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III. Erste Jahre im preußischen Dienst. Heirat

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Im Dezember 1779 ging Stein über Dresden nach Berlin, wo er Ende Januar 1780 eintraf und bald eine Audienz bei Friedrich d.Gr. hatte. Hier fand er in Friedrich Anton von Heinitz, dem Leiter des Berg- und Hüttendepartements mit dem Titel eines Staatsministers, einem Freund seiner Eltern, einen tatkräftigen Förderer. Er wurde zum Königlichen Kammerherr ernannt und in Heinitz’ Ressort übernommen. Damit stand er vor einer Laufbahn, zu der ihm, wie er in der Autobiographie sagte, „alle Vorkenntnisse fehlten.“6 Er erwarb das nötige Wissen durch eifrige Lektüre, durch Studien an einer Spezialschule in Berlin und an den Bergakademien in Freiberg und Clausthal und auf Dienstreisen mit Heinitz durch mehrere preußische Provinzen und Holland. 1781 kehrte er von einer solchen Reise nach Ostpreußen gemeinsam mit seinem Kollegen und vertrautem Freund durch mehr als drei Jahrzehnte Graf Friedrich Wilhelm von Reden, der 1802 nach Heinitz’ Tod dessen Nachfolger wurde, über Polen und Schlesien nach Berlin zurück. In dem darüber mit Reden erstatteten Bericht ließ er erstmals seine wirtschaftlichen, sozialen und politischen Grundvorstellungen erkennen. Er maß Polen an den Ländern, „wo Freiheit, Gleichheit in der Verteilung des Vermögens und eine Gesetzgebung, welche die Rechte der Menschheit beschützt“, bestanden, also an Verhältnissen, die noch nirgends gegeben waren, und kam nach diesen Kriterien zu einem sehr negativen Urteil. Die Bevölkerung sei in nur zwei Klassen geteilt, den Adel und das Bauerntum. Ersterer genieße alle Vorteile des Vermögens und der bürgerlichen Gesellschaft, Letztere seien dem „ganzen Druck der Armut und der Sklaverei überlassen.“ Das Eigentum des Vermögens und der persönlichen Kräfte des größten Teils der Nation unterliege der Willkür einer sehr kleinen Zahl. So erlösche der Trieb zur Tätigkeit, der eine Folge der Begierde sei, glücklicher zu werden. In Polen fehle, konstatierte er weiter, „der ganze Mittel- oder Bürgerstand, der dem Staat die aufgeklärtesten und tätigsten Menschen zu liefern pflegt.“ So prognostizierte er dem Land einen Niedergang statt einer Verbesserung seiner Situation.7 Das Memorandum enthielt einen Kerngedanken des Liberalismus, dass nämlich die Verfolgung des eigenen Interesses dem Gesamtinteresse diene, und es war insgesamt ein Bekenntnis zur Förderung von Freiheit und Eigentum. Darauf kam Stein in späteren Denkschriften immer wieder zurück.

Am 29. Mai 1783 starb Steins Mutter nach nur fünftägiger Krankheit. Ihr Tod traf ihn schwer. Nichts könne ihn über diesen unvorhergesehenen Schlag hinwegtrösten, schrieb er an Reden. Da sein Vater leidend und deshalb der Verwaltung der Güter nicht mehr voll gewachsen war, hätte Stein sich nun aus dem Staatsdienst zurückziehen können, um sich in Nassau den dortigen Geschäften zu widmen. Er entschied sich aber für das Verbleiben im Amt, sodass seine Schwester Marianne ihm viele seiner Nassauer Aufgaben abnehmen musste; sie tat das freudig und mit gutem Ertrag.

Im Frühjahr 1784 wurde Stein mit Dienstsitz in Wetter die Leitung der Bergämter in Wetter und Ibbenbüren und der Bergwerkskommission für Minden-Ravensberg übertragen. Er hatte sich nicht nur um den Bergbau im technischen Sinne zu kümmern, sondern auch um das Forstwesen, soweit es für die Bergwerke wichtig war, und um die Verbesserung der Absatz- und Transportwege. Das war ein weites Aufgabengebiet. Er arbeitete sich schnell ein und machte wiederholt Reformvorschläge. Schon nach nur einem Jahr musste er dieses Wirken unterbrechen. Von Mai bis Oktober 1785 war er in Mainz, Darmstadt und Zweibrücken in diplomatischer Mission tätig. Er sollte die dortigen Herrscher für den Beitritt zum Deutschen Fürstenbund gewinnen, den Preußen dem Streben des Kaisers nach bedeutenden territorialen Veränderungen im Reich entgegenstellte. Dieser Aufgabe entledigte er sich mit großem Erfolg, dachte aber nicht daran, sich dauerhaft der Diplomatie zuzuwenden. Spätere Angebote, Preußen in Den Haag und St. Petersburg zu vertreten, lehnte er ab. Nach dem Zwischenspiel im auswärtigen Dienst kehrte er nach Wetter zurück. Von Anfang Dezember 1786 bis Juli 1787 machte er – auf eigene Kosten – eine Studienreise nach England, um den neuesten Stand des Berg- und Hüttenwesens kennenzulernen. Ihr Ertrag war geringer als erhofft, weil die Engländer nicht geneigt waren, ihm überall Einblick zu gewähren. Im November 1787 wurde er, gerade 30 Jahre alt, zum Zweiten Direktor der soeben errichteten Kriegs- und Domänenkammer in Hamm ernannt. In gleicher Funktion wirkte er auch an der Kammer in Kleve. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte auch die Aufsicht über die Fabriken und den Wege- und Wasserbau. Ein knappes Jahr später wurde er Erster Direktor der Kammer in Kleve und hatte sich fortan auch um die Landtagssachen zu kümmern. Daneben setzte er seine Tätigkeit in Hamm fort. Sein westfälischer Wirkungskreis war nicht allzu weit von Nassau entfernt. So konnte er sich wiederholt nach dort begeben. Im Oktober 1788 weilte er mehrere Wochen in seinem Elternhaus und pflegte seinen dahinsiechenden Vater. Seiner Schwester Marianne schrieb er, er sei dankbar, diese letzten Pflichten gegen ihn erfüllen zu können, und habe „seit vierzehn Tagen seine Stube fast nicht verlassen.“8 Am 30. Oktober meldete er den Geschwistern den Tod des Vaters.

„Wir verlieren in ihm einen liebenden und wohlwollenden Vater, und er hinterläßt uns ein Beispiel von einem seltenen Grad von Rechtschaffenheit und Biederkeit“, schrieb er an Johann Friedrich und fügte an, dass Einigkeit und Freundschaft unter den Geschwistern fortdauern möchten.9

Stein fand in seiner administrativen Tätigkeit volle Befriedigung und sah in ihr die Möglichkeit, Nützliches zu wirken, wie es jedem Menschen aufgegeben sei. Mit dem Zustand der Bürokratie insgesamt war er freilich nicht zufrieden. Er sah einen Hang zur Hypertrophie und Kleingeisterei und führte das, wie er Reden gegenüber Ende 1790 äußerte, auf die „despotische Verfassung“ zurück.10 Als Gegenmittel empfahl er die Stärkung der Selbstverwaltung. In einer Nation, die zur Freiheit reif sei, sollte der größere Teil der Geschäfte durch die Vereinigung des Willens der an der Sache unmittelbar Interessierten besorgt werden. Dass er als Verwaltungsmann hoch qualifiziert war, sah man auch in Berlin, wie seine schnelle Karriere zeigt. Hätte er sich der Politik zuwenden wollen, so hätte er die ihm angebotenen Gesandtenposten sicher nicht abgelehnt und über sie seinen weiteren Weg gesucht. Vieles hielt ihn davon ab, Diplomat zu werden. Dem dabei nach seiner Einschätzung unvermeidbaren Wechsel von Müßigkeit „und einer schlau berechnenden Geschäftstätigkeit“ konnte er, wie er 1823 schrieb, ebenso wenig abgewinnen wie „der Wandelbarkeit der Politik der Höfe.“11 Hindernisse sah er des Weiteren in seinem Hang zur Unabhängigkeit, in seiner Offenheit und Reizbarkeit. Auch wollte er nicht in der großen Welt leben.

Es ist erstaunlich, dass sich in Steins Briefen aus England keine Bemerkungen über das dortige politische System finden, das ihm in der Theorie seit dem Studium doch gut vertraut war. Ebenso wenig begegnen in seinen erhaltenen Korrespondenzen und Schriften die Auseinandersetzungen in Frankreich seit Mitte der 1780er Jahre. Hier hätte sich eine Parteinahme geradezu angeboten, war er doch mit der Gedankenwelt der Reformer in Frankreich seit seiner Göttinger Zeit bestens bekannt. Auch zur Revolution äußerte er sich nicht, wiewohl sie in Deutschland in der Öffentlichkeit lebhaft besprochen wurde. Aus dem Schweigen unserer Quellen muss man freilich nicht schließen, dass er die Entwicklung nicht beobachtete. Er tat das gewiss und anfänglich mit Sympathie. Im Sommer 1790 machte er gegenüber Reden eine knappe Bemerkung. „Unsere Freunde jenseits des Rheines beweisen, daß zum praktischen Leben Ideenreichtum und Fähigkeit, sie mit Leichtigkeit zu verbinden, nicht genug ist, sondern daß es hauptsächlich auf kalte ruhige Vernunft und auf einen festen beharrlichen Charakter ankömmt.“ Gleichwohl fand er in den Verhandlungen der Nationalversammlung sehr viel Belehrendes, und so wünschte er denn, „eine Zeit lang unter diesem aufbrausenden gärenden Volk zu leben, um Zeuge von allen diesen erschütternden Auftritten zu sein.“12 Er meinte, im kommenden Jahr, 1791, könnte eine solche Reise vielleicht möglich werden.

Stein war immer noch unverheiratet. Mit dem Reichsgrafen Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn, einem hannoverschen Offizier, der seit 1782 die Herrschaft Gimborn bei Gummersbach besaß, hatte er wegen des Straßenbaus dienstlich zu tun. So kam er nach Gimborn zu Wallmoden „und seiner wirklich sehr liebenswürdigen Familie.“ Dabei fand er die zweite Tochter, die achtzehnjährige Wilhelmine, „sehr interessant, sie hat in ihrer Figur einen Ausdruck von Reinheit, von Vernunft und weiblicher Milde, dem ihr ganzes Betragen entspricht.“ Er fügte hinzu: „Ich werde dieser Verbindung weiter folgen.“13 So geschah es, aber es dauerte doch noch geraume Zeit, ehe Stein Wilhelmine im Dezember 1792 in einem langen Brief bat, seine Frau zu werden. Die Hochzeit wurde im Juni des folgenden Jahres auf dem Wallmodenschen Besitz Heinde bei Hildesheim gefeiert. Die Eheleute mussten nun erst zueinanderfinden. Das scheint anfänglich wegen des großen Unterschieds im Alter und an Erfahrungen nicht ganz leicht gewesen zu sein, als aus dem Ehepaar aber eine Familie geworden war, änderte sich das. Im August 1796 wurde die Tochter Henriette geboren, 1801 wieder ein Mädchen, das im nächsten Jahre starb, im Mai 18o3 eine weitere Tochter, Therese. Wir dürfen vermuten, dass Stein, stolz auf sein altes Geschlecht, gern auch einen Sohn gehabt hätte.

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