Читать книгу Das Schlafrad - Gyrdir Eliasson - Страница 5

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Mit dem Schlüssel meines alten Papas öffne ich die Tür. Sie hat sich während des Winters verzogen und klemmt, und als ich in das kleine Sommerhaus eintrete, stoße ich auf Massen toter Fliegen. Es liegt eine Schwere in der Luft, die Ahnung eines schattenhaften Lebens, das sich im Schlafzimmer dahinter breitmacht, aber ich bin ja nicht hierhergekommen, um schlimmen Vorahnungen nachzuspüren.

Die elektrischen Heizkörper sind kälter als Marmor, und mit dem Hahn, der das Haus mit Wasser versorgt, ist etwas nicht in Ordnung.

Das Motorrad steht in der Nähe der Veranda, voller Lehmspritzer von der Reise. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ganz allein in so ein Sommerhaus zu kommen, mit dem abgenutzten Koffer und einer Kolibri-Schreibmaschine in schwarzer Schutzhülle.

Unten murrt und knurrt das Meer, und als ich die Fensterläden öffne, kommt es mir vor, als sähe ich in weiter Ferne auf der grauen Wasserfläche zwei Augen, die mich anstarren. Ein ziemlich unangenehmes Gefühl, aber dann zucke ich nur mit den Achseln und denke mir, es ist bloß ein Seehund, einer von diesen alten Ägyptern, die es hier oben in den Nordmeeren umhertreibt.

Das blaugestrichene Häuschen reiht sich ein in die Wohnhäuser am Meeresstrand, und einen Steinwurf von der Landzunge entfernt ragt eine von der Brandung beschädigte Betonmole ins Meer. Der Pfarrer wohnt in dem Haus, das unmittelbar an meine Hütte grenzt. Es ist ein zweigeschossiges Gebäude, und die Fenster im oberen Stock sind wie geschaffen zum Sternebeobachten. Der Pfarrer ist mager wie eine Wäschestange, an die siebzig, versteht sich aufs Dichten. Es wird Spaß machen, mit ihm über den Maschendraht hinweg zu plaudern, wenn er frühmorgens herauskommt, um Wäsche aufzuhängen. Ich lese dann in einer alten Schwarte auf der Veranda, und der Pfarrer nimmt eine Wäscheklammer aus dem Mund und ruft zu mir herüber:

»Liest du schon wieder diesen verdammten Homer?«

»Nein.« Ich stehe auf und gehe zum Zaun, lasse die »Odyssee« zurück.

Das Haus auf der anderen Seite steht meistens leer, aber manchmal ist da ein Seemann mit einem großen, gelben Schiffshund und schickt Rauchkringel durch den Schornstein hinauf wie als Signal, daß er zurück ist. In seinem Garten steht hohes Gras und eine sorgfältig gestrichene Fahnenstange, die im rauhen Herbstwetter mehr als einmal auf das niedrige Dach herabfällt, wenn der Wind von den Bergpässen weht, Blitzattacken gegen das Dorf fliegt wie ein unsichtbarer Adler, es aber nicht mit den Krallen packt, sondern seine Klauen hineinschlägt. Vorletztes Jahr spazierte ich einmal in einer hellen Mittsommernacht mit einer Whiskyflasche zum Seemann hinüber. Er war gerade wach, nippte an seinem Wodka und brachte seinem Hund das Laufen auf den Hinterpfoten bei. Der Hund kam mit hängender Zunge über den Holzfußboden zu mir gewackelt, und ich streichelte ihm zärtlich den Kopf.

Jetzt habe ich die Fensterläden geöffnet und gehe hinein, um mir den ersten Kaffee des Sommers in dieser Wohnung zu kochen. Ich rechne damit, daß sich ein Schimmelbelag in der Kaffeedose gebildet hat, und es ist natürlich verrückt, einen Aufguß von uraltem Kaffeepulver trinken zu wollen, aber der Laden unten hat noch bis morgen früh geschlossen. Hier ist am Wochenende überhaupt alles geschlossen, sogar die Kirche.

Allmählich werden die Marmorelemente warm, und der Verdacht, es könnte hier ein Schlafzimmergespenst geben, verflüchtigt sich. Die Fliegen kauern sich zusammen und tun einen langen Schlaf im Staubsaugerbeutel.

Das Schlafrad

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