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Warum ich die Geschichte erzähle?

Nun, Familien haben Geschichten.

Es gibt keine Familie, die nicht ihre eigene Geschichte hätte. Die Familie Molden, in die ich vor mehr als fünfzig Jahren geheiratet habe, verfügt über ein ganzes Netzwerk von Geschichte und Geschichten.

In dieser Familie wird seit mehreren Generationen Geschichte als Wissenschaft betrieben. Es wurden Gedichte und Romane verfasst. Es werden Sachbücher geschrieben. Es werden Lieder erdichtet. – Und was nicht geschrieben steht, erzählt man sich. Von Generation zu Generation.

So auch die Geschichte von einem Elefanten namens Jakob. Eine interessante Persönlichkeit, dieser Jakob, der eines schönen Tages in der Familie Molden aufgetaucht ist und die Kindheit meines Mannes Fritz Molden verzaubert hat. Dieser Jakob hat ihn ein ganzes Leben lang begleitet.

Am Ende seiner Tage hat Fritz Molden die Geschichte seines Elefanten aufgeschrieben. Es sollte ein Buch daraus werden. Dazu kam es aber nicht.

Schade, fanden viele in der Familie. Fanden Freunde. Fand ich. Es wäre eine Art von heiterem, zärtlichem, spannendem Vermächtnis geworden.

Und Vermächtnisse sollen nicht im Verborgenen bleiben.

Darum erzähle ich diese Geschichte. Auf meine Weise.

Hanna Molden

Sommer 2021

Familiengeschichte wird nie restlos erzählt, weil immer irgendwer der Wahrheit nicht ins Auge sehen will. Die eine Episode wird aufgeblasen, die andere ausgelassen. Dies trifft auch auf die Familie M. zu, deren Geschichte schon oft erzählt wurde. Meine Position in dieser Familie ist ja auch eine ungewöhnliche. Ich bin den M.s kein Onkel, kein Pate, kein Cousin. Dennoch bin ich in gewisser Weise in sie hineingeboren, und durch die daraus resultierende Nähe und meine diskrete Existenz eröffnet sich mir eine einzigartige Perspektive des Beobachters und Chronisten.

Sie werden sich fragen, wer ich denn nun bin.

Ich bin ein ziemlich großer Kerl. Man könnte auch sagen, dass ich gewaltig bin. Ich bin grau. Und faltig. Ich habe schwere Füße, und kleine Augen, von denen manche behaupten, sie seien listig. Meine Ohren sind groß. Sehr groß. Alles in allem: Ich bin eine eindrucksvolle Erscheinung. Ich bin ein Elefant.

Meine Ahnenreihe reicht bis ins Miozän zurück. Was das ist? Eine Phase des Känozoikums. Was das heißt? Die Neuzeit unserer Erde. Was am Ende bedeutet, dass es Elefanten seit rund sieben Millionen Jahren gibt. Eine stattliche Stammesgeschichte, zoologischer Uradel …

Es gibt afrikanische Elefanten und Waldelefanten und asiatische Elefanten. Aber zu denen gehöre ich nicht. Ich wurde nämlich weder im afrikanischen Busch, noch in den tropischen Regenwäldern Afrikas, noch in den Monsunregenwäldern Indiens geboren. Wo und wie ich geboren wurde, bleibt vorerst noch mein Geheimnis.

Der Jahrhundertelefant

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