Während des Flugtrainings sitzt der Schüler auf der linken Seite, das ist bei Flächenflugzeugen der Platz des verantwortlichen Piloten. Auf der rechten Seite am Doppelsteuer überwacht der Fluglehrer seinen Trainee. Während der Theoriekurs planmäßig ablief, stellte sich die Durchführung des Flugtrainings eher problematisch dar. An mir lag es nicht, war ich doch bei den Ersten, die frei flogen. Das heißt, ich hatte bereits meinen ersten Alleinflug erfolgreich absolviert. Für jeden Flugschüler ist der erste eine Herausforderung. Der Fluglehrer überwacht diese Trainingsflüge vom Rand der Landebahn aus, meistens waren vier Maschinen gleichzeitig in der Platzrunde. Das Problem war das Wetter, das an einigen Wochenenden kein Flugtraining zuließ. Mitunter hatten auch die Fluglehrer keine Lust und spielten lieber Karten. Sie verwiesen auf Wind und Wetter und lehnten damit, berechtigt oder nicht, Trainingsflüge ab. Eine Beschwerde gegen diese Praxis schätzte ich als sinnlos ein. Kurzentschlossen kündigte ich meinen Job in Kapfenberg und mietete ein möbliertes Zimmer in Graz. Die 80 km von zu Hause zur Flugschule waren ohnehin sehr zeitaufwändig und auch mit meinem kleinen Renault 4CV auf die Dauer zu teuer. Schon bald fand ich eine Anstellung als Techniker in einer mittleren Maschinenfabrik. Somit stand ich auch während der Woche nach Dienstschluss für das Flugtraining zur Verfügung. Meinen Rückstand holte ich bald auf und zog mit meinen Mitstreitern gleich. Am Flughafen Graz (LOWG) ging es damals recht gemütlich zu. Für Flughäfen gelten sogenannten 4-Letter-Codes, LOWG für Graz, wobei die beiden ersten Buchstaben die Region angeben. Parallel zu diesen ICAO Codes gibt es auch noch die aus drei Buchstaben bestehenden IATA-Codes der Fluggesellschaften, für Graz GRZ. Die Graslandebahn der Motorflieger liegt östlich der Hauptstart-/Landebahn, die der Segelflieger westlich davon. Linienflugzeuge waren damals eher selten zu sehen. Wegen eines Flugschülers, der die Lichtsignale vom Kontrollturm, erst rotes Dauersignal dann noch mehrere rote Feuerwerkskörper, ignorierte, musste eine Douglas DC-4 mit 60 Passagieren an Bord ihren Landeanflug abbrechen. Erst nach einem weiteren Anflug konnte die Viermotorige landen. Mein Mitschüler hatte zwar die Lichtsignale gesehen, jedoch nicht erkannt. So weit waren wir mit unserer Theorieausbildung noch nicht. Unser Fluglehrer, ein älterer ruhiger Typ, brach darauf das Flugtraining ab. Erst wenn wir die Lichtsignale kennen würden, sagte er, wollte er das Training wieder aufnehmen. Mit meiner Flugausbildung kam ich gut voran, abgesehen von einer harten Landung, bei der das Flugzeug erst nach drei Bocksprüngen normal ausrollte. Schuld war eine zu hohe Landegeschwindigkeit und/oder eine zu hohe Sinkgeschwindigkeit. Nach den Platzrunden trainierten wir die Signallandungen. In 600 Metern Höhe reduzierte man die Motorleistung auf Leerlauf, nachher musste die Maschine in einem Bereich innerhalb von 100 Metern gelandet werden. Weiter zum Flugtraining gehörten die Links- und Rechtsspiralen sowie Schlepplandungen. Die Spirale startete in 1000 Metern Höhe auch ohne Motorleistung, nach drei 360-Grad-Drehungen gibt der Schüler kurz Gas, danach landet er wie bei der Signallandung. Bei der Schlepplandung mithilfe des Motors war das Limit 50 Meter. Die Alpeneinweisung ist normalerweise ein stressfreier Teil der Ausbildung. Von Graz flogen wir entlang der Schlechtwetter-Route (angenommen wurde eine Wolkenuntergrenze von 150 bis 300 m über Grund) nach Salzburg. Nach dem Start ging es westlich an Graz vorbei, danach entlang der Mur. Schon kurz nach Graz wird das Murtal verdammt eng und es wechselt dauernd die Richtung. Von wegen stressfrei, in 300 Metern über Grund, immer den Fluss im Visier, bis Sankt Michael. Nun Kurs Westnordwest zum Schoberpass. Da das Gelände anstieg und ich unter den angenommenen Wolken fliegen musste, verringerte sich die Flughöhe auf 150 Meter. Viel Platz war da nicht rechts und links der Flugbahn, nur steiler Bergwald. Weiter ging es entlang der Enns, jetzt problemlos nach Westen. Danach folgten wir der Salzach, die sich zwischen Hagen- und Tennengebirge nach Norden schlängelte. Ziemlich unwohl und klein fühlte ich mich inmitten dieser riesigen Felswände. Erst als wir die Starkstromleitung, die die Schlucht kreuzt, hinter uns hatten, fühlte ich mich wohler. Die letzte Teilstrecke nach Salzburg, der Anflug und die Landung, waren für mich dann fast schon Routine. Das „Grüne Dauersignal“, das „Landung frei“ bedeutete, bekamen wir in der Warteschleife vom Kontrollturm. Eine Funkausrüstung hatte diese Cessna 150 nicht. Schon bei der nur angenommenen Wetterlage war die Flugroute eine Herausforderung. Bei realem Schlechtwetter wollte ich sie so lieber nicht fliegen, vermutlich war das der Sinn dieser Demonstration. Nach dem Start in Salzburg flogen wir zuerst nach Norden. Nach einer Rechtskurve dann direkt, diesmal über die Berge, zurück nach Graz. Das war dann schon eher so, wie ich mir die Fliegerei vorstellte. Ende September war es so weit. Der Tag der Wahrheit, der Tag der Prüfung war gekommen. Eine aus sechs strengen Herren bestehende Prüfungskommission beurteilte die theoretischen und praktischen Kenntnisse der Anwärter. Am Vormittag die Theorie. Zuerst waren die Fragen schriftlich zu beantworten und anschließend auch noch mündlich. Nach meiner Beschreibung einer Kaltfront meinte der Prüfungskommissar sarkastisch, er hoffe, ich würde nie mit einer Kaltfront konfrontiert werden. Am Nachmittag folgte die praktische Prüfung. Die Kommission beurteilte in Landebahnnähe sitzend das Flugprogramm. Dabei war eine Signallandung, gefolgt von einer linken und einer rechten Spirale, jeweils gefolgt von einer Landung sowie einer Schlepplandung, vorzuführen. Der Flugschüler saß alleine in der Maschine und musste immer innerhalb eines Signalfeldes landen. „Geschafft“, dachte ich nach meinem Prüf-Flug und ich hatte recht. Für den Privatpilotenschein, ein hellbraunes Dokument mit Lichtbild, fehlten mir noch der Höhenflug und der sogenannte Dreiecksflug. Den Höhenflug konnte ich einige Tage nach der Prüfung erledigen. Beim Dreiecksflug musste der Alpenhauptkamm zweimal überflogen werden. Von Graz nach Klagenfurt, weiter nach Linz und zurück nach Graz verlief die geplante Strecke. Mittlerweilen war der Herbst ins Land gezogen, die Tage wurden kürzer und Nebel verhinderte immer wieder meinen Dreiecksflug. Die Regeln für Sichtflug (VFR) forderten unter anderem 8 km
ОглавлениеПодняться наверх