Читать книгу Reichtum verpflichtet - Hannelore Cayre - Страница 7

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»Meinst du, das ist das passende Outfit für eine Beerdigung?«

»Mensch, das ist mein schönster Trainingsanzug … aus Samt! Und hast du dich selber mal gesehen? Schaust aus wie … Aber uns scheißegal, oder?«

Hildegarde hatte recht, es war uns scheißegal. Wir kamen rüber wie zwei Junkiebräute, stimmt, aber ganz unabhängig von unserer Klamottenwahl würden uns eh alle schräg angucken.

Da war meine Tochter Juliette, ganz in Khaki, sie hatte gerade ihre Camouflagephase. Pistache und Géranium, unsere zwei hässlichen Köter ohne Halsband und Leine, dafür mit Schleife im Nacken. Hildegarde aufgeschickt im schwarzen Samttrainingsanzug und schwarzen Nikes Größe 46, über die sie zum Entstauben flüchtig mit dem Lappen gefahren war. Und zuletzt ich mit meinen neuen japanischen Titan-Orthesen, die mir die Krücken ersparten. Im Moment glich mein Gang mehr oder minder einem Stechschritt, aber das würde sich mit jedem Tag bessern. Klar, auf dem Trocadéro-Friedhof war das alles deplatziert, dort, wo die de Rignys ihre Gruft zwischen der Familie Dassault und der Familie Bouygues hatten.

Da ich die teuerste Anzeige im Figaro gebucht hatte, um das Ableben der Tante mit Pauken und Trompeten zu verkünden, war viel Volk gekommen, aber niemand hatte uns gegrüßt. Mehr noch, zwischen diesen Leuten und uns hatte sich ein Leerraum gebildet, eine Art Sperrgürtel, der ihnen erlaubte, sich von unserer widerlichen Präsenz zu isolieren.

Wer waren die alle? Bridge-Freundinnen? Leute, die sich auf gesellschaftlichen Events rumtreiben? Alte Weiber, die eins ihrer Idole dafür feiern wollten, dass es den Tod so lang hinausgezögert hatte? Keine Ahnung! Acht Monate hatten wir uns um Yvonne gekümmert und in ihrem Stadtpalais nicht einen Besuch empfangen, abgesehen von ihrem Notar und ihrem Bankier. Jedenfalls bin ich sicher, dass uns ihr Ableben am meisten traf. Denn wir hatten die Alte liebgewonnen, vor allem gegen Ende, als sie so weit überschnappte, dass sie uns aus unerfindlichen Gründen den ganzen Tag Les nuits d’une demoiselle von Colette Renard vorsang:

Ich lass mir das Naschwerk lecken

Ich lass mir das Fischchen streicheln

Ich lass mir das Hemdchen steifen

Ich lass mir den Bonbon knabbern

Was mit achtundneunzig Jahren, das müssen Sie zugeben, ganz schön schneidig ist.

Wie auch immer, jetzt war sie seit vier Tagen tot und ich war reich. Unfassbar reich. Infolgedessen – die Reichen sind immer in Eile – hatte ich noch anderes zu tun, als auf einem Friedhof rumzugammeln. In sechs Stunden ging unser Flieger zu unserem neuen Haus auf den Britischen Jungferninseln – Steuerparadies – und nächsten Montag, denn das Ende der Welt sollte man stets an einem Montag einläuten, würden wir uns ans Werk machen.

Vor dieser Gruft, die zu verschließen sich die Totengräber gar nicht mehr die Mühe machten, da die de Rignys wie die Fliegen starben (immerhin sechs in kaum einem Jahr), gedachte ich unseres gemeinsamen Vorfahren Auguste. Ob sein Leben, wie ich es auf diesen wenigen Seiten erzähle, dem von ihm tatsächlich gelebten entspricht, ob sein Charakter so war, wie ich ihn beschreibe, hat keinerlei Bedeutung.

Ihnen die paar Monate im Dasein dieses liebenswerten jungen Mannes zu überliefern, der immer ein bisschen fehl am Platz war, ist eine Möglichkeit, ihm die Substanz und die Unsterblichkeit zu verleihen, die er verdient, und ihm so seine Geste gegenüber meiner Familie zu vergelten. Ihn dem dunkeln Hintergrund und Schoß der Zeit entreißen, wie Shakespeare sagen würde. Auf diese Weise gesellt er sich zu anderen treuen Gefährten, die vielleicht im wahren Leben nicht existieren, sondern nur in jenen Romanen des 19. Jahrhunderts, die mein politisches Denken geprägt und mich zu der gemacht haben, die ich bin.

Reichtum verpflichtet

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