Читать книгу Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel - Hanna-Linn Hava - Страница 9
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Es war kein guter Tag. Natürlich nicht.
Sobald wir vertrauter miteinander sind, muss ich das nicht mehr extra erwähnen. Für mich gab es nie gute Tage.
Noch denkt ihr, ich übertreibe maßlos. Damit seid ihr nicht allein. Mir wird seit jeher ein Hang zum Drama nachgesagt.
Aber ich bin mir sicher, dass ihr bis, sagen wir mal, Seite 107, längst verstanden habt, wie nüchtern ich im Innersten bin. Die Dramatik liegt in der Wahrnehmung meiner Umgebung begründet, nicht in meiner Absicht.
Wenn das bisher keinen Sinn macht: nicht weiter schlimm.
Ich erzähle jetzt einfach von Finn. Der Rest wird sich erschließen. Falls nicht, bin ich einfach eine miese Erzählerin.
Es liegt nicht daran, dass ihr zu blöd seid, alles zu kapieren.
Haha, tut mir leid, wenn ich jetzt kurz lachen muss. Denn eigentlich denke ich insgeheim, dass ihr wirklich ausgesprochen blöd sein müsst, etwas nicht zu verstehen, was ich erläutere. Ich spreche es nur nicht aus, um euch nicht als Zuhörer zu verlieren. Komisch.
Es war mir so lange gleichgültig, ob mir jemand zuhört oder nicht.
Aber jetzt, wo ich weiß, dass ich bald mit niemandem mehr sprechen werde, brauche ich euch. Das ist nicht nur komisch, sondern absurd.
Ich liebe dieses Wort: absurd.
Und ich bildete mir für eine Weile ein, Finn zu lieben.
Damit habe ich jetzt wieder den Bogen zu dem Tag gespannt, an dem ich ihn zum ersten Mal traf:
Es war ein viel zu früher Sommermorgen und ich stand mit einem Haufen Gepäck am Straßenrand und schämte mich.
Es gab genug Gründe, sich zu schämen. Ich hätte sie dennoch nur schwer einzeln benennen können.
Aber meine Haut brannte unter der gleichgültigen Helligkeit der fahlen Morgensonne, und ich wusste nicht wohin mit meinem Blick und meinen Händen.
Ich dachte darüber nach, ob mein Schamgefühl bereits den Pegel erreicht hatte, an dem ich ein rotes Gesicht bekommen würde, was einen zusätzlichen Grund für Peinlichkeit dargestellt hätte. Und ich überlegte angestrengt, ob ich es schaffen würde mein Erbrochenes unauffällig wieder herunterzuschlucken, falls ich mich im Bus übergeben würde.
Ich malte mit dem rechten Fußzeh fünf Mal ganz schnell ein winziges Gesicht und zählte drei Mal auf zehn, einmal in Blau, einmal in Türkis und einmal in Grün.
Aus den Augenwinkeln nahm ich den besorgten Blick wahr, mit dem meine Mutter mich beäugte, aber ich beschloss, ihn hart zu ignorieren.
Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war eine Diskussion mit einem Elternteil, der seinen Erziehungspflichten in Form von guten Ratschlägen nachkommen wollte.
Der Elternteil sah das natürlich leider anders.
„Du kannst es dir immer noch überlegen, Lily!“, kam es in eindringlichem Ton. „Wir zwingen dich nicht, das weißt du!“
Doch, genau das tut ihr. Hätte ich antworten können. Ihr zwingt mich durch emotionale Erpressung und die Ausnutzung eurer Machtposition.
Aber damals war ich noch sehr jung, gerade erst 14 Jahre alt geworden, und noch nicht in der Lage all die Gedankenstürme zu verbalisieren, die mein Gehirn durchtosten.
Besonders nicht dann, wenn ich gerade damit abgelenkt war, dafür zu sorgen, nicht vollständig und sofort zusammenzubrechen.
„Und es sind ja auch nur 3 Wochen!“ Jetzt stupste sie mich auch noch aufmunternd in die Seite. Wahrscheinlich war das eher eine Demonstration für die Umstehenden, welch gutes Verhältnis wir hatten, denn sie wusste genau, wie sehr ich es hasste, angefasst zu werden.
„Schau doch nicht so düster!“
Nun gut, jetzt war es der Zeitpunkt, wenigstens pro forma ins Gespräch einzusteigen, sonst würden solche idiotischen Sätze gleich im Sekundentakt folgen.
„Ich schaue nicht düster, ich bin nur müde!“ Das war eine meiner Standard-Antworten auf den vorhergegangenen Vorwurf.
Wenn jemand eine Standardantwort benötigt, weil er so häufig auf seinen grimmigen Gesichtsausdruck angesprochen wird, dann liegt es nahe, dass er wirklich nicht besonders fröhlich wirkt.
Aber so sehe ich eben aus, wenn ich absolut neutral eingestellt bin.
Tatsächlich war ich an jenem Tag alles andere als neutral, das gebe ich sofort zu. Dennoch. Ich traute mich nicht zu sagen: „Mutter, halte deinen Mund!“
Ich war schließlich noch ein braves Mädchen.
Vielleicht eines, das trotzdem für Kummer sorgte. Aber zum Beispiel viel zu brav, um mich schlichtweg zu weigern, für drei Wochen mit einer Horde von unbekannten Jugendlichen bis ans Ende der Welt, also Norwegen, zu reisen, obwohl ich schwer davon ausging, dass dies meinen sicheren Tod bedeuten würde.
In dem Augenblick lief Finn an mir vorbei. Natürlich wusste ich da noch nicht, wer er war, aber ich behalte ihn genau so, wie ich ihn damals sah, für immer in Erinnerung. Es mag ein wenig ironisch anmuten, dass für immer in meinem Fall nur noch wenige Minuten bedeutet, aber das ist nun etwas, was ich natürlich damals noch nicht wusste.
Er warf mir im Vorbeigehen so ein leichtes Lächeln zu, das wahrscheinlich ungefähr signalisierte: Wir beide im selben Boot, unbekannterweise.
Ich reagierte nicht, weil ich auf derartige nonverbale Annäherungsversuche stets viel zu spät reagierte. Deshalb dachte er bestimmt von mir, was ich doch für eine miese Zicke sei, und schon zu diesem Zeitpunkt wollte ich nicht, dass er das von mir dachte.
Er sah nämlich aus wie Legolas aus Herr der Ringe. Nicht nur ein bisschen. Sondern beinahe wie eine perfekte Kopie.
Dachte ich zumindest in meiner mädchenhaften Beeindruckbarkeit.
Zwar gehe ich jetzt davon aus, dass ihr alle wisst, um wen es sich bei Legolas handelt, da es in meinen Augen schon beinahe eine Frevelei darstellt, Herr der Ringe weder gelesen noch in der großartigen Verfilmung von Peter Jackson gesehen zu haben – aber gnädigerweise schildere ich diesen glanzvollen Charakter noch einmal für die Ahnungslosen unter euch:
Legolas gehört zum Volk der Elben, was bedeutet, dass er nicht nur wirklich hübsch ist, auf eine männliche Art natürlich, sondern dass er auch seine Emotionen völlig unter Kontrolle hat.
Sein Handeln ist von vornehmer Zurückhaltung geprägt, aber dennoch ist er ein ausgezeichneter Kämpfer ohne Todesfurcht.
Ihr seht, sogar jetzt noch schwingt eine gewisse Schwärmerei in meinen Worten mit. Obwohl längst mein wunderbarer, ätzender Zynismus alle zarteren Gefühle in mir weggebrannt haben sollte.
Keine Ahnung, ob Finn von vornehmer Zurückhaltung war - es sollte sich herausstellen, eher nicht -, aber er hatte lange, hellblonde Haare, die er zusammengebunden auf dem Rücken trug, und er hatte die feinsten Gesichtszüge und schönsten Augen, die ich je an einem Jungen gesehen hatte.
Spätestens bei diesem Gedanken fühlte ich mein Gesicht leuchten wie ein Kaminfeuer.
Zum Glück war Finn da schon längst an mir vorbei, in seinen engen, schwarzen Jeans, dem schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck einer Band, die ich nicht kannte und dem löchrigen schwarzen Rucksack mit den vielen Aufnähern.
Kurz danach kam sein Vater mit einem riesigen Koffer. Ich erkannte sofort, dass es sich dabei um seinen Vater handelte, weil er erstens die gleichen blonden Haare hatte und zweitens brüllte: „Finn, du hast deinen Koffer vergessen!“ Woraufhin sich Finn umdrehte und nur mit den Schultern zuckte.
Jetzt kannte ich seinen Namen. Finn. Das klang sogar vage nach einem Elben. Was hatte ich damals noch für eine dermaßen verträumte Fantasie. Eigentlich schade, dass ich irgendwann daraus aufgewacht bin. Oder ein Segen.
Das dürft dann ihr später entscheiden. Obwohl ich selbstverständlich einen Scheiß auf eure Meinung gebe.
Jedenfalls war dieser kurze Moment, in dem ich auf Legolas traf und mein Elend für einen Sekundenbruchteil darüber vergaß, vorbei.
Die Leiterin der Freizeit klatschte fröhlich in die Hände und rief uns zum Aufbruch zusammen.
Wir sollten sie Brigitte nennen, teilte sie uns in einer lauten Kindergärtnerinnen-Stimme mit, und sie freue sich schon so riesig darauf, mit uns ein paar wundervolle Wochen im wunderschönen Norwegen zu verbringen.
Ich glaubte ihr das sogar. Oder anders: Ich glaubte ihr, dass sie es selbst glaubte.
Sie strahlte den totalen Willen aus, ein absolut guter Mensch zu sein. Offensichtlich war sie Christin.
Naheliegend, bei einer Organisation der evangelischen Kirche.
Ich konnte fröhliche Christen nicht ausstehen. Ich mochte es hingegen, wenn sie unter ihrer Erbschuld litten, wenn sie sich mit Sühne und Strafe auseinandersetzten und sich selbst für ihr verderbtes Fleisch bestraften. Diese leidenschaftliche Opferbereitschaft besaß eine würdevolle Aufrichtigkeit, die ich respektierte.
Die Wir-lieben-alle-Christen andererseits konnte ich nicht wirklich ernst nehmen.
Versucht es einfach mal und schlagt einen Christen ins Gesicht. Ich gebe euch hundert Euro, falls er euch die andere Wange hinhält.
Und das ist nur eine Metapher dafür, dass ihre Nächstenliebe nur soweit reicht, solange sie ihr eigenes Ego wärmt.
Das galt mit Sicherheit auch für die muntere Brigitte. Aber weil ihr die Fähigkeit zur Introspektion fehlte, wie den meisten menschlichen Kreaturen, glaubte sie von sich selbst fest, eine mitfühlende Christin zu sein.
Das sah ich an ihrem weit aufgerissenen Lächeln, das feuchtes Zahnfleisch entblößte, an den Falten auf ihrer Stirn, die unterdrückten Ärger verrieten, an ihrer schwarz gefärbten Kurzhaarfrisur, welche frische Jugendhaftigkeit verleihen sollte und an ihren pinken Shorts.
Ich tippte auf Anfang 40, früh ergraut aufgrund verleugneter psychischer Probleme, gelangweilt verheiratet mit einem anderen Christen und kinderlos, sonst würde sie sich das hier nicht antun.
Damit wusste ich alles über sie, was ich wissen musste.
Ich würde sie dennoch als Leiterin respektieren müssen.
Und ich durfte Leute nicht auf ihre Defizite ansprechen, das hatte man mir inzwischen beigebracht. Ich verstand zwar immer noch nicht wirklich warum; nur durch das aufmerksam werden auf Mängel konnten diese behoben werden. Aber ich passte mich an.
Ich würde Brigitte nicht erklären, dass sie deswegen Christin war, weil ihr die Kirchengemeinde Raum bot, sich als sozial engagiert zu beweisen, ohne wirklich daran arbeiten zu müssen, ein besserer Mensch zu werden.
Dafür würde sie mich hoffentlich ebenfalls in Ruhe lassen.
Als ich aber an der Reihe war, ihr die Hand zu schütteln und mich vorzustellen, bevor ich in das stählerne Monstrum steigen würde, das bereit war mich in die Hölle zu entführen, erkannte ich sofort, dass sie mir mit Sicherheit nicht meinen Frieden gönnen würde.
Ich erkannte es an dem prüfenden Blick ihrer ungeschminkten Augen und dem viel zu kräftigen Händedruck. Sie hoffte nicht nur darauf, dass ich mich als lohnendes Projekt ihrer mütterlichen Fürsorge erweisen würde. Sie wollte mit aller Macht Gutes an mir tun!
Mir lief es sprichwörtlich kalt den Rücken herunter.
Das hier würde alles noch viel, viel schlimmer werden, als ich es mir ausgemalt hatte.
Ich nahm meine gesamte Konzentration zusammen, um nicht meinen Ekel zu zeigen, sondern eines meiner Standard-Lächeln zu produzieren, das süße Harmlosigkeit als Botschaft hatte. Dieses hatte sich bisher am besten bewährt, um in meinem Gegenüber jede Skepsis auszuräumen und im besten Fall auch jedes Interesse.
In letzter Zeit funktionierte es aber nicht mehr so fehlerfrei wie noch vor ein, zwei Jahren, denn Vertreter des männlichen Geschlechts wurde ich dadurch kaum noch los. Ich hatte mir bereits vorgenommen zu analysieren, woran das lag und dann Korrekturmaßnahmen einzuleiten.
Die flotte Brigitte war zwar augenscheinlich weiblich, reagierte aber dennoch nicht wie gewünscht.
Später sollte ich herausfinden, dass meine Eltern bereits im Vorfeld ein Gespräch mit ihr geführt und mich als schwierigen Fall geschildert hatten.
Was ihren Jagdinstinkt geweckt und mich ins Visier ihres Helferzwangs gerückt hatte. Danke, Eltern. Ihr hattet es echt drauf, beschissene Situationen für mich noch beschissener zu machen.
„Wie schön, dass wir dich dabeihaben, Lily!“, behauptete Brigitte, während sie versuchte, mir die Hand zu zerquetschen. Ich habe nie verstanden, was daran höflich sein sollte, verschwitzte und verkeimte Gliedmaßen zur Begrüßung aneinanderzudrücken.
Wahrscheinlich ein primitives Überbleibsel aus unserer Primatenzeit.
Elben nickten sich leicht aus der Ferne zu, wenn sie Hallo sagen wollten. Das würde mir ebenfalls mehr als genügen.
Und was wollte sie jetzt als Antwort auf diesen dämlichen Satz?
„Ich nehme deine Freude mit Skepsis zur Kenntnis.“ Wäre meine höflichste Antwort gewesen. Aber selbst das würde eher für Verwirrung sorgen. Also, wie immer: lächeln und nicken.
Offensichtlich wurde Schüchternheit eher akzeptiert als Ehrlichkeit.
Beinahe erleichtert entfloh ich Brigittes Händen und Augen die engen Stufen hinauf in das Innere des Busses.
Erst da wurde mir bewusst, dass ich es versäumt hatte, mich von meiner Mutter zu verabschieden. Ich seufzte innerlich tief.
Dafür würde ich mindestens eine Postkarte mehr schreiben müssen.
Ich bemühte mich, besonders engagiert aus dem Fenster zu winken, als wir abfuhren, und ganz kurz spürte ich Mitleid mit meiner Mutter. Wie sie etwas verloren dort stand und ihr hilfloses Gesicht immer kleiner wurde. In diesem Augenblick war ich sogar erleichtert, für drei Wochen dem häuslichen Umfeld aus Vorwürfen und Schuld, Streit und Sprachlosigkeit zu entkommen.
Mochte diese unsägliche Reise zu guter Letzt etwa sogar einen positiven Aspekt offenbaren?
Misstrauisch begann ich meine Mitreisenden zu scannen, soweit mein Röntgenblick sie zu erfassen vermochte.
Ich saß alleine - zum Glück! - auf einem Doppelsitz so ziemlich genau in der Mitte und nicht weit weg vom WC. Wie bereits erwähnt war es nicht unrealistisch, dass meine Übelkeit während der Fahrt mich zum Kotzen zwingen würde.
Ich malte mit dem rechten Fußzeh fünf Mal ganz schnell ein winziges Gesicht und zählte drei Mal auf zehn, einmal in Blau, einmal in Türkis und einmal in Grün.
Links neben mir hatte es sich ein Mädchen am Fenster bequem gemacht. Sie war in etwa mein Alter, das beinahe schwarze Haar in zwei Zöpfen geflochten, pragmatisch gekleidet in Kapuzenpulli und Jeans mit einem offenen, kindlichen Gesicht. Ich tippte auf den Typ sportliche Streberin, die es ungerechterweise schwer hatte, weil sie tatsächlich aus Freude daran viel lernte und nicht, um es anderen recht zu machen. Als sie ein Kindle aus ihrem Rucksack zog, um wahrscheinlich etwas so Ungewöhnliches zu tun, wie einen richtigen Roman zu lesen, wurde sie mir beinahe sympathisch. Solange es sich dabei weder um Mädchen mit Pferden oder Mädchen mit Vampiren handelte. Beides war gleichermaßen scheußlich.
Jedenfalls ordnete ich sie als keine aktuelle Bedrohung ein und scannte weiter.
In der letzten Reihe zum Beispiel ging es bereits um einiges lauter und beunruhigender zu. Es stellte offensichtlich ein Naturgesetz dar, dass sich in den letzten Reihen stets diejenigen sammelten und verbrüderten, die auf irgendeine Art und Weise Ärger machen würden.
Und wenn ich es aus den Augenwinkeln richtig wahrgenommen hatte, war leider auch Finn dort irgendwo dabei.
Direkt vor mir tuschelten zwei Mädchen mit zusammengesteckten Köpfen miteinander, so dass sie in mein Blickfeld gerieten.
Blondiertes Haar blitzte auf, Parfümschwaden wehten herüber, und ich schnappte die Satzfragmente „er schreibt, er vermisst mich schon voll“ und „findest du nicht, dass diese Hose mich fett macht“ auf. Natürlich würde ich mich hüten, Menschen allzu schnell in Klischees zu schubsen, aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass es einen Typ Mädchen gab, mit denen ich nicht gut zurechtkam.
Halt, das war irreführend ausgedrückt. Grundsätzlich kam ich nicht gut zurecht mit Mädchen aller Art, Jungen aller Art und Erwachsenen aller Art, außer diese waren geistig völlig verrückt. Mit den Verrückten fand ich immer erstaunlich schnell eine gemeinsame Ebene.
Aber es gab verschiedene Differenzierungen von „schlecht zurechtkommen“: Durchschnittlich, überdurchschnittlich und total.
Und so selten ich auch in totalitären Maßstäben dachte – wenn solche wie die und solche wie ich aufeinandertrafen, griff normalerweise der Begriff „total schlecht zurechtkommen.“ Nur dass ich dabei meistens den Kürzeren zog. Weil auf meiner Seite gab es immer nur mich. Und auf der anderen herrschte grundsätzlich eine Überzahl. Manchmal fühlte es sich so an wie allein gegen die Welt. Klar klingt das erst mal nach jammervollem Selbstmitleid.
Dabei betrachtete ich die Lage nur mit kühlem Kalkül. Es war eine nüchterne Rechnung:
Wer in diesem Bus könnte einen möglichen Verbündeten darstellen, wer würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Feind beweisen und wer neutral bleiben?
Es gab dreißig Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren in diesem Bus auf dem Weg in drei Wochen voller Spaß, Action und Kreativität. So versprach es wenigstens die wenig vertrauenserweckende Website der Kirchengemeinde.
Aber nur einer davon war deutlich bewusst, dass sie sich mitten in einem Krieg befand. Aber sie wusste noch nicht, dass sie zwar die ein oder andere Schlacht gewinnen würde, aber von Anfang an dazu verdammt war, diesen Krieg zu verlieren.