Читать книгу Glück in Salzburg - Hannelore Mezei - Страница 9
ОглавлениеKapitel 4
Martin öffnet die Augen und schließt sie gleich wieder. Zu viel Sonne zu früh am Morgen! Beim zweiten Anlauf hält er dem grellen Morgenlicht schon eher stand. Ein Blick auf seine Uhr zeigt außerdem halb zehn. Von wegen »zu früh am Morgen«!
Freund Fassl muss längst im Büro sein, er hat nur vage mitbekommen, wie die Tür ins Schloss fiel. Martin streckt sich in dem Gästebett, das gar nicht so unbequem ist. Schön, einmal richtig auszuschlafen! Natürlich wird er der Sache mit der Briefkastenfirma nachgehen, wenn er von der Postdirektion den Namen bekommt. Aber das hindert ihn ja nicht daran, den Tag gemütlich zu beginnen. Allerdings mit einer kleinen Sorge und einem Anflug von schlechtem Gewissen beim Gedanken an Romana. Er hätte gestern vielleicht doch länger bei ihr bleiben sollen. Aber sie ist andererseits nicht der Typ, der in Selbstmitleid versinkt. Und in welchem Maß ihre jetzige Verzweiflung ausschließlich von der Trauer um Flock getragen wird, weiß er auch nicht. Die entgangenen Milliarden dürften wohl auch eine Rolle spielen …
Nach ein paar Dehnungsübungen springt er aus dem Bett. Der Blick aus dem Fenster hält, was die Sonnenstrahlen versprochen haben: Salzburg einmal nicht im legendären Schnürlregen, sondern bei prachtvollem Juliwetter. Wohin soll er zuerst? Vielleicht auf den Mönchsberg? Oder den Kapuzinerberg? Salzburg von oben wär für den Auftakt gar nicht schlecht.
Zwanzig Kniebeugen und eine Dusche später ist er bereit für die Herausforderungen, die Fassls komplizierte Kaffeemaschine an ihn stellt. Zwar hat dieser sie ihm gestern Nacht noch erklärt, doch Martin hat alles wieder vergessen, und die vielen Knöpfe an dem Gerät machen die Sache nicht besser. Er holt das Handy aus der Jackentasche, um Fassl zu fragen. Zwei Anrufe von Romana auf dem Display, er hatte vor dem Schlafengehen auf stumm geschaltet. Okay, sie tut ihm leid. Aber er sich auch. Also alles schön der Reihe nach: zuerst Fassl, dann Kaffee, Frühstück, ein Telefonat mit Romana und nachher auf den Mönchsberg.
»Hast gʼschaut, ob der Stecker drin ist? Die Steckdose ist ganz unten hinter dem Eckkastel«, verrät Franz am Telefon gleich die Lösung des Problems. »Den zieh ich nämlich immer raus, weil wenn die Kaffeemaschine gleichzeitig mit dem Geschirrspüler – na ja, ist ja auch egal. Probier jetzt noch einmal.«
Haut hin – der Tag kann beginnen. Martin macht es sich mit Kaffee, Schinken, Käse, Butter und Bauernbrot am Küchentisch gemütlich. Kaum hat er mit dem Frühstück begonnen, ruft Franz zurück.
»Funktioniert alles bestens, danke der Nachfrage.«
»Deswegen ruf ich nicht an. Wir haben einen Notruf hereinbekommen. Einbruch. Weißt wo? In der Franz-Josef-Straße. Und der Anruf kam von einer gewissen Romana Flock.«
Das Urlaubsfrühstücksgefühl endet abrupt. »Einbruch? Wieso Flock? Damit hat sie bestimmt das Türschild gemeint.« Martin ist sich aber gar nicht so sicher, ob Romanas Fantasie nicht mit ihr durchgegangen ist.
»Der Kollege, der am Telefon war, sagt, sie war total aufgeregt und hat geschrien, sie werde bedroht. Vielleicht war ja doch was nicht ganz koscher mit dem Tod vom Flock. Wir sind jedenfalls schon unterwegs.«
Martin ist der Appetit vergangen. Und er fragt sich, ob sie wirklich in Gefahr ist oder wieder einmal Theater spielt. Romanas Ein-Personen-Stück in der Kategorie Drama. Trotzdem: »Darf ich mit?«
Fassl versteht. »Ja, schon. Als Freund des Opfers, rein privat halt, zur moralischen Unterstützung. Aber nicht offiziell, eh klar! Also, bis gleich.«
Martin zieht sich hastig an und macht sich auf den Weg. Bevor er auf die Müllner Hauptstraße in Richtung Staatsbrücke fährt, hält er an und kauft sich die Salzburger Nachrichten und zwei Wiener Zeitungen. Der Tod des Hugo Flock während der Jedermann-Premiere beherrscht die Schlagzeilen. Einer der reichsten Männer Österreichs erleidet eine Herzattacke, während auf der Bühne der Tod seinen Auftritt hat. Ein gefundenes Fressen für Journalisten: Der Jedermann-Tod. Gevatter Hein holt sich Millionär aus dem Publikum. Hugo Flock überlebt Jedermann-Premiere nicht. Vom Leben und Sterben des reichen Mannes … Martin überfliegt nur kurz die Überschriften, bevor er weiterfährt. Auf einem der Fotos ist neben Flock auch Romana zu sehen. In einem grünen Glitzerkleid, das Martin sehr verwegen findet.
Vor dem Wohnhaus steht ein Polizeiwagen, dort hat ein uniformierter Kollege Posten bezogen, der Martin nach einem Blick auf den Dienstausweis durchwinkt. Ein paar Reporter und Fotografen stehen gelangweilt herum und warten, dass es Neues zu berichten gibt. Schon im Erdgeschoss hört Martin Stimmen. Laut, anklagend, im Befehlston – Romanas unverkennbare Altstimme. Dazu hoch und schrill eine zweite Frauenstimme. Und dazwischen Fassls beruhigender Bariton. Er nimmt zwei Stufen auf einmal und ist blitzschnell in der Wohnung, deren Tür offen steht. Alle sind in der prächtigen Eingangshalle versammelt. Links von Franz Romana in einem ziemlich transparenten Baby-Doll … Meine Güte!! Martin versucht, nicht hinzusehen.
Rechts von Franz eine blonde Frau, vielleicht Mitte dreißig, in einem schwarzen Kostüm mit High Heels, Hut und jeder Menge Schmuck. Fassl ist mit enormem Körpereinsatz beschäftigt, die beiden Frauen auseinanderzuhalten.
»Das ist die Einbrecherin! Festnehmen!«, befiehlt Romana, als sie Martin sieht. Zur deutlich Jüngeren: »Verschwinden Sie gefälligst aus meiner Wohnung!«
»Ihre Wohnung??«, kreischt es zurück. »Das ist meine Wohnung, ich bin schließlich die Witwe von Hugo, und Sie bloß sein Pantscherl! Und ganz zufällig hab ich einen Schlüssel, nämlich meinen Schlüssel.«
Romana ist seltsamerweise nicht beeindruckt: »Die Ex-Witwe – und ich bin seine Verlobte! Und Sie sind außerdem eine Mörderin! Nachdem Sie ihn schon nach Strich und Faden belogen und betrogen haben …«
Die Blondine tötet Romana mit Blicken und lächelt dann Martin verführerisch an, der seinerseits versucht, an Romana im Baby Doll vorbeizusehen: »Haben Sie das gehört, Inspektor? Ich zeige diese alte Hexe wegen Verleumdung an – und Hausfriedensbruch und …«
Sie hat irgendwie recht, denkt Martin und versucht ein Ablenkungsmanöver: »Wo ist eigentlich der Leibwächter?«
Iris Flock fällt darauf rein. »Richtig, das frag ich mich auch. Er ist schließlich unser Bodyguard, der mich vor Weibern wie diesem schützen soll. Und wo, bitte schön, ist Frau Fritzi?«
Romana weicht kein Jota. »Unsere Haushälterin war heut früh da, um mich zu versorgen und zu trösten, die Liebe. Sie ist jetzt einkaufen. Und der böse Wolf hat den Schauplatz verlassen, nachdem Hugo vom Domplatz abtransportiert …« Sie hält inne und schluchzt einmal tief, während Iris Flock entsetzt aufschreit und den Verlust eines Fingernagels beklagt, eine Folge des kleinen Handgemenges, bevor Fassl eingeschritten ist.
***
Eine Stunde später sitzt Romana neben Martin im Auto. In einem grün-blau gemusterten Kleid. Auf dem Rücksitz und im Kofferraum ihr umfangreiches Fluchtgepäck. Sie sind unterwegs zum Hotel Stein. »Wenn ich schon nicht in unserer gemeinsamen Wohnung bleiben kann, dann will ich dorthin, wo wir uns verlobt haben«, hat sie sich nach ihrem unfreiwilligen Auszug für das Ausweichquartier entschieden.
»Schau, es ist nicht eure Wohnung, sondern sie hat Flock gehört, und es war die gemeinsame Wohnung von ihm und seiner Frau«, versucht Martin seine Freundin aus ihrem Luftschloss in die Realität zurückzuholen. »Das mit dir hätt sein können, war aber halt nicht. Iris Flock ist die Witwe, nicht du.«
»Mörderin!«, zischt Romana.
»Hast eigentlich ein Zimmer reserviert? Ich kann mir nicht vorstellen, dass während der Festspiele irgendwas frei ist.«
Sein Telefon klingelt, und Martin hält am Straßenrand.
Fassl: »Hast die Romana schon ins Hotel gebracht?«
»Nein. Noch unterwegs«, antwortet er kryptisch.
»Du, das vorläufige Obduktionsergebnis ist da.«
Martin war noch nie so froh, keine Freisprecheinrichtung zu haben, wechselt mit dem Handy zum anderen Ohr, damit seine Beifahrerin nichts hört, und schaltet die Lautstärke auf minimal.
»Und, alles okay?«, fragt er nach.
»Ich weiß nicht. Der Herzschrittmacher hat offenbar ausgesetzt, weil die Batterie leer war. Und der Leichenaufschneider meint, dass dadurch der Herzstillstand ausgelöst wurde.«
Jetzt ist das Telefon wieder zu leise, und er versteht nur Herzschrittmacher. »Schlechter Empfang, ich ruf wieder an«, würgt er das Gespräch ab.
Doch Romana hat dem Telefonat gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auf ihrem Handy ein Foto von Hugo in Badehose am Wörthersee betrachtet. »Schau, er war schon irgendwie fesch, auch in seinem Alter noch.« Sie hält Martin das Bild hin. Der murmelt Unverständliches, legt den Gang ein und fährt weiter in Richtung Giselakai. Romana liest derweil die Zeitungen, die er gekauft hat. Die Schlagzeilen hauptsächlich, und sie sieht sich auf der Titelseite der Salzburger Nachrichten. Bildunterschrift: »Die unbekannte Begleiterin des Wörthersee-Milliardärs auf dem Weg zur Jedermann-Premiere.« Sie findet, dass sie gut getroffen ist, Blitzlicht ist immer günstig gegen Falten. »Hast das Foto gesehen, Martin? Da waren wir noch glücklich, der Hugo und ich. Bevor die Mordwitwe zugeschlagen hat!«
Martin sagt nichts und fährt vor dem Hotel Stein vor. Wartet im Wagen und beobachtet mit leichtem Unbehagen die Touristenmassen, die sich auf dem Makartsteg über die Salzach wälzen. Er ist froh, im ruhigen Maxglan zu wohnen. Auf der rechten Uferseite, gleich nach den Hotels Stein und Sacher reißt der Besucherstrom dann abrupt ab. Lediglich ein paar Jogger und Radfahrer bevölkern den autofreien Uferweg. Eine schöne Laufstrecke mit Blick auf die Altstadt am anderen Salzachufer. Er hat Lust, in den nächsten Tagen hier eine Runde zu laufen.
Schnell checkt er auf dem Handy seine Mails. Eine ist von Barbara, seiner Wiener Assistentin. Es sei noch keine Antwort der Postdirektion auf seine Anfrage eingetroffen. Könnte dauern, bis die den Namen des Postfachbesitzers herausgeben, über das die Anabolikabestellungen laufen. Verdammte Datenschutzverordnung! Nun, dann wird er morgen eben Plan B in die Tat umsetzen.
***
Martin hat sich nicht getraut, Fassl am Telefon darum zu bitten. Also sind sie nach abenteuerlichen Wegen durch Salzburg und zahllosen Telefonaten auf der Suche nach einem Zimmer vor dem Wohnhaus des Freundes gelandet. Nicht nur Romanas romantische Vorstellung von einer Suite im »Verlobungshotel« Stein ist dahin, es gab überhaupt kein einziges freies Zimmer in einem guten oder zumindest akzeptablen Hotel. Zunächst wollte er Romana überreden, nach Kärnten zurückzufahren. Dann aber ist ihm eingefallen, dass man sie hier noch als Zeugin brauchen wird. »Vielleicht hat ja die Polizei noch eine Ausnüchterungszelle zum Übernachten frei.« Sein Scherz wurde mit eisigem Schweigen beantwortet.
Jetzt sitzen sie erschöpft, hungrig und Romana sogar etwas kleinlaut im Auto. Schließlich entscheidet sich Martin, erst einmal allein zu Fassl raufzugehen.
»Schau, ich weiß, Franz, es ist eine Zumutung in der kleinen Wohnung. Aber es wär nur für eine Nacht. Und ich schlaf halt auf dem Fußboden. Morgen suchen wir in der Umgebung von Salzburg was für sie.«
Wie immer erweist sich Fassl als echter Freund, der auch Freunden des Freundes hilft. »Eh klar, wir können sie ja nicht auf der Straße übernachten lassen. Überlass ihr dein Sofa im Wohnzimmer, musst dann halt zu mir ins Ehebett ziehen.« Er zwinkert vielsagend, dann müssen beide lachen.
»Danke, Franz, das vergess ich dir nie.« Martin umarmt ihn.
»Na, na, spar dir die Zärtlichkeiten für später auf.« Fassl muss immer Witze machen, wenn er gerührt ist. »Aber eine Bedingung hab ich schon: Sie soll nur eine Tasche mit heraufbringen, der Rest vom Gepäck muss im Auto bleiben. Hier ist wirklich kein Platz.« Das kann Martin bestätigen. In den Kästen und Laden hat keine Büroklammer mehr Platz, er selbst hat seine Habseligkeiten an eine Garderobenstange gehängt und den Rest im Koffer gelassen.
Martin ist schon halb aus der Tür, um Romana zu holen. Da fällt ihm noch etwas ein: »Du, Franz, was war das heute mit der Obduktion vom Flock? Ich hab nur ›Herzschrittmacher‹ verstanden.«
»Na, die Batterie war leer, haben sie festgestellt, als sie das Gerät untersuchten. Schon seltsam. Wird so was denn nicht rechtzeitig angezeigt?«
Martin spürt ein undefinierbares Kribbeln im Bauch, das Gefühl kennt er: »Die Batterie leer? Das gibt’s ja gar nicht. Der Flock war Freitag bei seinem Salzburger Kardiologen zur Kontrolle, hat Romana gesagt. Und da war noch alles in Ordnung mit dem Herzschrittmacher.«
Die beiden sehen einander an. Sie sagen nichts, doch denken das Gleiche: Und wenn Flock doch ermordet wurde? Aber wie, zum Teufel? Wie?
***
»Hast da Steine drin?« Martin schleppt Romanas größten Koffer die zwei Stockwerke zu Fassls Wohnung hinauf.
»Nur das Allernötigste. Hast lang nicht trainiert, gell, Bub?«
Martin verkneift sich eine Antwort. Typisch Romana, ihre demütigen Phasen sind immer sehr kurz.
Als sie oben ankommen, steht Fassl in der Tür, umarmt den Überraschungsgast und nimmt Martin anschließend den Koffer ab. Nachdem Romana »ihr« Zimmer bezogen hat und Martin ins Schlafzimmer übergesiedelt ist, setzen sie sich am Küchentisch zusammen. Der Gastgeber kredenzt ein Willkommensschnapserl und Brot mit Grammelschmalz. »Wisst ihr was? Nach der ganzen Odyssee heute habtʼs ihr beide sicher einen Mordshunger. Ich übrigens auch. Also hab ich einen Tisch im Gasthaus Zur Einkehr gleich um die Ecke reserviert. Schöner Gastgarten, super Gulasch, Kaspressknödel, und auch sonst gute Hausmannskost.« In seiner Vorfreude auf die Köstlichkeiten schiebt sich Franz zwei Grammelschmalzhappen gleichzeitig in den Mund.
Romanas und Martins Blicke treffen sich auf Fassls Körpermitte. Romana setzt gerade zu einer Bemerkung an, überlegt es sich aber im letzten Moment. Kein Bett frei in Salzburg, da muss man den Gastgeber behandeln wie ein rohes Ei.
Die Umgebung von Fassls Wohnung entpuppt sich als Vorstadtidylle frei vom Festspieltrubel. Die drei spazieren vorbei an kleinen Einfamilienhäusern und gepflegten Gärten, machen Radfahrern und Hunden samt deren Besitzern Platz. Der Bach plätschert, die Vögel zwitschern. Ab und zu stört ein Auto. Romana ächzt, obwohl sie keine zehn Minuten gehen. Aber sie trägt auch Stöckelschuhe, die alles andere als bequem sind. Schließlich hakt sie sich bei ihrem rohen Ei unter und beschließt, einen Abend lang nur charmant zu sein, auch wenn sie unendlich wütend ist. Wütend auf Hugo, der sich einfach so davongemacht hat.
Bei Wein und Bier nach dem Essen kommt das Gespräch natürlich auf Flock. Romana beharrt auf ihrer Mordtheorie, und diesmal widersprechen die beiden nicht. Fassl fragt nach: »Wie kommen S’ denn drauf, dass er ermordet wurde? Gibt’s irgendwelche Anhaltspunkte?«
Jetzt ist Romana in ihrem Element, sie sprudelt förmlich über vor Insiderwissen. Erzählt von der untreuen Ehefrau, die es mit dem Tod-Einspringer aus dem Jedermann getrieben hat. Schon länger. »Der Hugo war eh schon misstrauisch geworden und hat dann den Wolf, seinen Bodyguard, darauf angesetzt. Als er die Wahrheit über die zwei erfahren hat, ist grad sein Sohn Christian im Sterben gelegen. Das war alles zu viel für ihn, obwohl der Hugo eigentlich hart im Nehmen ist – war. Der einzige Sohn und Erbe! Er hat zwar noch eine Tochter, aber die lebt irgendwo in Südamerika und züchtet Lamas. Oder Alpakas? Wurscht, irgendwelche exotischen Viecher halt. Der arme Hugo! Ich war in dieser schrecklichen Zeit seine einzige Stütze.« Sie schluckt und hält die Tränen zurück. »Und dann noch die Drohbriefe.«
»Welche Drohbriefe?« Franz und Martin gemeinsam.
Sie mag es, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. »Eigentlich waren es ja SMS. Natürlich anonym. Aber ich bin sicher, dass die von der Tussi und diesem Paul Neumann, ihrem Liebhaber, kamen. Die Iris war ja ganz panisch, als der Hugo ihr eröffnet hat, dass er die Scheidung will. Es gab da einen Ehevertrag, im Fall der erwiesenen Untreue hätt die Schlampe gar nix gekriegt. Wollt ihr die SMS sehen? Ich hab nämlich Hugos Handy … Ja, ich weiß, hätt ich nicht behalten dürfen, aber ich war so außer mir. Es war ja in meiner Handtasche, weil in seinem Smoking kein Platz dafür war …«
Kein Wort des Tadels, Franz und Martin wollen Flocks Handy unbedingt sehen. Und weil Romana auch noch das Passwort kennt, finden sie unter den Nachrichten zwei SMS, die schon bedrohlich klingen. »Wenn du deine Absicht nicht änderst, wirst die Reis alsbald antreten!« Und eine zweite Nachricht: »Und der Tod mir grausam die Kehle zuschnürt.«
»Das ist aus dem Jedermann«, weiß Romana, und ihre Zuhörer sind beeindruckt. Ihre Stimme klingt triumphierend: »Die SMS können nur vom Neumann stammen. Liebhaber, Schauspieler und Ersatztod im Jedermann. Ist doch ein Klassiker, oder?«
Fassl nimmt das Handy an sich. »Vielleicht können unsere Techniker da mehr rauskriegen.«
Alle drei fahren erschrocken in die Höhe, als Martins Telefon plötzlich läutet. Rüdigers Stimme, und er bereut sofort, dass er das Gespräch angenommen hat.
»Du, Martin, ich hab gehört, dass du in Salzburg bist. Perfektes Timing! Meine Recherchen führen mich nämlich auch in die schöne Stadt an der Salzach. Ich komm morgen Mittag an. Wir müssen uns unbedingt treffen. Ich hab da über den Medikamentenhandel total Brisantes erfahren. Da sollten wir unbedingt zusammenarbeiten. Ich meld mich, sobald ich da bin. Vale, mein Lieber.« Noch bevor Martin antworten kann, hat Rüdiger aufgelegt.
Martin ist sauer. So eine blöde Angewohnheit von Rüdiger, lateinische Brocken einzustreuen. Den Teufel wird er tun, mit Rüdiger zusammenzuarbeiten!
***
»Der Liebhaber wird doch nicht so blöd sein und solche Nachrichten schicken, wenn er den Alten wirklich umbringen will«, flüstert Fassl, als sie nebeneinander im Ehebett liegen.
Martin, genauso leise: »Oder er ist besonders clever! Aber andererseits, wie kann der denn die Batterie von dem Herzschrittmacher ausschalten? Das funktioniert ja gar nicht!«
»Vielleicht doch? Ich geh morgen jedenfalls einmal zu seinem Kardiologen, der wird da ja Genaueres wissen.«
»Wieso? Bist du jetzt doch für den Fall zuständig, Franz?«
»Bisher warʼs ja kein Fall, und da hat sich ein Kollege drum gekümmert. Der ist aber krank geworden, Sommergrippe, hat mich heut Nachmittag angerufen. Jetzt werd ich schauen, dass ich ihn krieg, diesen Fall. Kannst mich ja unterstützen, Martin, wenn du neben deiner Anabolika-g’schicht noch Zeit hast. Schließlich hängt deine Freundin da auch mit drin.«
Aus dem Wohnzimmer hören sie Romanas durchdringendes Schnarchen. Während Martin trotzdem irgendwann einschläft, träumt Fassl noch eine Zeit lang, wie es wäre, wenn statt Martin jetzt seine Jutta neben ihm läge. Dann schnarcht auch er.