Читать книгу Chronisches Erschöpfungssyndrom - Heilung ist eine Option! - Gwendolin Reinicke - Страница 9
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Ich und meine Familie
Bevor ich in die Materie einsteige, möchte ich euch ein bisschen was von mir erzählen. Mein Name ist Gwendolin Alina Reinicke, ich wurde 1994 als zweites von später 5 Kindern und als erste Tochter der Familie Reinicke in Dresden geboren. Bei der Namensgebung ließen sich meine Eltern immer reichlich Zeit, weil sie sich erst das Baby ansahen und dann entschieden, welcher Name zum Kind passte. Meine jüngste Schwester zum Beispiel wurde am letztmöglichen Tag benannt. Ich finde es toll, dass meine Eltern das so gemacht haben, denn sie haben wunderschöne Namen für uns ausgesucht. Ich liebe meinen Namen sehr, er kommt aus dem Keltischen und bedeutet so viel wie schöne Blume oder weiße Blume. Bis zum Alter von 16 dachte ich, er bedeutet „Die Weise“, weil meine Eltern das immer so sagten, und dann war ich zutiefst enttäuscht, als es doch nur etwas mit einer Farbe zu tun hatte. Gwendolin die Weiße, hm toll. Inzwischen bin ich der Meinung, Gwendolin passt super zu mir. Der Name ist weich, aber nicht unkompliziert. Kompliziert ist er allein wegen der zwei aufeinanderfolgenden Konsonanten am Namensanfang. Oft werde ich Quendolin oder Kventolin geschrieben und mit Wendelin oder sogar mit Herr Reinicke angesprochen. Finde ich irgendwie lustig. Ich habe den Eindruck, dass mein Name meinem Charakter absolut gerecht wird. Ich bin weich und schwungvoll, aber eben auch nicht ganz unkompliziert. Wer mich kennt, der weiß, wovon ich spreche.
Neben meinem 2 Jahre älteren Bruder, den es ja schon gab, bekam ich noch 3 Schwestern. Das passte mir ehrlich gesagt überhaupt nicht in den Kram. Der Frauenanteil und das damit einhergehende Zickenpotential wurden mir ziemlich schnell zu hoch. Außerdem ging mir das Aufpassen auf jüngere Geschwister ziemlich gegen den Strich. Als es für mich zum dritten Mal hieß, große Schwester zu werden, wurde ich sogar verdammt sauer auf meine Eltern. Noch so ein Quängelchen, für das ich ein Verantwortungsgefühl haben würde und um das ich mich folglich auch kümmern würde.Ich liebe ja alle meine Geschwister, aber ach was waren das für entspannte Zeiten, als mein Bruder und ich unseren Eltern zusammen alleine auf die Nerven gingen. 2 Jahre nach mir erblickte meine kleine, inzwischen viel größere Schwester (ich messe wenig mehr als 1,60 m und ausnahmslos alle Familienmitglieder sind größer als ich) das Licht der Welt. Es gibt Fotos aus dieser Zeit, auf denen ich ganz offensichtlich gar nicht glücklich aussehe.
Warum? Ich erinnere mich ziemlich gut daran, dass mich das Gefühl der Eifersucht, des Fehl-am-Platz-Seins und des Ringens um den Platz im familiären Nest schon sehr früh begleitete.
Bis zu einem gewissen Punkt ist das sicher normal. Doch ich denke schon, dass ich dem eher sensibleren Teil der Menschheit angehöre, der sich schnell zurückgewiesen fühlt. Im Übrigen glaube ich auch, dass sensible Menschen anfälliger für CFS sind. Aber dazu später noch ein Absatz. Dass quasi im 3-Jahres-Takt nochmal 2 Schwestern hinterherkamen, ging mir so gewaltig auf die Eierstöcke, dass ich bei meiner kleinsten Schwester die Schwesternschaft kündigte. So ungefähr habe ich das meinen Eltern auch vermittelt. Dieses Rückzugsbedürfnis habe ich sicherlich zum Großteil mit auf die Welt gebracht, aber die Tatsache, dass ich es immer als sehr anstrengend empfand, auf meine jüngeren Geschwister und manchmal sogar auf meinen großen Bruder aufzupassen (der als Kind sagen wir mal sozial besonders war, sodass ich immer den Eindruck hatte, ihn vor den Verbalattacken Gleichaltriger beschützen zu müssen), hat dieses Bedürfnis auf jeden Fall verstärkt.
Unsere Eltern waren immer beide berufstätig und die Tatsache, dass unsere Mutter ihre psychologische Praxis im Haus hatte, führte dazu, dass sie auch zwischendrin und hier und da mal im Büro verschwand. Natürlich hatte die Arbeitssituation meiner Mutter auch Vorteile. Zum Beispiel gab es im Notfall immer einen Ansprechpartner und mittags wurden wir regelmäßig mit warmem Essen versorgt. Allerdings hatte ich immer stark den Eindruck, dass die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben meiner Mutter, sowohl räumlich als auch geistig gesehen, so verschwommen war, dass sie nach der Arbeit nicht so richtig im Familienleben ankam. Meine jüngere Schwester und ich hatten durch die gegebene Situation oft das Gefühl, für vieles verantwortlich zu sein und unsere Eltern entlasten müssen. Diese Verantwortung, die uns zwar nicht aufgetragen wurde, die wir aber instinktiv übernahmen, hat sich bei mir dann irgendwann in vielerlei Hinsicht, unter anderem eben im Verweigern meiner Schwesternschaft, geäußert. (An dieser Stelle muss ich voll über mich lachen, weil ich gerade super negativ von meiner Kindheit berichte. Aber sie hat sich nun mal oft nicht schön oder leicht angefühlt. Außerdem will ich mir in diesem Buch die Seele vom Leib schreiben, also bitte weiterlesen ;))
Mein Vater war, wie ich finde, ein klassischer Papa. Morgens aus dem Haus, 12-14 Stunden Arbeit und abends wieder zu Hause. Wir Kinder freuten uns einen Ast, wenn Papa wieder da war. Gemein für Mama, die immer irgendwie verfügbar war und diese Freude von mir so nur beim Abholen im Kindergarten absahnte. An meinem Kindergarten gab es nichts auszusetzen, auch nicht an den Erziehern, aber es hat mir trotzdem nicht gut gefallen. Das soziale Gefüge war einfach ungünstig. Das schon oben beschriebene Gefühl, nicht gemocht zu werden und nicht zur Gruppe dazuzugehören, zog sich weiter durch meine komplette Kindergarten- und Schulzeit. Ich hatte durchaus Freunde, mit denen ich jeweils einzeln gut klarkam. Doch sobald eine Gruppensituation entstand und irgendjemand meinte, „jemand will nicht, dass du mitspielst“, dann war ich zutiefst geknickt, habe mich minderwertig gefühlt. Ich konnte es einfach nicht verstehen, dass mich jemand nicht mögen könnte. Ich hatte dem anderen ja nichts getan. Offensichtlich habe ich dieses Thema zu Hause auch nicht wirklich kommuniziert. Bestimmt, weil es mir peinlich war, dass ich diese „Probleme“ überhaupt hatte. Ich wollte ja so gerne alles richtig machen und vor allem wollte ich gemocht werden. Ich dachte immer, dass ich in solchen Situation gefangen bin und daran nichts ändern kann, und wenn mich jemand nicht mochte, dann musste ja irgendetwas falsch oder blöd an mir sein.
Ich weiß nicht, ob es vielen anderen auch so ging oder vielleicht sogar noch immer so geht wie mir damals, aber eins habe ich inzwischen verstanden: Diese Denkmuster, die ich schon so früh entwickelt hatte, sind großartige Blockierer und alles andere als gesund. Aber woher soll man das denn wissen, geschweige denn im jungen Alter verändern?! Als Kind ist das, was ist, die Realität, die ganze Wahrheit. Tja und für mich war klar, dass wenn ich nicht mitspielen durfte, irgendetwas mit mir nicht stimmen konnte und ich offensichtlich nicht gemocht wurde und wenn ich nicht gemocht wurde, dann ging meine Welt unter. Mittlerweile ist das zum Glück anders. Ich bin wesentlich entspannter geworden und „muss“ mich auch nicht mit jedem gut verstehen. Mein Harmoniebedürfnis ist allerdings nach wie vor sehr hoch.
Jetzt aber mal etwas Lustiges für zwischendurch: Meine Familie ist super eklig, bei uns gibt es sogar eine „Ekelhaftsskala“. Dabei dreht es sich um schlechte Tischmanieren, ums Furzen und Rülpsen, um das Offenlassen der Klotür beim Kacken und andere Schweinereien. Momentan spiele ich im guten Mittelfeld. Aber die Rangliste changiert auch ab und zu mal. Ich glaube, der Unauffälligste in meiner Familie ist mein Vater. Immer gesittet am Tisch, er macht brav die Klotür zu und pupsen oder rülpsen tut er auch nur ganz selten. Meine Mutter hingegen ist wahrscheinlich die ungeschlagene Nummer eins. Sie kann rülpsen wie eine große Sau. Vielleicht ist es aber auch mein großer Bruder, der uns, als wir noch klein waren, mit Vorliebe absichtlich ins Gesicht gepupst hat.
Schule
Im Alter von 2 Jahren ging ich bereits in den Kindergarten. Fand ich doof. Wurde mit 6 eingeschult, fand ich erst gut und später dann auch doof. In der 3. Klasse wurde ich auf dem Heimweg durch meine eigene Unachtsamkeit von einem Motorrad angefahren. Mein Schulranzen hat mich glücklicherweise gut abgefangen, sodass mir nichts passierte, aber ich entwickelte daraufhin eine Stressstörung, die sich im Fachjargon Trichotillomanie nennt: das Ausreißen von Körperhaaren. Vielleicht sogar eine Art selbstverletzendes Verhalten. Bei mir beschränkte es sich auf die Wimpern und Augenbrauen. Das Ganze passierte kurz vor den Sommerferien und als ich nach den Ferien wieder zurück in die Schule kam, sah ich aus wie ein gerupftes Hühnchen. Es war mir alles so unfassbar peinlich (dass ich so unachtsam über die Straße gerannt war und dass ich mir meine Wimpern zerstörte). Diese Stressreaktion hat sich leider ziemlich schnell zu einer Angewohnheit entwickelt. Es wurde irgendwann zu einer Art Beruhigung. Nach so vielen Jahren arbeite ich immer noch daran, mir das Ausreißen abzugewöhnen, und immer noch übe ich stark an meiner Selbstakzeptanz diesem Verhalten gegenüber. Ich möchte das Kapitel Unfall, Haare ausreißen und die unendliche Scham am liebsten ad hoc hinter mir lassen. Wie Scheiße, die man jeden Tag hinter sich lässt. So will ich es loslassen. Wie der Scheißhaufen, zu dem man sich noch mal umdreht und denkt „baa, nee das brauche ich nicht mehr“ und dann spült man ihn runter und sieht ihn nie wieder und man vermisst ihn auch nicht. So sollte das sein.
Nach der 4. Klasse kam ich aufs Gymnasium. Ich besuchte das Evangelische Kreuzgymnasium in Dresden. Fand ich ebenfalls erst gut und dann auch wieder doof. In der 10. Klasse verschlechterte sich mein Gesundheitszustand schlagartig. Ich vermutete dahinter lange Zeit eine ziemlich blöde Mischung aus emotionalem Stress und einer Rückenproblematik. Doch neulich kam ich durch die "Kuby Methode“ auf einen ganz anderen Ansatz. Ich möchte sie euch an dieser Stelle vorstellen, weil ich sie sehr spannend finde.
Clemens Kuby, ein Deutscher Filmemacher, Author und Coach fiel im erwachsenem Alter vom Dach. Seine Diagnose: Querschnittslähmung. Die Worte sämtlicher Ärzte, Rollstuhl. Lebenslänglich. Clemens Kuby schaffte es aus eigner Schöpfer-und Imaginationskraft gesund zu werden. Clemens Kuby war querschnittsgelähmt und kann wieder laufen und da sagt mir noch einer CFS kann man nicht heilen. Inzwischen hat Clemens Kuby, ich nenne ihn jetzt immer den „Meister der Heilung“, eine Methode entwickelt mit welcher man quasi jede Krankheit heilen kann. Die Kuby Methode. Kuby sagt, dass eine Krankheit nichts anderes ist als ein Manifestiertes seelisches/geistiges Problem. Ich habe mir im Laufe der letzten 10 Jahre immer wieder Gedanken über den Ursprung meiner Rücken-/ Bauchproblematik und nachdem die Schulmedizin mir all die Jahre nicht helfen konnte, manifestierte sich der Gedanke dass es sich hierbei um ein Thema handelt, welches sich rein eben doch nicht allein durch die physische Ebene lösen lässt. Ich wollte die Kuby Methode also nicht unversucht lassen. Die Methode beginnt damit, dass man die Ursache für ein Problem (Kuby nennt es Projekt) sucht. Dabei geht es um ein Ereignis im Leben, was dieses Projekt ausgelöst haben soll. Es kann auch sein, dass es mehrere Ereignisse waren, in diesem Fall entscheidet man sich für das erste Erlebnis seines Lebens. Dann versetzt man sich in dieses Ereignis zurück. Man schaut ganz genau hin was passiert ist, bis ins Detail. Wenn man das geschafft hat, dann schreibt man die Situation in der man sich befand in Dialogform in das Erlebnis um dass man gebraucht hätte um daraus kein Projekt zu entwickeln.
Vor wenigen Tagen lies ich mich auf diese Methode ein. ich erzählte meiner Coaches (von Kuby ausgebildet) um welches Projekt es sich bei mir handelt. Meine Coaches fragte mich, was mir denn das Rückgrat gebrochen hätte (warum ich diese Rückenbeschwerden machte, natürlich hatte ich mir das Rückgrat nicht wirklich gebrochen). Mir kam ganz instinktiv ein Erlebnis aus der Kindheit, in der ich Krach mit meinem Vater bekam und vor lauter Wut die Wohnungstür hinter mir zuschmiss. Ich war damals vielleicht 6 Jahre. Mein Vater rannte hinter mir her packte mich und versohlte mir den Hintern und meinte, „Ich habe euch schon tausend mal gesagt, dass bei uns keine Türen geschmissen werden!“. Für mich war das nicht nur ein körperliches Trauma sondern definitiv auch ein seelisches. Mein Vertrauen zu meinem Vater war dadurch gebrochen und es hatte sicherlich noch andere Folgen, aber diese sollen jetzt keine Rolle spielen.
Meine Aufgabe war es dieses Erlebnis, was ich mit Hilfe von meiner Coaches ganz genau durchgegangen bin aufzuschreiben und dann umzuschreiben. Für mich war es wichtig in der Umschreibung mich aufzurichten und meinem Vater eine Grenze zu setzten und ihm klar zu machen, dass wenn er dass noch einmal machen würde, dass er und ich dann keine Beziehung mehr haben würden.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was sich nach diesem Coaching in nächster Zeit verändern wird. Mir ist zumindest ein ganz wichtiger Aspekt dabei klar geworden, ich habe über die Jahre hinweg unfassbar viel Ärger und Wut angestaut. Durch die Angst es würde etwas schlimmes passieren, wenn ich dieses starke Gefühl zum Ausdruck bringe, habe ich angefangen diese zu unterdrücken. Jetzt will ich wieder in meine Kraft kommen. Ich will lernen meinen Ärger und meiner Wut wieder zeigen zu können oder sie, wenn es die Situation nicht zulässt, anderweitig herauslassen. Ich kann einen Stapel Kissen sehr empfehlen ;)
Die Beschreibung der Methode ist sehr oberflächlich. Wenn euch das Thema interessiert, dann schaut euch gerne auf YouTube Videos von Clemens Kuby an, lest eines seiner Bücher, wie „Mental Healing“ oder schaut euch auf seiner Website an clemenskuby.com.
Nun zurück zur Schulzeit. Ich begann in der 10 Klasse ständig Bauch- und Rückenbeschwerden zu machen und bekam irgendwann das bedrückende Gefühl, in diesem schlechten energetischen Zustand meinen Abschluss nicht zu schaffen. Daher beschloss ich, Ritalin zu nehmen – ein starkes Medikament, welches die Konzentration fördert und Menschen mit einer Impulskontrollstörung „ruhigstellt“. Um das Medikament zu bekommen, musste ich mich einem IQ- und einem Aufmerksamkeitstest unterziehen. Zu meinen Gunsten kam bei dem Test eine leichte Aufmerksamkeitsschwäche heraus, sodass ich die Tabletten nehmen durfte. Zunächst war die Wirkung klasse. Ich war super motiviert und konnte mich stundenlang hinter meine Schulaufgaben setzen. Mit dem Medikament erlangte ich erfolgreich meine Mittlere Reife.
Dann setzte ich das Medikament ab und flüchtete für ein Jahr ins Ausland zum Austausch. Zuerst für vier Monate nach Frankreich, wo ich einmal die Gastfamilie wechselte, weil ich in die eine Familie absolut nicht hineinpasste, danach für 6 Monate nach Australien. Dort habe ich die tollsten und entspanntesten Menschen kennengelernt. Ich sehne mich oft nach der australischen Lockerheit zurück, an der es in Deutschland oft fehlt.
Auch wenn es mir körperlich nach diesem Auslandsjahr nicht viel besser ging (und ich mir daher sicher war, dass meine Beschwerden nicht allein psychischer Herkunft waren), verschaffte mir das Auslandsjahr und die damit einhergehenden Sprachkenntnisse einen gewaltigen Vorteil in der Oberstufe. Ich wählte Englisch als Leistungskurs, für den ich mich minimal anstrengen musste, und Französisch als mündliches Prüfungsfach. Zwei Fächer, für die ich im Abitur quasi kaum lernen musste.
In der 11. Klasse begann ich das Medikament wieder einzunehmen. Ritalin, müsst ihr wissen, hat einen Haufen Nebenwirkungen; deshalb darf man es auf keinen Fall unbeobachtet nehmen. Zum Beispiel ist Ritalin appetitmindernd, wodurch ich innerhalb weniger Monate 15 Kilo abnahm. Das stellte für mich zunächst mal kein Problem dar, da ich im Ausland einige Kilos zugelegt hatte. Als mir allerdings auffiel, wie viel ich abgenommen hatte, und ich anfing, mir (schlank wie ich war) zu gefallen, begann ich das Medikament zu missbrauchen, um kein Hungergefühl mehr zu bekommen. Alles, was ich aß, landete schnurstracks wieder in der Toilette. Ich war krank. Ich war tablettenabhängig und bulemisch. Und als würde das nicht reichen, entwickelte ich psychotische Züge. Ich war depressiv, sogar selbstmordgefährdet. Ich wollte mit niemandem etwas zu tun haben und war innerlich total blockiert, sodass ich meine Klausuren eine nach der anderen versemmelte.
Am Ende des Schuljahres war ich nervlich so am Boden, dass ich mich in eine Klinik einweisen ließ. Ich erzählte nur meinen 3 engsten Freunden, warum ich vorerst nicht mehr zur Schule kam. Dieser Schachzug ließ so viel Spekulationsraum offen, dass, wie ich im Nachhinein erfuhr, die Gerüchteküche über mich nur so brodelte. Auf jeden Fall ging meine Idee – dass niemand von meinem Klinikaufenthalt wissen sollte, damit über mich nicht geredet wird – wohl deutlich nach hinten los. Es mag naiv gewesen sein, aber damals hielt ich es für das Beste. Heute weiß ich, es geht auch anders. Und auch wenn es unangenehm sein mag, aber diese Erfahrung lehrte mich solche Situationen in Zukunft offen zu kommunizieren. Ich sag’s euch, es gibt nichts Schlimmeres, als den fauligen Geruch einer Gerüchteküche auszuhalten oder sich im Nachhinein für irgendetwas zu erklären.
Wenige Wochen später, als ich mich mitten im Klinikalltag befand, erfuhr ich, dass ich wegen einer Chemieklausur, die ich mit ganzen 0 Punkten abgeschlossen hatte, eine Sonderrunde drehen sollte. Eigentlich hätte ich durch meine Krankheitsgeschichte rechtlich die Möglichkeit gehabt, mich einer Sammelprüfung zu unterziehen, in der der gesamte Chemiestoff der 11. Klasse abgefragt worden wäre. Meiner Schulleiterin hat es allerdings ganz und gar nicht in den Kram gepasst, dass ich den gesamten Notendurchschnitt eines Jahrganges runterzog, also verweigerte sie die Prüfungszulassung. Meine Mutter drehte kurz durch, setzte sich dann aber mit einer Schule in einem kleinen Dorf namens Radeberg bei Dresden – ja, genau dort, wo das Radeberger Bier herkommt – in Verbindung und organisierte mir dort einen Platz in der 12. Klasse. Auf diesen Schachzug hin stimmte meine Schulleiterin dem Test zu, sodass ich 2013 mein Abitur mit einem Schnitt von 2,9 abschließen konnte. Ich finde immer, es gibt eine ziemliche Ambivalenz zwischen meiner Intelligenz und meinen schulischen Leistungen. Mathe fand ich, ebenso wie zu viel Wodka, zum Kotzen. Genauso wie Naturwissenschaften und wenn mir jemand sagte, was ich zu einer bestimmten Zeit zu lernen und zu können habe. Das finde ich im Übrigen immer noch, und deshalb studiere ich auch nicht mehr ;) Keine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Ich funktioniere am besten, wenn man mich in Ruhe wachsen lässt. Dann werde ich zur leistungsfähigsten Version meiner Selbst.
Gap Year
Seit meiner Zeit im Kindergarten war es mein innigster Wunsch, Schauspielerin zu werden. Spätestens als ich den Bibi-Blocksberg-Film mit Sidonie von Krosigk schaute, war ich fest entschlossen, irgendwann eine große Filmschauspielerin zu werden. Um meinem Berufswunsch, der Schauspielerei, näher zu kommen, hielt ich es für eine brillante Idee, nach meinem Abitur für ein Jahr in verschiedenen Theatern als Regiehospitantin zu arbeiten. Um es kurz zu erklären: Regiehospitanz bedeutet, du bist der Assistent vom Regieassistent. Der Regieassistent ist sozusagen das „Mädchen für alles“ und die rechte Hand des Regisseurs. Wenn der Regisseur mitten in einer Probe ruft, dass er gerne drei Profistripperinnen auf der Bühne hätte, dann rennt der „Regieassi“ los und telefoniert sich die Ohren wund, um drei Stripperinnen auf die Bühne zu bekommen. Er organisiert eben rund um das Geschehen.
Ich war dann also die Assistentin vom Mädchen für alles und rannte von Theaterwerkstatt zu Theaterwerkstatt, um Requisiten zu besorgen, kochte Kaffee, machte Notizen, legte Kostüme bereit und und und. Leider, muss ich sagen, brachte mich diese Erfahrung meinem Traum kein Stückchen näher. Im Gegenteil. Viele Schauspieler fand ich super eingebildet, die Regieassistenten machten Dauerstress und strahlten alles andere als Gelassenheit aus. Die Proben empfand ich als einschläfernd und mir gefiel der Ton nicht, der im Theater an den Tag gelegt wurde (um nur ein paar Dinge zu erwähnen, die mir schnell lästig wurden). Eins stand nach dieser Erfahrung jedenfalls fest: Theaterschauspiel, nein danke. Damit hatte ich aber gar kein Problem, denn diese Erkenntnis bekräftigte meine Vorliebe für die Arbeit vor der Kamera.
Schauspielschule
Ich versuchte, die Zeit während meines Gap Years dafür zu nutzen, um meinen Traum zu realisieren und an der Schauspielschule vorzusprechen. Ich war in vier verschiedenen Schauspielschulen in Deutschland und gab mein Bestes zu „Hamlet“ und „Endstation Sehnsucht“. Ich sang meine selbstgeschriebenen Lieder vor und und und. Aber leider genügte es nicht einmal, um irgendwo in die heiß ersehnte zweite Runde zu gelangen. So ein Frusterlebnis!
Auch mit der Kritik wusste ich nichts anzufangen. Es wurden Sätze gesagt wie: „Wenn man mit dir redet, dann bist du ganz weich, aber sobald du auf der Bühne stehst, wirst du ganz kalt“ oder „Also was du da machst, das ist weit entfernt von wahrer Schauspielerei, das ist wirklich nicht was für jeden!“ Hä? Was hatte das bitte zu bedeuten? Ich habe einige Jahre gebraucht, um zu verstehen, was mein Problem war. Ich war zu unvorbereitet und selbst nicht von dem überzeugt, was ich auf der Bühne getan habe und vielleicht hat den Dozenten auch meine energetische Ader nicht gepasst. Das hatte zum einen dazu geführt, dass ich mich so stark auf meinen Monolog konzentrierte, dass mein Gesicht total einfror, und zum anderen versuchte ich wahrscheinlich den Mangel an Selbstsicherheit mit einer übertreibenden Darstellung zu kompensieren.
Tja, ich glaube, inzwischen habe ich verstanden, was die Schule von mir wollte, aber nun will ich nicht mehr und dass ist auch gut so. Mein Weg geht ganz woanders lang.
Studium
Nach den verpatzten Versuchen, an einer Schauspielschule genommen zu werden, schrieb ich mich in Riesa, nahe Dresden, für ein duales Studium ein. Eventmanagement sollte es werden. „Klingt megacool!“, fand ich. Eine Freundin, die bereits dort studierte, berichtete mir davon. Vor allem von einer sehr schulischen Unterrichtsform. Das gefiel mir. Kleine Klassen und ein fester Stundenplan. Eigentlich war das Studium nur alibimäßig gedacht, um zwischendurch weiterhin in Schauspielschulen vorsprechen zu gehen. Aber ehe ich mich’s versah, vereinnahmte mich das Studium dermaßen, dass ich kaum noch Raum für Privates hatte. Das Studium an sich gefiel mir eigentlich ganz gut. Die Unterrichtseinheiten waren spannend. Es ging um BWL und VWL, aber auch um Selbstpräsentation und Sozialverhalten. Wir lernten uns zu vermarkten und uns selbst darzustellen, und darin war ich besonders gut. Leider stand für mich ziemlich schnell fest, dass der wichtigste Teil des Studiums, und zwar die Ausbildung in einem Eventbetrieb, nicht für mich als lebenslange Beschäftigung in Frage kam. Der Beruf des Managers besteht zu 80% aus einem Bürojob, in dem man nine to five in einem Büro sitzt und E-Mails beantwortet, Gutscheine ausfüllt oder Zahlen dreht, und 20% bestehen aus dem aktiven Vorbereiten eines Events und Kundengesprächen, bei denen ich allerdings kein einziges Mal dabei sein durfte. Ich ging ein mit dieser Arbeitsweise. Es langweilte mich. Ich machte aus Langeweile mehr und mehr Fehler und wurde immer müder und unzuverlässiger. „Absolut falscher Job Gwendolin!“, dachte ich und zack war ich wieder exmatrikuliert. Ich merkte übrigens schon damals, dass meine Energie nicht in ihrem Zenit stand. Aber gut, das tat sie ja schon seit meiner Rücken- und Reizdarmgeschichte in der 10. Klasse nicht mehr.
Nach Beendigung des Studiums vergingen keine zwei Wochen, bis ich mit einer Erleuchtung aufwachte. Ich weiß, es klingt schräg, aber es war eben nicht einfach ein Traum oder eine Idee, sondern es ging mir wirklich ein Lichtlein auf. „Ich will Grundschulpädagogik studieren!“ Das ist das Richtige für mich, dachte ich. Ein bisschen studieren und dann dafür sorgen, dass Kinder nicht völlig demotiviert in die weiterführende Schule kommen. Frag mich nicht, warum ich von dieser Eingebung damals so begeistert war. Jetzt fühlt es sich ganz stark so an, als hätte ich mit dieser Idee einfach meine Träume begraben und mich für etwas entschieden, was vielleicht nicht ganz so anstrengend ist wie an einer Schauspielschule genommen zu werden. Ich habe schlicht und ergreifend tiefgestapelt. Das soll nun nicht heißen, dass ich den Beruf des Lehrers nicht wertschätze, nein, im Gegenteil, er ist verdammt wichtig, aber eben nicht das, was mich ausfüllen würde. Schon als Kind fand ich Kinder eher anstrengend. Ich habe mich immer lieber mit Erwachsenen umgeben. Erwachsene können auch anstrengend sein, aber ihnen kann man wenigstens sagen, dass sie für ihr Leben selbst verantwortlich sind. Bei Kindern geht das nicht so einfach. Ich schrieb mich also in Bayern für Grundschulpädagogik ein, weil dort der NC deutlich niedriger war als in Sachsen. Ich bekam tatsächlich einen Platz in Regensburg. Das Studium brach ich dann aus CFS-Gründen aber nach nur einem Semester wieder ab.
Wie es dann mit mir weiterging, erfahrt ihr im Kapitel „Mein CFSVerlauf“. Aber bevor ich zu meiner eigenen Geschichte komme, möchte ich gerne erst mal beleuchten, was dieses mysteriöse CFS überhaupt ist.
„Einem CFSler zu sagen, er soll sich nicht so haben und einfach seine ‚Müdigkeit‘ überwinden, ist in etwa das Gleiche wie einem querschnittsgelähmten, im Rollstuhl sitzenden Menschen zu sagen, er solle jetzt trotzdem aufstehen und einen Marathon laufen.“