Читать книгу Glück in Salzburg - Hannelore Mezei - Страница 10

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Kapitel 5

Er ist froh, dass er den Freund überreden konnte, mit ihm eine kleine Runde zu laufen. Schließlich hat Fassl den Termin bei Flocks Kardiologen erst um zehn, da bleibt nach dem Frühstück noch Zeit. Die Laufrunde wird dem Franz guttun, denkt Martin, und dass er vielleicht wieder Lust auf Bewegung kriegt. Außerdem haben sie dann Gelegenheit, über Flock zu reden, ohne dass Romana sich einmischt. Franz hat von seinem Chefinspektor grünes Licht bekommen, die Causa Flock ganz vorsichtig auszuleuchten. Promi-Alarm, und kein Wort zu den Medien! Der Glück aus Wien könnte da ja die Taschenlampe halten, meinte Fassl.

Martin trabt absichtlich langsam den Mühlbach entlang. »Fassen wir zusammen: Wer hätte ein Motiv, Flock umzubringen? Vorausgesetzt, dass die leere Schrittmacherbatterie nicht nur ein technisches Versagen war.«

Franz spürt schon nach wenigen Metern eine gewisse Kurzatmigkeit. »Die Ehefrau und ihr Liebhaber, würd ich sagen. Andererseits kommt mir das auch sehr aufgʼlegt vor. Zu offensichtlich. Auf jeden Fall schau ich mir die zwei genauer an.« Er legt einen kurzen Stopp ein, um Luft zu holen.

Martin bleibt brav stehen. »Es könnt ja auch jemand aus dem geschäftlichen Umfeld sein. Ein Konkurrent, ein gʼschasster Angestellter, was immer. Vielleicht hat er auch unsaubere Geschäfte gemacht und jemandem geschadet. Wär ja nicht der Erste in der Branche.«

Fassl nickt zustimmend und setzt sich wieder in Bewegung. »Und das Testament muss man sich auch anschauen, wer davon profitiert. Wer weiß, ob nicht die Romana …«

»Jetzt hörst aber auf!« Martin legt an Tempo zu und läuft dem Freund davon. Franz hechelt hinterher und unterdrückt ein Lachen, als Martin über eine Wurzel stolpert und beinah hinfällt. »Du bist befangen, Martin, und ich glaubʼs ja auch nicht. Aber ausschließen darf man gar nix.«

»Ja, spinnst du? Die Romana hätt doch viel mehr Vorteile gehabt, wenn er sie geheiratet hätt. Glaubst, die murkst ihn ab, bevor sie Frau Flock ist?« Er dreht sich zu Franz um, den er abgehängt hat. »Na, wo bleibst denn jetzt? Hast wohl zu viele Salzburger Nockerl verputzt?« Während die Worte seinen Mund verlassen, bereut er sie schon und schämt sich. Er bleibt stehen und wartet auf den Freund. »Entschuldige, das war gemein von mir.«

»Is scho gut. Mir schmecken die halt. Ich weiß übrigens, wo sie besonders gut sind. Wir könnten …«

Martin winkt ab. Er mag sie nicht, schon beim Anblick könnt ihm schlecht werden. Und irgendwo hat er gelesen, dass die Einheimischen einen weiten Bogen um die Eiweiß-Zucker-Bomben machen.

Sie laufen weiter, obwohl Franz fast am Ende seiner Kräfte ist. Keuchend: »Aber jetzt ehrlich, woher weißt denn, dass das mit dem Heiratsantrag überhaupt stimmt? Die Information haben wir doch nur von der Romana. Und so was ist doch normalerweise immer mit einem Ring verbunden. Und, hat er ihr einen gegeben? Hast du einen gesehen?«

Hat er nicht, das ist allerdings ein Argument. Trotzdem kann Martin sich Romana nicht als Mörderin vorstellen. Intrigen traut er ihr zu, Diebstahl, Betrug, sogar, dass sie eine Nebenbuhlerin im Affekt vors Auto stößt. Aber den Flock töten, ihre Lebensliebe? Nein, auf keinen Fall. »Blödsinn! Wenn der sich schon mit ihr in der Öffentlichkeit zeigt, dann wird das wohl stimmen. Und warum hätte sie sonst drauf gedrängt, dass eine Obduktion gemacht wird?«

»Die wär sowieso g’macht worden.« Franz schaut auf seine Uhr und denkt, dass Tage nicht damit beginnen sollten, dass man sich verausgabt. »Dreh ma jetzt endlich um? Ich muss zur Arbeit!«

Als sie in der Wohnung ankommen, finden sie eine Notiz von Romana. Sie sei in der Stadt, um ein angemessenes Witwenoutfit zu kaufen. »Also, da hätt ma uns die Anstrengung sparen und hier alles gemütlich besprechen können, wenn die eh weg ist«, murmelt Franz und verschwindet im Bad.

***

»Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Pongauer, Facharzt für Kardiologie und Interne Medizin. Keine Kassen« steht auf der Messingtafel. Vornehm, das Haus respektive die Villa im eleganten Vorort Anif. Gründerzeit im Topzustand mit manikürtem Parkgarten und Teich. Allein der Zaun, über den er jetzt späht, dürfte mehr gekostet haben als ein Kontroll­inspektor in zwei Jahren verdient, denkt Fassl mit einem seltenen Anflug von Neid.

Auf sein Läuten öffnet sich das Gartentor geräuschlos, und vor dem Eingang wartet der Hausherr auf den Besucher. Er begrüßt Fassl mit einem herzlichen Händedruck. »Guten Morgen, Herr Inspektor – oder heißt das Kommissar? Ich kenn mich da nie so genau aus. Hab ja auch wenig zu tun mit der Kriminalpolizei.«

»In meinem Fall Kontrollinspektor – Franz Fassbinder.« Auf den ersten Blick erscheint der Hausherr eher jovial als professoral. Vielleicht Anfang fünfzig, blond-grau meliertes, sehr kurz geschnittenes Haar, randlose Brille, mittelgroß, ein schlanker, athletischer Typ mit gepflegter Oberklassenbräune. Ein Sportler, denkt Fassl und tippt auf Segeln und Skifahren, vielleicht noch Golf. Obwohl Pongauer mit Jeans und hellblauem Polohemd leger angezogen ist, umgibt ihn eine Aura von Geld und Macht. Er wirkt grundsätzlich sympathisch, wenn auch seine Freundlichkeit eine kleine Spur herablassend daherkommt. Fassl kennt diesen Typus, für den es ein Polizist halt nie auf Augenhöhe schafft. Hättest in der Schule besser gelernt, denkt er, und dass es super wäre, wenn er den Fall Flock quasi im Alleingang lösen würde. Große Presse in Österreich, die den Helden von Salzburg feiert. Und dann würde ihn seine Ex anflehen, sie wieder in sein Herz zu schließen …

Franz stolpert beinah über den Perserteppich und erwacht aus Tagträumen. Professor Pongauer führt den Besucher in sein Besprechungszimmer. Sie durchqueren den Warteraum, der mit englischen Fauteuils, Designertischen und offenem Kamin eher an einen Salon erinnert. So einen Arzt würde Franz sich nie leisten können. Aber hoffentlich auch nie brauchen. Schnell schickt er ein Versprechen ans Universum, in Zukunft wieder gesünder zu leben. Immerhin war er heute früh schon joggen.

»Sie kommen wegen der schrecklichen Sache mit Hugo Flock, sagten Sie am Telefon. Wie kann ich Ihnen helfen?«, eröffnet Pongauer das Gespräch und bedeutet dem Kontroll­inspektor, auf einem Ledersofa Platz zu nehmen. Er gießt ihm ungefragt stilles Mineralwasser ein, bevor er sich seinem Gast gegenübersetzt.

Fassl räuspert sich. Anfangs schüchtern ihn solche Leute immer ein bisserl ein; erst wenn er was gegen sie in der Hand hat, wächst sein Selbstvertrauen. »Wie Sie ja sicher gehört haben, ist Ihr Patient Hugo Flock während der Jedermann-Premiere an Herzversagen gestorben.«

Der Professor zeigt einen Hauch von Erschütterung. »Ja, das habe ich gelesen. Schrecklich. Und wirklich total überraschend. Hugo, also Herr Flock war in einem guten Allgemeinzustand, wir haben erst am Freitag hier einen Check-up gemacht und seinen Herzschrittmacher kontrolliert.«

»Und da war alles okay? Auch die Batterie?«

Der Tonfall gleitet in leichte Arroganz: »Ja natürlich, was denken Sie denn?«

Wie man denn trotz Schrittmacher an Herzversagen sterben kann, will Fassl jetzt wissen.

Professor Pongauer seufzt, weil er die Fragen von medizinischen Laien dann doch gelinde gesagt lästig findet. »Er wirkt zwar gegen Rhythmusstörungen, kann aber ein Herzversagen, das aus einem anderen Grund auftritt, nicht verhindern. Auf gut Deutsch: Ein Schrittmacher ist ein Hilfsmittel, keine Wundertüte.«

Franz nippt an seinem Glas und stellt es vorsichtig zurück auf den Untersetzer. »Wie funktioniert denn so ein Schrittmacher?«

»Wie eine Zündung, die bei Rhythmusstörungen dem Herzmuskel einen Impuls gibt. Versagt der Herzmuskel selbst, so kann auch der Schrittmacher den Tod nicht verhindern.« Der Professor steht auf und geht zu seinem Schreibtisch. Von dort nimmt er das Modell eines etwa zwei Zentimeter großen Schrittmachers in die Hand und zeigt es seinem Besucher. Der darf das Minigerät sogar anfassen Sieht aus wie ein winziger Schlüsselanhänger, denkt Fassl, spricht es aber nicht aus.

»Der Schrittmacher ist praktisch ein Taktgeber, der von einer Batterie betrieben wird und einen elektrischen Impuls an das Herz übermittelt. Er kommt bei Rhythmusstörungen zum Einsatz, also wenn sich der Herzmuskel nicht regelmäßig zusammenzieht und daher nicht ausreichend sauerstoffreiches Blut in den Organismus pumpt.«

Franz legt das Ding vorsichtig zurück auf den Tisch. »Und das war bei Hugo Flock der Fall?«

»Ja, er hatte einen zu langsamen Herzschlag, sein Gehirn bekam fallweise zu wenig Sauerstoff, daher litt er immer wieder unter Anfällen von Vertigo, Schwindel, ist einmal sogar in Ohnmacht gefallen. Schwindel kann Folge vestibulärer, zentral- oder peripher-nervöser Störungen, aber auch von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sein. Bei ihm war die Bradykardie, der verlangsamte Herzschlag, die Ursache, was bei alten Menschen häufig vorkommt. Daher musste sein Herzmuskel stimuliert werden – mit einem Schrittmacher. Den hat ihm ein Kärntner Kollege, der inzwischen in Pension ist, vor acht Jahren implantiert. Seit einigen Jahren war Hugo Flock nun Patient bei mir. Er kam regelmäßig zu Kontrollen nach Salzburg.«

Franz wundert sich. »Vor acht Jahren? Ja, wie lang hält denn so ein Ding normalerweise?«

»Zwischen sieben und zehn Jahren.« Jetzt betont der Professor jedes Wort: »Die letzte Überprüfung, also die von Freitag, hat eine weitere Lebensdauer der Batterie von mindestens einem Jahr ergeben. Vollkommen funktionstüchtig. Wir haben regelmäßige Kontrollen vereinbart und einen Wechsel des Schrittmachers in circa einem Jahr. Das ist ein kleiner Eingriff, der unter Lokalanästhesie vorgenommen wird …«

»Und was passiert, wenn der Schrittmacher schon vorher ausfällt?«, unterbricht Fassl.

Pongauer sitzt jetzt sehr aufrecht: »Das ist praktisch unmöglich, da der Batteriestand ja regelmäßig vom Arzt kontrolliert wird.« Dann erklärt der Professor, dass die Überprüfungen mit Hilfe eines Steuergeräts durchgeführt würden. Das Steuergerät sei ein Computer mit spezieller Software. »Für die Kontrolle wird eine Elektrode auf die Haut des Patienten aufgelegt, die dem Computer alle Daten übermittelt: Ob es Störungen des Schrittmachers gab, ob die individuell auf den Patienten eingestellte Herzfrequenz immer noch stimmt, wie der Batteriestand ist …«

Franz ist seinem Handy dankbar, dass es das Gespräch aufnimmt, denn mit den Notizen käme er nicht nach. »Gibt es denn für jeden Schrittmacher ein eigenes Steuergerät?«

Pongauer lächelt. »Nein, natürlich nicht. In dem Gerät sind mehrere Schrittmacher gespeichert. Man ruft sie mit der jeweiligen Herstellernummer ab.«

Jetzt ist Franz elektrisiert: »Könnte jemand so einen Schrittmacher hacken?«

Der Professor sieht ihn erstaunt an. »Sie meinen, ob man jemanden durch Manipulation des Schrittmachers umbringen kann?« Er legt eine Pause ein und sieht sein Gegenüber forschend an. »Ja, gibt es denn da einen Verdacht?«

Fassl weicht aus. »Kann man – theoretisch?«

Der Arzt wirkt zum ersten Mal verunsichert, ringt nach Worten: »Sehr unwahrscheinlich. Ich meine, also, es gibt angeblich Handy-Apps, die das Gerät stören könnten. Dadurch würde der Patient aber nicht sterben, sondern der Schrittmacher liefe auf einer Basisfunktion weiter. Die Einstellungen der Herzfrequenz und Ähnliches kann man aber nur über das Steuergerät verändern. Und dazu hat niemand außer dem Arzt Zugang. Von außerhalb geht das nicht.« Pongauer schaut auf seine Uhr. Das Kolloquium für den Polizisten dauert jetzt aber schon sehr lang. Es ist schließlich sein freier Tag, und er hat noch eine Tennis-Verabredung.

»Und Ihr Gerät hat am Freitag bei Herrn Flocks Schrittmacher den Batteriestand definitiv richtig gemessen?« Fassl ignoriert den Blick zur Uhr.

Der Arzt denkt, dass er jetzt gerne eine Zigarette rauchen würde, doch das tut er grundsätzlich niemals vor anderen, seine Frau ausgenommen, die kennt ihn schließlich mit all seinen Schwächen. Er findet die Fragen des Polizisten langsam penetrant. »Ja, das haben wir gemessen, und wie ich bereits sagte, war die Batterie definitiv und zweifelsfrei ausreichend für ein weiteres Jahr! Wenn Sie mich jetzt entschuldigen …« Der Professor erhebt sich, um zu zeigen, dass die Audienz beendet ist.

Glück in Salzburg

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