sowohl mental gesund als auch physisch gesund – hat meist eine ausreichend starke Abwehr, um einen der oben genannten Faktoren zu überwinden und/oder auszuheilen. Es gibt allerdings auch Berichte von Menschen, die vorher in voller Gesundheit standen und nach einem Infekt wie aus dem Nichts krank wurden. Manchmal kommen auch mehrere Faktoren zusammen und dann steht man vor einem großen Rätsel.
Abbildung 2 - Oxidativer Stress (Quelle: Gwendolin Reinicke)