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Kapitel 1

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Gegenwart

Während Maggie Heidfeld mit leerem Blick aus dem Fenster des fast lautlos dahinschwebenden ICE in die unendliche Ferne blickte, tastete sie zum wiederholten Mal das Innere ihrer eigentlich zu großen Handtasche mit der Herkunft irgendeines Supermarktes ab, bis sie schließlich das kalte Metall der Walther PPK auf ihrer Haut spürte.

Ihre Hand umfasste den harten Griff der Waffe und ihre Fingerspitzen glitten über die Riffelung der Hartholzschalen. Ein Schaudern ging bei der Berührung durch ihren Körper. Ihr Daumen fasste den Hahn und zog ihn ein bis zwei Millimeter nach hinten, um ihn dann wieder behutsam in die Ausgangsstellung zurückzuführen.

Maggie verspürte ein eigentümliches Gefühl in der Magengegend, als sie die klobige Tasche schloss und daran dachte, dass gerade sie mit einer Waffe unterwegs war. Zeitlebens war sie ein Feind von Gewalt gewesen, hatte das Morden in den zahlreichen Kriegen nie nachvollziehen können und sie hatte es ihrem Vater stets übelgenommen, damals, als sie Kind war, wenn er die kleine Pistole auseinandernahm und reinigte. Es war schon allein der Besitz, den sie verachtete.

Die Waffe hatte ihrem Vater gehört. Jerry Thompson. Doch der brauchte sie nicht mehr. Er brauchte sie nicht mehr, seit sie 12 Jahre alt war. Heute, mit 30, dachte sie anders über Waffen. Vielleicht lebte er noch, wenn er dieses kleine metallene Mordinstrument bei der Hand gehabt hätte. Das war 1994. Er war 33. Damals starb er. Nicht auf natürliche Weise. Um es genau zu sagen, er starb an den Folgen eines einzigen Schlages. Es war ein Baseball-Schläger. Er traf ihn mitten ins Gesicht und deformierte es bis zur Unkenntlichkeit. Ihr Vater hatte keine Chance. Es waren vier Männer, bewaffnete Männer. Es waren dieselben Männer, die sich auch auf ihre Mutter gestürzt hatten und ihr das Schlimmste angetan hatten, was man einer Frau antun konnte.

Damals war Maggie 12. Ein fröhliches Kind wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter. Bis zu jenem Tag. Von da an war ihr Herz kalt. Es war mehr und mehr erfroren, wie der Winter, der langsam hereinbrach und schließlich eine Eiseskälte über das Land hauchte. In ihrem Herzen war kein Platz mehr für die schönen Dinge des Lebens. Damals hatte sie sich geschworen, die Mörder ihres Vaters zu finden.

Dann starb die Mutter, mit 38. Sie hatte es nie verwunden, was man ihrem Mann und ihr angetan hatte. Man fand sie in der Scheune, erhängt. Einen Abschiedsbrief hatte sie ihrer Tochter an ihrem Todestag hinterlassen, einen Tag nach Maggies achtzehntem Geburtstag.

Maggie wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie hatte lange nicht mehr geweint, zu stark war ihr seelischer Schmerz. Mit fahriger Hand öffnete sie erneut die billige Handtasche und fasste hinein. Ihre Hand suchte nach einem Fach an der Innenseite und fühlte ein Stück Papier, den letzten Gruß ihrer Mutter. Ihre zarten Finger ballten sich zur Faust und ohne es wahrzunehmen, zerknüllten sie das, was sie umklammerten, als sie die Erinnerungen überfielen.

Der Weg des Bösen

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