Читать книгу Planetenroman 87 + 88: Sohn der Sonne / Zwischen den Wirklichkeiten - H. G. Francis - Страница 12

5.

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»Er ist da!«, rief Sinclair Marout Kennon erregt.

Die geschuppte Tikalerin fuhr aus dem Schlaf hoch.

»Wer?«, fragte sie verwirrt. »Wer ist da?«

Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante und blickte kurz zum Fenster auf das Meer hinaus, über dem sich ein Unwetter zusammenbraute.

»Wer schon?« Seine Augen strahlten. Aufgeräumt strich er sich das schüttere blonde Haar aus der Stirn. »Ronald Tekener natürlich. Er ist gekommen. Wie ich gesagt habe. Der Galaktische Spieler ist da.«

Tarish'a'tkur ließ sich in die Polster zurücksinken. Sie zog die Bettdecke bis ans Kinn hoch.

»Wo ist der Galaktische Spieler? Und woher weißt du es?«

»In der Höhle. Wo sollte er sonst sein? Mir war von Anfang an klar, dass er hier auftauchen würde. Deshalb habe ich Verbindungen genutzt, die nicht durch den Anschlag auf das Büro verschüttet worden sind, um den Markt für alte Waffen und die Spielhöllen beobachten zu lassen. Und es hat sich gelohnt.«

»Bringst du mir einen Tee?«

»Natürlich.« Er eilte zum Automaten, um ihren Wunsch zu erfüllen.

»Ronald Tekener ist also wirklich ein Spieler?«

»Der beste, den es in dieser Galaxis gibt. Ich sage dir, was dieser Mann am Spieltisch leistet, übersteigt jegliches Vorstellungsvermögen.«

»Und er interessiert sich für Waffen?«

»Ja – wenn sie alt und originell sind. Tek ist ein Waffennarr. Aus der ganzen Galaxis hat er Waffen zusammengetragen, und er kann mit jeder von ihnen blind umgehen.«

»Dann solltest du dich hüten.« Sie nahm ihm den Tee ab und trank in kleinen Schlucken. »Tekener hat eine Falle aufgestellt. Er spielt, weil er weiß, dass du darauf wartest; und wenn du zu ihm gehst, schlägt er zu.«

Sinclair Marout Kennon lächelte. Er setzte sich wieder auf das Bett, zog die Beine hoch an und stützte das Kinn auf die Knie.

»Ich muss hingehen. Ich muss wissen, ob es der echte Tekener ist oder ein Doppelgänger.«

»Vielleicht ist er hier, weil er glaubt, einen Doppelgänger erledigen zu müssen.«

»Einen Doppelgänger?« Kennon lachte laut auf. »Aber Tarish'a'tkur! Ich bin der echte Sinclair Marout Kennon. Nein, deshalb ist er nicht gekommen. Ganz gewiss nicht.«

Ihre Augen wurden dunkel und glanzlos.

»Geh nicht zu ihm«, bat sie leise. »Bitte – geh nicht.«

»Ich habe keine andere Wahl.«

»Du weißt zu wenig über deine Zukunft.«

»Das ist nun mal so«, entgegnete er leichthin. Dann stutzte er. Hatte sie nicht schon einmal etwas Ähnliches gesagt, nur dass dies mehr auf sie selbst bezogen war? »Die Zukunft liegt im Dunkeln.«

Sie trank den Tee aus und schwieg.

»Wer bist du, Tarish'a'tkur?«, fragte er. »Willst du mir nicht mehr über dich erzählen? Du arbeitest für eine Handelsorganisation. Ist das richtig?«

»Ja, das stimmt. Ich habe keine Geheimnisse vor dir. Du scheinst mir das nicht zu glauben, aber ich habe keine. Ich entstamme einem Hort des Glücks. Ebenso wie meine siebenunddreißig Geschwister.«

»Sagtest du, dass du siebenunddreißig Geschwister hast?«, fragte er verblüfft.

»Damit meinte ich nur diejenigen, die gleichaltrig mit mir sind.«

»Du willst mich auf den Arm nehmen.«

Sie blickte ihn fragend an, überlegte einige Sekunden lang und lachte dann laut auf.

»Jetzt verstehe ich erst«, rief sie und griff nach seinem Arm, um ihm zu bedeuten, dass sie ihn nicht auslachte, sondern sich über das Missverständnis amüsierte. »Natürlich kannst du dir nicht vorstellen, so viele gleichaltrige Geschwister zu haben. Aber bei mir ist das schon möglich.«

»Das solltest du mir erklären, Tarish'a'tkur.«

Sie stellte die Teetasse weg, schmiegte sich an ihn und blickte lächelnd zu ihm auf.

»Erschrick nicht«, bat sie. »Ich bin eben ein wenig anders als du. Ich bin eine Ei-Geborene. Bei meiner Geburt bin ich aus einem Ei gekrochen.«

Kennon war eigenartig berührt. Auf der einen Seite fühlte er sich abgestoßen, auf der anderen Seite jedoch durch den exotischen Reiz angezogen. Er war schon lange mit dem Gedanken vertraut, dass es intelligente Lebewesen in der Galaxis gab, die sogenannte Ei-Geborene waren, aber noch nie zuvor hatte er einen so engen Kontakt mit einem von ihnen gehabt wie mit Tarish'a'tkur.

»Für dich ist das schwer zu verstehen, nicht wahr?«

»Ich kann es nicht leugnen.«

»Glaube mir, umgekehrt ist es nicht anders. Für uns hat eine Lebendgeburt etwas Erheiterndes, und es will uns gar nicht so recht in den Kopf, dass eure Frauen nur so wenige Kinder gebären können. Meistens nur eins.«

»Leben deine Geschwister alle noch?«

»Fast alle. Ich sagte ja, dass wir einem Hort des Glücks entstammen und bis auf einige wenige alle leben dürfen.«

»Dann durften einige nicht leben?«

»Nicht in dem Sinn wie wir. Ihr Leben wurde gleich nach der Geburt unterbrochen. Das war aus Gründen der Erbgutpflege notwendig. Ich erinnere mich nur noch dunkel daran. Die Augen im Tal der Sonne aufzumachen, ist unbeschreiblich schön, und man achtet nicht darauf, was die Priester tun. Ich entsinne mich nur, dass ich stundenlang auf den warmen Felsen gelegen und das Tal bewundert habe.«

»Du willst sagen, dass die Priester einige deiner Geschwister getötet haben.«

»Das ist ihre Aufgabe.«

»Und du findest das in Ordnung?«

Sie lachte erneut.

»Aber warum denn nicht, Ken? Es ist doch nur eine Unterbrechung des Lebens. Ich werde meine Geschwister wiedersehen.«

»Du sprichst von dem Leben nach dem Tode.«

»Ja, davon. Der Tod existiert für uns nicht. Es gibt nur eine Unterbrechung und danach eine Fortsetzung unserer Existenz auf einer anderen Ebene, vorausgesetzt, einige Bedingungen wurden erfüllt.«

»Ich glaube an ein Leben nach dem Tode«, betonte er.

»Wir haben Beweise dafür.«

»Dann fürchtest du dich nicht vor dem Tod?«

»Aber warum denn? Dazu besteht wirklich kein Grund. Ich habe allerdings noch nicht alle Vorausbedingungen erfüllt.«

»Was fehlt? Was musst du noch tun?«

»Das wirst du bald erfahren, Ken. Bitte, frage mich nicht danach.«

»Dann erlaube mir eine andere Frage: Du bist im Tal der Sonne geboren?«

»Eine besondere Auszeichnung, die nur die Kinder jener erfahren, die viel für unser Volk geleistet haben«, erwiderte sie stolz.

»Dann entstammst du einer angesehenen Familie?«

»Einer der höchsten von Tikal. Deshalb durfte ich auch schon viele Planeten besuchen. Ich habe Welten gesehen, die fast so schön sind wie Tikal, und ich habe schon häufiger Terraner kennengelernt. Gute und schlechte.«

»Das sagst du mit einer so eigenartigen Betonung«, stellte er beunruhigt fest. »Hast du böse Erfahrungen mit Terranern gemacht?«

»Ich weiß zu unterscheiden«, erklärte sie. »Ich hoffe, du hast das gemerkt.«

»Hast du vor mir einem Terraner deine Gefühle geschenkt?«

»Warum willst du das wissen?«

Er wich ihren Blicken aus.

»Vergiss die Frage«, bat er.

»Noch nie«, beteuerte sie leise. »Aber ich habe einen Terraner hassen gelernt, mehr als jedes andere Wesen, dem ich in diesem Leben begegnet bin.«

»Warum?«

Sie glitt aus dem Bett und ging unter die Dusche.

»Du wirst es erfahren«, versprach sie.

Er respektierte ihre Entscheidung, ihm jetzt noch nicht mehr zu erzählen. Er wusste, dass er sie nicht zwingen konnte, und er glaubte ihr, dass sie ihm irgendwann alles sagen würde, was von Bedeutung für sie beide war.

Er folgte ihr und sah ihr beim Duschen zu.

»Du hast vom Tal der Sonne gesprochen«, sagte er. »Das erinnert mich an den Überfall auf das Organisationsbüro. Als ich in dem Laden war, bist du hereingekommen, hast den Toten gesehen, der mir ähnlich war, und ihn als Sohn der Sonne bezeichnet. Warum?«

»Wegen der Tätowierung auf seiner Brust. Sie sah aus wie eine Sonne.«

Sie beendete ihr Bad und ließ sich im Luftstrom trocknen. Seine Fragen schienen sie zu verwundern.

»Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Tal der Sonne und diesen Tätowierungen?«

»Nein, überhaupt keine.« Sie stutzte, eilte zum Bett zurück und schlüpfte unter die Bettdecke. »Ich weiß so gut wie nichts über diese Söhne der Sonne. Ich weiß nur, dass es diese Tätowierungen gibt. Ich habe mal gehört, dass jemand darüber sprach.«

»Ja – und? Was hat er gesagt? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.«

»Er hat behauptet, dass manche Xaxarier sich so kennzeichnen. Aber frage mich bitte nicht nach der Bedeutung. Davon weiß ich nichts.«

»Xaxarier? Dieses Ding, das halbwegs so aussah wie ein Doppelgänger von mir, soll ein Xaxarier gewesen sein? Und Xaxarier sollen es umgebracht haben? Das passt doch nicht zusammen.«

»Tut mir leid, Ken, mehr kann ich dir dazu auch nicht sagen.«

»Du hast mir eine ganze Menge erzählt«, erwiderte er und ging zur Tür. »Ich danke dir.«

Sie sprang aus dem Bett.

»Wo willst du hin?«, fragte sie.

»Das weißt du doch. Zu Ronald Tekener.«

»Warte. Ich komme mit.«

Vor dem Lokal, das sich Jommy und Cass nannte, drängten sich Hunderte von Arkoniden, Akonen, Springern, Aras und Terranern. Dazu kamen einige Vertreter anderer Völker. Sie redeten in auffälliger Weise miteinander. Einige von ihnen stritten sich so heftig, dass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, wann ihnen die Argumente ausgehen und die Fäuste fliegen würden.

Diese Ansammlung wäre jedoch kaum notwendig gewesen, Kennon aufmerksam zu machen. Er war sich dessen ohnehin sicher gewesen, dass Ronald Tekener entweder im Unbekannten oder bei Jommy und Cass spielen und somit Aufmerksamkeit erregen würde.

Er hatte sein Äußeres ein wenig verändert, um sich in der Menge besser verbergen zu können. Dazu hatte er jedoch nur wenig Aufwand betrieben. Ihm genügte ein Tuch in blassen Farben, das er sich um den Kopf gewickelt hatte und das nur die Augen freiließ, sowie eine flache Kappe, mit der er das Tuch halten konnte. Dazu hatte er einen Umhang angelegt, der von den Schultern bis auf den Boden herabreichte, so dass seine dünnen Beine und die unverhältnismäßig großen Füße nicht zu sehen waren.

Tarish'a'tkur trug einen schlichten Hosenanzug, der auch ihren Oberkörper verhüllte, einen grünen Schulterumhang, unter dem sie im Rücken zwei leichte Energiestrahler verbarg, und eine Art Helm, der Kopf und Nacken bedeckte, das Gesicht jedoch freiließ. Dadurch zog sie die Blicke der anderen Besucher nicht in gleicher Weise wie gewöhnlich auf sich und konnte sich in der Menge gut bewegen, ohne sehr viel Beachtung zu finden.

Kennon und die schöne Tikalerin hielten sich bei den Händen, als sie sich durch die Menge schoben und sich mühsam an den Eingang des Lokals herankämpften. Hin und wieder blickten sie sich an, wenn sie einmal eine Bemerkung aufschnappten, die sich unzweifelhaft auf den Galaktischen Spieler bezog. Die Raumfahrer sprachen nicht nur über seinen ungewöhnlichen Erfolg, sondern auch über die Lashat-Narben, die sein Gesicht entstellten, und über das eigenartige Lächeln, das hin und wieder über die Lippen dieses geheimnisvollen Mannes glitt.

Als es Kennon und Tarish'a'tkur endlich gelang, das Lokal zu betreten, sahen sie, dass an nur einem der vielen Tische gespielt wurde.

An ihm saßen drei Springer, ein Akone, ein Arkonide und Ronald Tekener, vor dem ein Berg von Spielchips allzu deutlich anzeigte, wer der Gewinner dieser Runde war.

Mit einem besonderen Gefühl innerer Anspannung hatte Sinclair Marout Kennon dieser Begegnung entgegengesehen.

Immer wieder hatte er sich gefragt, wie sie verlaufen würde, ohne eine schlüssige Antwort finden zu können, da Ronald Tekener eine vielschichtige Persönlichkeit war, die sich häufig erst in letzter Sekunde entschloss und dabei oft zu scheinbar unlogischen Entscheidungen kam. Daher hatte der Kosmokriminalist, der Tekener kannte wie sonst niemand, sich gegen eine gewisse Nervosität nicht wehren können. Gereizt hatte er auf Fragen von Tarish'a'tkur reagiert, so dass diese es schließlich vorgezogen hatte zu schweigen.

Doch nun fiel die Nervosität plötzlich von Kennon ab. Er war ruhig und gelassen. Kühl schob er sich an einigen Springern vorbei, und jetzt hörte er die hämischen Bemerkungen tatsächlich nicht, mit denen sie ihn bedachten, da er sich voll und ganz auf Ronald Tekener konzentrierte.

»Lass mich allein«, flüsterte er der Tikalerin zu.

»Nein. Ich bleibe bei dir«, gab sie zurück.

»Damit würdest du mir nicht helfen, sondern mich behindern«, erklärte er. »Ich weiß, dass du in der Nähe bist. Das hilft mir, aber du darfst nicht zu nah bei mir sein. Du könntest getroffen werden.«

»Getroffen?« Bestürzt blickte sie ihn an. »Du meinst ...?«

»Ja. Er wird auf mich schießen.«

Er schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite und ging weiter auf den Spieltisch zu, der im Lichtkegel mehrerer Lampen stand, während es sonst im Raum eher dunkel als hell war, denn nur an diesem einen Tisch wurde gespielt. Alle anderen Spieler hatten sich erhoben, um das Geschehen um den Mann mit den Lashat-Narben zu verfolgen.

Wieder hatte der Galaktische Spieler eine Runde gewonnen. Ein Berg Spielchips wanderte zu ihm hinüber. Kennon machte sich gar nicht erst die Mühe, den Wert des Gewinns abzuschätzen. Er wusste, dass es – wie immer bei Tekener – um Millionen ging.

Als Kennon noch etwa sechs Meter vom Spieltisch entfernt war, blickte Ronald Tekener auf. Er sah ihn und reagierte sofort. Seine Hand glitt zu einer Waffe, die am Tisch lehnte. Das Treshongewehr, das kaum mehr als ein kunstvoll geschnitzter Holzstock zu sein schien, flog an seine Schulter. Es krachte laut, und eine winzige Holzscheibe schoss pfeifend aus der Mündung der Waffe. Sie war so schnell heran, dass Kennon nicht mehr reagieren konnte. Er fühlte einen heftigen Schlag. Sein Kopf wurde nach hinten gerissen, und die Kappe wirbelte davon.

Er hätte mich töten können! Schon bei diesem ersten Schuss. Aber er hat mir nur die Kappe vom Kopf geschossen. Kein Zweifel. Es ist Tek!

Er wusste, dass wenigstens noch ein weiterer Angriff auf ihn erfolgen würde, und dass dieser für einen Kennon-Doppelgänger tödlich sein würde. Es galt in Bruchteilen von Sekunden die Waffe zu identifizieren, die der Freund benutzte, und die entsprechende Gegenwehr aufzubauen.

Ronald Tekener sprang auf. Er ließ das Gewehr fallen und griff nach seinem Gürtel. Eine halbmondförmige Waffe kam zum Vorschein, die eigenartig grün schillerte.

Sinclair Marout Kennon erinnerte sich blitzartig an einen gemeinsamen, nicht übermäßig wichtigen Einsatz mit Ronald Tekener auf dem Planeten Tkuron. Dort hatte der Galaktische Spieler diese Waffe erworben. Mit ihr wurden Hunderte von Kristallen abgefeuert, von denen bereits ein einziger tödlich wirkte, wenn er die Haut berührte. Auf Tkuron hatten Tekener und Kennon gelernt, dass es nur eine – etwas seltsam anmutende – Abwehrmöglichkeit gab.

»Deinen Helm«, schrie der Kosmokriminalist. Er stürzte sich auf Tarish'a'tkur, riss ihr den Helm vom Kopf, warf sich zur Seite und streckte Tekener die metallene Kopfbedeckung im gleichen Moment entgegen, als dieser die Waffe auslöste. Kennon hörte, wie die Kristalle auf das Metall trafen, und er sah, dass sie sich in einen rötlichen Staub verwandelten.

Dann flog auch schon ein naspaynisches Messer auf ihn zu. Kennon blieben nur Bruchteile von Sekunden, es zu identifizieren und sich zu entscheiden. Er war mit Tekener auf dem Planeten Naspayn gewesen. Sie hatten dort nur einen kurzen Aufenthalt gehabt. Dabei war es jedoch zu einem dramatischen Zwischenfall und einem anschließenden Waffenkauf für den Freund gekommen.

Kennon wusste, was er zu tun hatte.

Er streckte den rechten Arm aus und hielt dem Messer die flache Hand entgegen. Für alle im Saal sah es so aus, als bohre sich das Messer durch seine Hand, um dann darin stecken zu bleiben. Der Handgriff ragte aus der Handfläche hervor, während die etwa zwanzig Zentimeter lange Klinge aus dem Handrücken emporstieg. Doch das war nichts weiter als ein positronischer Spiegeltrick. Kennon war nicht verletzt, da die Klinge tatsächlich noch im Handgriff des Messers verborgen war. Er nahm die Waffe, drückte einen versteckt angebrachten Knopf und schleuderte sie mit ganzer Kraft zurück. Sie wirbelte durch die Luft, schoss pfeifend am Kopf eines Springers vorbei, der noch immer am Spieltisch saß, spaltete eine Spielkarte und bohrte sich dann mitten zwischen den Chips in die Tischplatte, die krachend in zwei Teile zerbarst.

Ronald Tekener stopfte sich einige Chips in die Tasche, steckte die Waffen ein und eilte zu Kennon.

»Ken«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten.«

»Tek«, erwiderte der Kosmokriminalist. »Musste es unbedingt der Kristallwerfer von Tkuron sein? Der Helm war nicht besonders groß. Ich fürchtete schon, ich könnte die Kristalle damit nicht abwehren.«

»Sie hätten dich nicht umgebracht, wenn sie dich getroffen hätten«, lachte Tekener, »aber dann wäre es ziemlich schwierig für dich geworden. Ich hätte dich für einen Doppelgänger halten müssen.«

Sie schüttelten sich die Hände, da beide sicher sein konnten, den tatsächlichen Freund vor sich zu haben.

»Komm«, rief Kennon. »Ich muss dir Tarish'a'tkur vorstellen. Sie hat mir geholfen.«

Er drehte sich um und suchte die Tikalerin. Doch sie war nicht mehr im Raum. Tarish'a'tkur war verschwunden.

Thorst Alkman war nicht nur der Präsident der Gesellschaft, die die Raumhäfen auf Traak betrieb, sondern zugleich auch höchster USO-Beamter auf diesem Planeten.

Er saß am Kamin seines Arbeitszimmers und blickte auf einen Telekomschirm. Auf ihm zeichnete sich das Gesicht des Arkoniden Atlan ab.

»Wir sind auf der Suche«, erklärte er. »Und wir werden sie finden. Alle beide. Den Krüppel und den Narbigen.«

Thorst Alkman verbarg seine Gefühle hinter einem unbewegten Gesicht. Lordadmiral Atlan durfte nicht erkennen, dass er den gelungenen Überfall auf das Organisationsbüro im Einkaufszentrum als Angriff auf sich selbst empfand und dass er sich durch ihn gedemütigt und herausgefordert fühlte.

Seit Jahren hatte die USO-Niederlassung ungestört arbeiten können. Niemals hatte es Zwischenfälle besonderer Art gegeben. Das Büro war weder durch spektakuläre Erfolge noch durch beschämende Misserfolge aufgefallen. Alkman hatte seine Ruhe gehabt und hatte sich ganz seinen persönlichen Neigungen widmen können – wozu besonders schöne Frauen gehörten. Jetzt aber waren zehn seiner Mitarbeiter getötet worden. Gleich zehn! Dadurch hatte er fast das gesamte Personal verloren.

Und zu allem Überfluss hatte sich nun auch noch Lordadmiral Atlan eingeschaltet. Unbegreiflich war Alkman, dass der Arkonide nach so kurzer Zeit zu wissen glaubte, wer als Drahtzieher der Aktion in Frage kam.

»Wir wollen, dass sie von der Bildfläche verschwinden«, erklärte Atlan.

»Seltsam ist, dass eine verkrüppelte Gestalt im Laden lag«, erwiderte Alkman. »Es war eine billige und primitive Nachahmung, wie sie jeder Biologiestudent ohne große Mühe herstellen kann. Immerhin muss sie so überzeugend gewesen sein, dass die Attentäter darauf hereingefallen sind. Der Krüppel war im Laden und hat sich dort umgesehen. Zusammen mit einer Tikalerin, wie wir jetzt wissen. Er hat die Toten untersucht und ist dann geflüchtet. Danach gibt es eine Unstimmigkeit, die wir noch nicht klären konnten. Es sieht so aus, als hätten die Mitarbeiter des Krüppels versucht, diesen umzubringen. Sie hätten ihn auch getötet, wenn die Tikalerin es nicht verhindert hätte. In der Stadt Uzkelkap ist es dann zu einem weiteren Anschlag auf das Leben des Krüppels und der Tikalerin gekommen, aber dafür waren weder meine Leute verantwortlich, noch die Verbrecher, die das Büro überfallen haben. Nach meinen bisherigen Informationen scheint der Mann mit den Lashat-Narben diese Tat organisiert zu haben.«

»Sie bringen verschiedene Dinge durcheinander. Aber das ist mir egal. Das ist Ihr Problem. Schalten Sie beide aus«, befahl Atlan. »Den Krüppel und den Narbigen. Beeilen Sie sich. Und gehen Sie mit ganzer Härte vor. Ich will Klarheit.«

»Sie können sich auf mich verlassen. Mir liegt daran, diese Angelegenheit so schnell wie möglich zu bereinigen.«

»Gut. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie Erfolg gehabt haben.«

Atlan schaltete ab.

Thorst Alkman lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er griff nach der Hand einer Akonin, die zu ihm gekommen war und sich neben ihm auf ein Sitzkissen sinken ließ.

»Deine Frau ist nicht da«, sagte sie leise. »Wir haben Zeit für uns.«

Er strich ihr über das dunkle Haar.

»Du hast es gehört«, erwiderte er bedauernd. »Ich muss diese Geschichte aus der Welt schaffen. Und zwar bald. Ich muss diesen Krüppel ausfindig machen und ausschalten.«

»Ich verstehe nicht, dass du ihn noch nicht hast«, bemerkte sie. »Er war in der Höhle von Uzkelkap. Dort hat er diesen Spieler getroffen, den Mann mit den Lashat-Narben. Und wahrscheinlich hält er sich jetzt mit ihm zusammen in einer Wohnung in Uzkelkap auf.«

»Ich weiß, Thala, aber wir haben ihre Spur verloren. Meine Leute haben sie ständig beschattet, aber dann waren sie mit einem Mal verschwunden. Sicher haben sie die Höhle längst verlassen und irgendwo Unterschlupf gefunden, das ist richtig. Aber wo?«

»Und die Tikalerin?«

»Ist ebenfalls nicht mehr da.«

»Es dürfte doch nicht schwer sein, ihre Wohnung ausfindig zu machen. Sobald du weißt, wo sie wohnt, hast du sie alle so gut wie in der Tasche.« Sie deutete auf einige Fotos, die auf dem Tisch lagen. Sie zeigten das Gesicht von Tarish'a'tkur. »Sie hat dem Krüppel geholfen. Glaubst du, dass sie wirklich in ihn vernarrt ist?«

»Ich weiß es nicht, Thala. Aber ich kann es mir nur schwer vorstellen. Immerhin ist sie eine Tikalerin.«

»Du meinst, sie ist falsch?«

Er zuckte mit den Schultern.

Sie erhob sich.

»Entschuldige mich bitte«, sagte sie und zeigte auf das Visikomgerät, an dem ein Licht blinkte. »Da will dich jemand sprechen. Soll ich einschalten?«

Er nickte und wartete, bis sich der Bildschirm erhellte. Die Akonin verließ den Raum. Sie hielt ein Foto von Tarish'a'tkur in den Händen.

Helge hat gesagt, dass er sie gesehen hat, dachte sie. Vielleicht ist es diese Tikalerin, und er ist ihr in der Nähe ihrer Wohnung begegnet. Ich muss ihn fragen.

Sie betrat einen kleinen Raum, in dem einige gepolsterte Sitzmöbel vor einem Visikom-Tisch standen. Von hier aus pflegte sie ihre privaten Gespräche zu führen, da sie wusste, dass sie über diese Leitung nicht abgehört werden konnte.

Nachdem sie dem Sensor eine Zahl genannt hatte, erhellte sich der Bildschirm. Sie blickte auf den Rücken eines Terraners, der schulterlanges, blondes Haar hatte.

»Helge«, sagte sie belustigt, da er keine Anstalten machte, sich umzudrehen und in die Kamera zu sehen. »Liebling, ich bin's, Thala.«

Der Terraner wandte sich ihr zu, und sie sah, dass seine Hände den Griff eines Messers hielten, das aus seiner Brust ragte. Er hatte jedoch nicht mehr die Kraft, es herauszuziehen.

Entsetzt schrie die Akonin auf.

»Helge«, rief sie. »Was ist passiert? Wer war das? Wer hat das getan? Nun sag doch etwas.«

Er kippte wortlos nach vorn und brach zusammen. Seine blonden Haarsträhnen fielen auf das Objektiv der Kamera, so dass Thala kaum noch etwas auf dem Bildschirm erkennen konnte.

»Helge«, stammelte sie beschwörend. »Ich rufe einen Arzt. Du musst durchhalten.«

Sie glaubte eine silbrig-grüne Gestalt ausmachen zu können, die aus dem Raum flüchtete und durch die Tür verschwand. Eine Tikalerin?

War sie die Täterin gewesen?

»Liebling, bitte, du musst durchhalten«, wiederholte sie. Dann schaltete sie ab, um die Polizei und den Notdienst zu verständigen. Sie machte sich wenig Hoffnungen, ihn retten zu können, denn sie wusste, dass das Herz des Terraners getroffen worden war.

Helge hat sie gesehen!, dachte sie verzweifelt. Er hat es mir gesagt. Sie ist hier auf Traak. Er hat Angst vor ihrer Rache gehabt, und ich habe ihn ausgelacht, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass eine schwache Tikalerin etwas gegen einen so großen und starken Mann wie ihn ausrichten kann. Ich habe mich getäuscht.

Sie zerknitterte das Bild in ihrer Hand.

Planetenroman 87 + 88: Sohn der Sonne / Zwischen den Wirklichkeiten

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