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b. R. Josef Qimchi (Riqam; ca. 1105–ca. 1170)
ОглавлениеBiographieR. Josef Qimchi (Riqam) war Grammatiker, Exeget und Übersetzer. Er emigrierte aus Andalusien nach Narbonne in der historischen Provinz Languedoc. Zu seinen Schülern zählte u.a. R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières (12. Jahrhundert), der in der Nachfolge Riqams ausschließlich linguistische Kommentare zu den Büchern Ezechiel und Jeremia verfasste (Kasher 2000).
Riqam war es vor allem ein Anliegen, den noch sehr den Derasch-Auslegungen* verhafteten Zeitgenossen die Werke von R. Jehuda Chajjūğ und R. Jona ibn Ğanaḥ (vgl. oben Kap. 1.2.c.) bekannt |111|zu machen. In seiner Grammatik Sefer ha-Zikkaron (‚Buch des Gedächtnisses‘) behandelte er z.B. die Vokale (fünf Lang-, bzw. fünf Kurzvokale), die Stämme pi‘el und hof‘al als distinkte Stämme und erstellte eine umfangreiche Liste von hebräischen Nominalformen. Daneben verfasste er eine Schrift mit dem Titel Sefer ha-Galui (‚Buch der Enthüllung‘), eine Streitschrift gegen Rabbenu Tams Hakhra‘ot auf die Machberet Menachem sowie eine eigene Kritik an der Machberet Menachem (dazu auch Talmage 1972, Introduction).
Riqams BibelkommentareNeben Fragmenten zu einem Pentateuch-Kommentar haben sich von Riqam ein Kommentar zum Buch Mischle (Proverbia; Sefer Chuqqa ‚Buch der Satzung‘), ein Hiob-Kommentar sowie ein Kommentar zum Hohenlied erhalten (nicht alle sind bislang kritisch ediert). Er muss auch einen Kommentar zu den Propheten verfasst haben, denn seine Söhne berufen sich immer wieder auf ihn. Als Bibelausleger betonte Riqam den Peschat* gegen die in der Provence vorherrschende Midrasch-Auslegung* wie Bereschit Rabbati oder Leqach Tov (vgl. oben Kap. 4.1.b.).
Riqams Auslegungen werden mehr als 500 mal und unterschiedlich umfangreich in den Kommentaren seines Sohnes R. David Qimchi (Radaq) zitiert, meistens mit den einleitenden Worten (Perusch) adoni avi (zikhrono livrakha) [‚Auslegung meines Herrn Vater, seligen Angedenkens‘]. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Radaq auch an Stellen, an denen er seinen Vater nicht erwähnt, viel von dessen Auslegung gelernt und verarbeitet hat. Daneben finden sich philologische Referenzen auf ihn vor allem in den Kommentaren von R. Menachem ben Schim‘on aus Posquières und Ja‘aqov ben Ascher.
Riqam als PolemikerNeben einigen liturgischen Werken verfasste Riqam auch den sog. Sefer ha-Berit (‚Das Buch des Bundes‘), der neben Ja‘aqov ben Re’uvens Milchamot ha-Schem als einer der ersten polemischen Traktate gilt, die auf eine sich zunehmend verschärfende christlich-jüdische Auseinandersetzung hinweisen. Im Sefer ha-Berit diskutieren ‚einer, der glaubt‘ (ma’amin) und ein Häretiker (min) vor allem über die theologischen Dauerbrenner dieser Kontroverse, d.h. über die Menschwerdung von Jesus, die sog. ‚Erbsünde‘ und die Zwei-Naturen-Lehre (vgl. Talmage 1972, 1–26). Auch an Riqam lässt sich daher zeigen, dass die Gelehrten aus Spanien und Südfrankreich allein durch die Anwendung verschiedener Genres den zeitgenössischen nordfranzösischen Juden weit voraus waren. Der Sefer ha-Berit ist unter anderem auch deswegen so entscheidend, weil Riqams Sohn Radaq zu großen Teilen später aus diesem Buch geschöpft und viele der dort gebotenen Argumente in seinen eigenen Kommentaren verwendet hat.