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Hans Grabner
Sie nannten ihn Roger
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Kapitel 1 Privatpilot Mit meiner damaligen Freundin Joanna saß ich, Rüdiger Roderer, eines Tages am Gipfel eines Zweitausenders. Ein Sportflugzeug flog eine lange Schleife um den Berg und entschwand bald darauf in der Ferne. Bücher über Flugzeuge und Piloten hatten mich schon immer fasziniert. Dass ich als Kind davon geträumt hatte, einmal Pilot zu werden, erzählte ich Joanna. Irgendwann musste ich meinen Traum wohl vergessen haben. Dazu sei es sicher noch nicht zu spät, meinte meine Begleiterin, eine Germanistikstudentin. Auch sie wollte Pilotin werden. Mit ihrem Cousin sollten wir uns unterhalten, schlug sie vor. Er war Segelflieger und könnte uns beraten. Als unsere Pläne im Freundeskreis bekannt wurden, wollte auch Franz, einer meiner Schulfreunde, mitmachen. Ein Treffen mit Vincent war bald arrangiert. Im Kaffee „Abendsonne“ erzählte Vincent wortreich von seiner Ausbildung zum Segelflieger und euphorisch über seine bisherigen Erfahrungen. Wie wir weiter vorgehen sollten, wusste er nicht wirklich. Er meinte, wir sollten uns an Herrn Oberhofer, den Obmann des Segelflugvereins, wenden. Herr Oberhofer, ein hemdsärmeliger, viel beschäftigter Mann, kannte sich aus. Auf meine Frage, ob ich eine Position als Pilot, Navigator oder Flugengineer anstreben sollte, antwortete der Segelflieger-Obmann: „Wenn du fliegen willst, musst du Kutscher werden.“ Die Entwicklung in den nächsten Jahren bestätigte, dass dies ein sehr weiser Rat war. Herr Oberhofer erklärte auch, dass wir ein sogenanntes „Medical“ benötigten, ausgestellt von einem Fliegerarzt. Erst danach könnten wir einen Flugschülerausweis beantragen und uns bei einer Flugschule bewerben. Er übergab uns noch die nötigen Adressen und wünschte uns viel Glück. Wir sagten: „Vielen Dank für die detaillierte Auskunft und auf Wiedersehen.“ Der erste Rückschlag erreichte Joanna, ihr Vater legte sein Veto ein und machte klar, dass Joannas Studienabschluss absolute Priorität hatte. Der nächste Schlag traf meinen Freund Franz, er bestand den Sehtest nicht. So schrumpfte das begeisterte Trio zu einem Einzelkämpfer, was ich sehr bedauerte. Trotz des Ausfalls meiner Freunde war ich entschlossen, in die Fliegerei einzusteigen. Schon im Frühjahr 1962 startete bei der Flugschule „FS-STMK“ am Flughafen Graz Tahlerhof ein Privatpiloten-Kurs. Zusammen mit sieben weiteren Kandidaten begann meine Ausbildung. Die Privatpiloten Lizenz (PPL) ist die Grundlage für jede höhere Lizenz. Nun ging es endlich los. An zwei Abenden pro Woche fanden die Theoriekurse statt und an den Wochenenden die praktische Flugausbildung. Es gab eine Menge zu lernen: Luftrecht, Meteorologie, Flugzeugkunde und Navigation. Als Schulflugzeug diente eine zweisitzige Cessna 150, angetrieben von einem 100 PS Continental O-200 Motor. Die Instrumentierung war dazumal noch sehr spartanisch und Funkgeräte waren in Schulflugzeugen noch nicht üblich. Die Fluginstrumente bestanden aus der Geschwindigkeitsanzeige, einem Höhenmesser und einem Variometer (für Steig- und Sinkraten). Hilfsmittel für die Navigation bestanden aus einer Borduhr und dem Magnetkompass. Zur Motorüberwachung diente ein Drehzahlmesser. Ansonsten gab es nur noch Volt und Amperemeter, die Tankanzeigen und einige Warnlampen.
Während des Flugtrainings sitzt der Schüler auf der linken Seite, das ist bei Flächenflugzeugen der Platz des verantwortlichen Piloten. Auf der rechten Seite am Doppelsteuer überwacht der Fluglehrer seinen Trainee. Während der Theoriekurs planmäßig ablief, stellte sich die Durchführung des Flugtrainings eher problematisch dar. An mir lag es nicht, war ich doch bei den Ersten, die frei flogen. Das heißt, ich hatte bereits meinen ersten Alleinflug erfolgreich absolviert. Für jeden Flugschüler ist der erste eine Herausforderung. Der Fluglehrer überwacht diese Trainingsflüge vom Rand der Landebahn aus, meistens waren vier Maschinen gleichzeitig in der Platzrunde. Das Problem war das Wetter, das an einigen Wochenenden kein Flugtraining zuließ. Mitunter hatten auch die Fluglehrer keine Lust und spielten lieber Karten. Sie verwiesen auf Wind und Wetter und lehnten damit, berechtigt oder nicht, Trainingsflüge ab. Eine Beschwerde gegen diese Praxis schätzte ich als sinnlos ein. Kurzentschlossen kündigte ich meinen Job in Kapfenberg und mietete ein möbliertes Zimmer in Graz. Die 80 km von zu Hause zur Flugschule waren ohnehin sehr zeitaufwändig und auch mit meinem kleinen Renault 4CV auf die Dauer zu teuer. Schon bald fand ich eine Anstellung als Techniker in einer mittleren Maschinenfabrik. Somit stand ich auch während der Woche nach Dienstschluss für das Flugtraining zur Verfügung. Meinen Rückstand holte ich bald auf und zog mit meinen Mitstreitern gleich. Am Flughafen Graz (LOWG) ging es damals recht gemütlich zu. Für Flughäfen gelten sogenannten 4-Letter-Codes, LOWG für Graz, wobei die beiden ersten Buchstaben die Region angeben. Parallel zu diesen ICAO Codes gibt es auch noch die aus drei Buchstaben bestehenden IATA-Codes der Fluggesellschaften, für Graz GRZ. Die Graslandebahn der Motorflieger liegt östlich der Hauptstart-/Landebahn, die der Segelflieger westlich davon. Linienflugzeuge waren damals eher selten zu sehen. Wegen eines Flugschülers, der die Lichtsignale vom Kontrollturm, erst rotes Dauersignal dann noch mehrere rote Feuerwerkskörper, ignorierte, musste eine Douglas DC-4 mit 60 Passagieren an Bord ihren Landeanflug abbrechen. Erst nach einem weiteren Anflug konnte die Viermotorige landen. Mein Mitschüler hatte zwar die Lichtsignale gesehen, jedoch nicht erkannt. So weit waren wir mit unserer Theorieausbildung noch nicht. Unser Fluglehrer, ein älterer ruhiger Typ, brach darauf das Flugtraining ab. Erst wenn wir die Lichtsignale kennen würden, sagte er, wollte er das Training wieder aufnehmen. Mit meiner Flugausbildung kam ich gut voran, abgesehen von einer harten Landung, bei der das Flugzeug erst nach drei Bocksprüngen normal ausrollte. Schuld war eine zu hohe Landegeschwindigkeit und/oder eine zu hohe Sinkgeschwindigkeit. Nach den Platzrunden trainierten wir die Signallandungen. In 600 Metern Höhe reduzierte man die Motorleistung auf Leerlauf, nachher musste die Maschine in einem Bereich innerhalb von 100 Metern gelandet werden. Weiter zum Flugtraining gehörten die Links- und Rechtsspiralen sowie Schlepplandungen. Die Spirale startete in 1000 Metern Höhe auch ohne Motorleistung, nach drei 360-Grad-Drehungen gibt der Schüler kurz Gas, danach landet er wie bei der Signallandung. Bei der Schlepplandung mithilfe des Motors war das Limit 50 Meter. Die Alpeneinweisung ist normalerweise ein stressfreier Teil der Ausbildung. Von Graz flogen wir entlang der Schlechtwetter-Route (angenommen wurde eine Wolkenuntergrenze von 150 bis 300 m über Grund) nach Salzburg. Nach dem Start ging es westlich an Graz vorbei, danach entlang der Mur. Schon kurz nach Graz wird das Murtal verdammt eng und es wechselt dauernd die Richtung. Von wegen stressfrei, in 300 Metern über Grund, immer den Fluss im Visier, bis Sankt Michael. Nun Kurs Westnordwest zum Schoberpass. Da das Gelände anstieg und ich unter den angenommenen Wolken fliegen musste, verringerte sich die Flughöhe auf 150 Meter. Viel Platz war da nicht rechts und links der Flugbahn, nur steiler Bergwald. Weiter ging es entlang der Enns, jetzt problemlos nach Westen. Danach folgten wir der Salzach, die sich zwischen Hagen- und Tennengebirge nach Norden schlängelte. Ziemlich unwohl und klein fühlte ich mich inmitten dieser riesigen Felswände. Erst als wir die Starkstromleitung, die die Schlucht kreuzt, hinter uns hatten, fühlte ich mich wohler. Die letzte Teilstrecke nach Salzburg, der Anflug und die Landung, waren für mich dann fast schon Routine. Das „Grüne Dauersignal“, das „Landung frei“ bedeutete, bekamen wir in der Warteschleife vom Kontrollturm. Eine Funkausrüstung hatte diese Cessna 150 nicht. Schon bei der nur angenommenen Wetterlage war die Flugroute eine Herausforderung. Bei realem Schlechtwetter wollte ich sie so lieber nicht fliegen, vermutlich war das der Sinn dieser Demonstration. Nach dem Start in Salzburg flogen wir zuerst nach Norden. Nach einer Rechtskurve dann direkt, diesmal über die Berge, zurück nach Graz. Das war dann schon eher so, wie ich mir die Fliegerei vorstellte. Ende September war es so weit. Der Tag der Wahrheit, der Tag der Prüfung war gekommen. Eine aus sechs strengen Herren bestehende Prüfungskommission beurteilte die theoretischen und praktischen Kenntnisse der Anwärter. Am Vormittag die Theorie. Zuerst waren die Fragen schriftlich zu beantworten und anschließend auch noch mündlich. Nach meiner Beschreibung einer Kaltfront meinte der Prüfungskommissar sarkastisch, er hoffe, ich würde nie mit einer Kaltfront konfrontiert werden. Am Nachmittag folgte die praktische Prüfung. Die Kommission beurteilte in Landebahnnähe sitzend das Flugprogramm. Dabei war eine Signallandung, gefolgt von einer linken und einer rechten Spirale, jeweils gefolgt von einer Landung sowie einer Schlepplandung, vorzuführen. Der Flugschüler saß alleine in der Maschine und musste immer innerhalb eines Signalfeldes landen. „Geschafft“, dachte ich nach meinem Prüf-Flug und ich hatte recht. Für den Privatpilotenschein, ein hellbraunes Dokument mit Lichtbild, fehlten mir noch der Höhenflug und der sogenannte Dreiecksflug. Den Höhenflug konnte ich einige Tage nach der Prüfung erledigen. Beim Dreiecksflug musste der Alpenhauptkamm zweimal überflogen werden. Von Graz nach Klagenfurt, weiter nach Linz und zurück nach Graz verlief die geplante Strecke. Mittlerweilen war der Herbst ins Land gezogen, die Tage wurden kürzer und Nebel verhinderte immer wieder meinen Dreiecksflug. Die Regeln für Sichtflug (VFR) forderten unter anderem 8 km
Flugsicht an den Flughäfen. Meine Geduld wurde hart auf die Probe gestellt, erst im darauffolgenden Frühjahr konnte ich den Dreiecksflug endlich absolvieren. Problemlos kam ich nach Klagenfurt. Nach Linz wurde es am Pyhrn eng, gerade noch kam ich zwischen Passhöhe und Wolkenuntergrenze durch. Zurück nach Graz flog ich dann über den Wolken, nach Zeit und Kompass. Als ich endlich wieder die Erde zwischen den Wolken sichtete, drückte ich den Flieger hinunter. Zufrieden stellte ich fest, dass ich südöstlich der Stadt nicht weit vom Flughafen herausgekommen war. Damit hatte ich meine Ausbildung mit insgesamt 30 Stunden und 20 Minuten Flugzeit abgeschlossen. Schon kurz nach der Pilotenprüfung hatte ich meine Zelte in Graz abgebrochen und mich bei meinem ehemaligen Arbeitgeber wieder beworben. Bald darauf konnte ich auch meinen früheren Arbeitsplatz wieder einnehmen. Der Umzug nach Hause war für mich ein schwarzer Tag. Erst traf ich zufällig Joanna, die mir freudestrahlend von ihrer bevorstehenden Hochzeit mit Maurice erzählte. Den Franzosen kannte ich flüchtig und ich gratulierte ihr notgedrungen. Freunde wollten wir bleiben und blieben es auch, obschon wir uns nur selten sahen. Den ganzen Sommer hatte ich entweder bei der Arbeit oder am Flugplatz verbracht, fürs Privatleben blieb da keine Zeit. Auf der Heimfahrt stellte der Renault nach einem Motorschaden seinen Betrieb ein. Die Diagnose eines Mechaniker-Freundes fiel vernichtend aus. Der Wagen war ein Fall für den Schrotthändler. Ein Fahrrad ersetzte den 4CV, war sowieso gesünder, sportlicher und auch besser für die Umwelt. Das Klima war aber damals noch kein Thema. In Kapfenberg vom Anfang an dabei Der Flugplatz Kapfenberg LOGK wurde 1963 eröffnet. Die Stadt sowie das in der Nähe befindliche Metallwerk hatten das Projekt verwirklicht. Die Start-/Landebahn 07–25 (in Richtung 070°–250°) ist 600 m lang. Das Hauptgebäude mit Büro, Schulraum und Restaurant sowie ein Hangar mit Werkstätte bildeten die Anlage. Später kamen noch ein Aufbau mit Hotelzimmern sowie ein weiterer Hangar und ein Kontrollturm dazu. Der Platz, die Heimat des „Fliegerclub OS“ („OS“ steht für Obersteiermark) war damals hochfrequentiert. Dem Club angeschlossen war eine Zivilluftfahrtschule. Heimisch waren auch einige Segelfliegerclubs aus der näheren Umgebung. Gemanagt wurden die Zivilluftfahrtschule und der Flugplatz von Herrn Roman Raschke, einem PPL-Lehrer. Er war ein korrekter, aber strenger Chef. Eher konziliant war sein Stellvertreter Herr Brandner, der Segelfluglehrer. Nach der Fertigstellung des Kontrollturmes vervollständigten zwei Gendarmen die Belegschaft. Die Flugzeugflotte bestand aus dem Flaggschiff Cessna 175, die mit Funk und Navigationshilfen ausgerüstet war, weiters aus einer Piper PA 18 Super-Cub und zwei Cessna 150, diese drei hatten keine Funkausrüstung. Für mich lief es ausgezeichnet, mein Arbeitgeber genehmigte mir flexiblere Arbeitszeiten. Damit war ich an Nachmittagen am Flugplatz verfügbar. Die Topographie rund um den Platz und die doch recht kurze Graspiste erforderten eine Platzeinweisung. Dem Chef persönlich musste ich mein Können anhand von drei Starts, Platzrunden und Landungen demonstrieren. Erst danach durfte ich Passagiere mitnehmen. Anfangs waren risikobereite Verwandte und Freunde meine Fluggäste. Später flog ich auch Leute, die noch nie geflogen waren oder ihre Heimat einmal von oben sehen wollten – diese übernahmen die Flugkosten. Der erste Dämpfer Dass auch ein kleines Flugzeug wie die Cessna 150 kein Spielzeug ist, sollte ich alsbald erfahren. Zu einem Rundflug mit einem Passagier startete ich Richtung Osten. Anfangs schien alles normal, dann hatte ich das Gefühl, dass die Maschine nicht richtig beschleunigte. Erst zu spät realisierte ich, dass die Startbahn für einen Start diesmal nicht ausreichen würde. Voll in die Bremsen stieg ich und schaltete den Motor aus. Die Bremswirkung am noch nassen Gras war aber insuffizient (unzureichend). Das Ende der Startbahn kam schneller als erwartet. Nachdem wir eine Straße überrollt hatten, brachte ich den Flieger auf der angrenzenden Wiese endlich zum Stehen. Keine Ahnung hatte ich, weshalb die Maschine nicht wie sonst beschleunigt hatte. Dass ich aber den Start zu spät abgebrochen hatte, war mir klar. Zum Glück entstand kein Schaden am Flugzeug und verletzt wurde auch niemand. Nachdem wir mit vereinten Kräften die Cessna zurück zum Flugplatz geschoben hatten, inspizierte der Chef die Maschine aufs Genaueste. Er fand das Problem an der aktiven Vergaservorwärmung. Offensichtlich hatte ich diesen Status bei meinen Kontrollen übersehen und so musste ich eine (berechtigte) Standpauke vom Flugplatzleiter über mich ergehen lassen. Der Chef sprach von großem Glück, wäre ein Auto oder auch nur ein Fußgänger auf der Straße gewesen, hätte der Vorfall böse geendet. So weit hatte ich noch gar nicht gedacht, bei dem Gedanken daran wurde mir heiß und kalt zugleich. Die mir auferlegten drei Wochen Flugverbot schätzte ich als sehr milde ein. Meine freie Zeit verbrachte ich auch weiter am Flugplatz. Die Flugzeugtankstelle betreute ich und ich half auch beim Aus- und Ein-Hallen der Flugzeuge. Als ein Wiener für seine Übungsflüge eine Cessna 150 mietete, wurde ich ihm vom Chef als Ortskundiger zugeteilt. Da hob er auch das über mich verhängte Flugverbot wegen meines missglückten Starts wieder auf. Der Mann war gleich alt wie ich und machte einen sehr kompetenten Eindruck. Er erzählte, dass er im kommenden Jahr seine Berufspilotenausbildung plante. Die erforderlichen 200 Flugstunden wollte er gegen Ende des Jahres geloggt haben. Auf meine Frage: „Wie viele Jahre hast du denn für die 200 Stunden gebraucht?“, meinte er: „Knapp zwei Jahre.“ Beeindruckt fragte ich, wie er das denn geschafft hatte. Ich rechnete mit vier bis fünf Jahren. Er habe jede Gelegenheit, sofern das Wetter passte und er auch ein Flugzeug mieten konnte, genutzt, erklärte der Wiener. Dass seine Eltern es voll finanzierten, fügte er hinzu. Ein Flugzeug mit Spornrad Die hauptsächlich zum Schleppen von Segelflugzeugen angekaufte Piper Super Cub mit 150 PS hatte ich im Fokus.
Segelflieger zu schleppen bot eine gute Gelegenheit, um kostenlos Flugstunden zu sammeln. Stunden, die ich für meinen nächsten Karriereschritt Richtung Berufspilot brauchte. Zu meinem Glück nutzten außer den beiden Chefs mit ihren Flugschülern die Flugzeuge nur einige Auserwählte. Eine Spornradmaschine wie diese Piper erforderte eine abgeänderte Starttechnik, auch die Landungen wollten gelernt sein. Die Einweisung auf der Piper, bei der der Fluglehrer oder ein Passagier nicht neben, sondern hinter dem Piloten sitzt, übernahm Herr Brandner. Nach der Umschulung durfte ich nun auch Fluggäste mit der Piper befördern. Was allerdings eher selten der Fall war, da die Passagiere die Cessnas bevorzugten. Um Segelflieger in den Bergen zu schleppen, fehlte mir noch einiges an Erfahrung, meinten die Chefs. Zwei Tote und zweimal Totalschaden Ein tödlicher Flugunfall bei schönstem Wetter über problemlosem Gelände. Es gab zwei Tote in einem komplett zerstörten Flugzeug. Wie konnte das passieren? Ein erfahrener Pilot stürzte bei bestem Flugwetter einfach ab. Das Ergebnis der Flugunfall-Untersuchung war unmissverständlich und unfassbar. Pilot und Passagier waren bereits vor dem Absturz an einer heimtückischen Kohlenmonoxydvergiftung gestorben. Die Heizung in dieser Flugzeugklasse funktioniert, indem man Frischluft über die Abgasrohre in die Kabine führt. Bei undichten Auspuffrohren führte das früher immer wieder zu schlimmen Problemen. Heute zeigen „Kohlenmonoxyd-Wächter“ diese Gefahren an. Einige Wochen später setzte eine Cessna 150 aus Wien kommend bei der Landung auf der Landebahn 07 sehr spät auf. Der Pilot versuchte durchzustarten. Es war bereits sein dritter Versuch und auch der misslang gründlich. Die Maschine stürzte aus zehn Metern Höhe auf die angrenzende Wiese. Als ich das am Rücken liegende Flugzeug erreichte, kroch der Passagier aus den Trümmern, gab mir seinen Fotoapparat und bat um ein Foto. Es war dies sein erster Flug, wie er sagte. Pilot und Passagier blieben gottlob unverletzt. Das Flugzeug war danach irreparabel, ein Totalschaden. Allgemeines Funktelefonisten-Zeugnis Gegen Ende des Jahres reduzierte sich das Flugaufkommen aufgrund der Wetterlage. Die Flugschule nutzte die Zeit, um einen Kurs für das „Allgemeine Sprechfunkzeugnis“ zu veranstalten. Natürlich war auch ich unter den Kursteilnehmern. Das „AFZ“ berechtigt den Inhaber zum Funk-Telefonie-Dienst und zur Flugfunknavigation in englischer und deutscher Sprache. Die Berechtigung ist Voraussetzung für höhere Lizenzen und auch für Flüge ins Ausland. Einer der Kursteilnehmer vertrat eines Tages die Ansicht, dass „Roger“, die englische Version von Rüdiger, viel besser zu einem angehenden Berufspiloten passte. Das sahen auch die anderen Kursteilnehmer so. Roger statt Rüdiger, ich war nicht happy, aber letztendlich chancenlos, dieser Spitznamen sollte mich mein weiteres Berufsleben begleiten. Wie in Österreich üblich, musste die Gruppe der Schüler die “AFZ“ Prüfung vor einer Kommission ablegen und danach auch noch ihre Fertigkeiten während eines Prüfungsfluges nachweisen. Gut lief es beim Fliegen,
weniger gut bei den Schönen Ende März 1964 startete der Flugbetrieb wieder durch. Sowohl die Flugschule der Motorflieger als auch die der Segelflieger waren voll ausgelastet. Es gab viel zu tun, auch für mich. Immer wieder startete ich mit Flugbegeisterten zu Stadt- und Alpenrundflügen. Schon bald schätzten auch die Chefs meine Fähigkeiten als ausreichend für das Schleppen von Segelfliegern ein. Schulung und Prüfung verliefen erfolgreich und nach Eintrag der Berechtigung in den „PPL“ war ich einsatzbereit. Im Schnitt brachte mir ein Schleppflug zehn Minuten Flugzeit, bei zwanzig Starts immerhin gut drei Flugstunden. Rundflüge brachten im Schnitt etwa eine halbe Flugstunde, Alpenrundflüge bis zu drei Flugstunden. Zusätzlich erlaubte man mir eine Einweisung auf der Cessna 175, „dem Flaggschiff“, damit war ich einer der vier Auserwählten, die die 175 fliegen durften. Felix und Max, zwei Flugschüler, die auch eine Berufspiloten-Ausbildung anpeilten, kündigten an, dass sie mich schon bald abservieren würden. Gelassen konterte ich: „Da müsst ihr noch viel lernen.“ Das war der Startschuss für eine tolle Freundschaft mit viel Spaß. Während ich fliegerisch die Nase vorne hatte, lagen die Freunde bei den Stadtschönheiten voraus. Felix, ein sportlicher Typ, fuhr einen 1959er Austin Healey. Max, ein richtiger Frauentyp und Casanova, hatte ein 1960er Fiat Coupe Argentina. Punkten konnte ich nur mit dem von meinem Bruder geliehenen 1958er Alfa Romeo Giulietta. Ausgehen konnte ich mir höchstens zweimal pro Monat erlauben. Denn der Berufspilotenschein, die Verwirklichung meines Traumes, hatte für mich oberste Priorität. Allerdings gab es da auch eine bezaubernde Blondine, die ausgeführt werden wollte. Keine einfache Situation, wenn einem einerseits die Zeit und anderseits auch das Geld fehlt. Lange hielt diese Romanze leider nicht. Zu einem ihrer Arbeitskollegen hat die Schöne schon bald gewechselt. Dass mir innerhalb eines Jahres nun schon das zweite Topgirl den Rücken zeigte, gab mir dann doch zu denken. Selbstkritisch meinte ich, dass ein kurzer Anruf pro Woche, wenn überhaupt, und ein, zwei gemeinsame Abende im Monat wahrscheinlich nicht für eine Beziehung reichten. Aber mehr Zeit hatte ich, wollte ich mein Ziel erreichen, eben nicht. „Noch nicht“, wie ich mich selbst tröstete. Wieder einmal Glück gehabt Die vor jedem Flug obligatorische Vorflugkontrolle beinhaltet auch einen Rundgang um das Flugzeug. Bei einer aktuellen Außenkontrolle stellte mein Passagier viele Fragen. Die noch am Bugrad befindliche Schleppgabel übersah ich, mit dieser startete ich zu einem Rundflug. Die Gabel dient zum Rangieren des Flugzeugs am Boden. Der diensthabende Gendarm (Polizist) am Tower sah es und folgte mir mit einem zweiten Flieger. Er kam nah heran und zeigte eine Schleppgabel. Augenblicklich war mir klar, dass die Gabel, eingeklinkt und auf der Bugradverkleidung liegend, nur wenige Zentimeter unter dem drehenden Propeller lag. So ruhig als möglich flog ich zurück zum Platz. Den Motor stellte ich noch vor der Landung ab und landete mit stehendem Propeller. Der Gendarm hatte durch seinen Einsatz einen teuren Schaden vermieden und mir eine Menge Ärger erspart. Zum Dienst am Kontrollturm waren damals nur Beamte mit PPL zugelassen. Zu meinem Glück waren die Chefs abwesend. Erwähnen müssen wir den Zwischenfall nicht, meinte mein Retter, das sah ich natürlich auch so. In Manchester Das Jahr ging zu Ende und ich organisierte einen Englandurlaub, um meine Englischkenntnisse zu verbessern. Aus Kostengründen wohnte ich bei entfernten Verwandten. Jeannie, eine hübsche achtzehnjährige Lady aus der Nachbarschaft, unterstützte mich bei meinem Sprachstudium. Die sechs Wochen gingen schnell vorbei und ein wenig wehmütig trat ich die Heimreise an. Der abgesprochene Briefwechsel in Englisch scheiterte. Nach nicht wirklich gelungenen Versuchen gab ich das Vorhaben auf. Mit der Cessna 172 nach Spanien
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