Читать книгу Meteorologie - Hans Häckel - Страница 38
1.6.3Ausbreitungsrechnung
ОглавлениеIhre Aufgabe ist es, die Ausbreitung und Verdünnung freigesetzter Luftverunreinigungen zahlenmäßig zu beschreiben. In der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, kurz als TA Luft bezeichnet, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit herausgegeben hat, sind alle Grundlagen und Berechnungsverfahren sowie die dabei zu berücksichtigenden Richtlinien genau beschrieben und können dort im Bedarfsfall nachgelesen werden.
Hier soll nur ein vereinfachtes Beispiel vorgestellt werden, das das Ausbreitungsverhalten der Atmosphäre vom Prinzip her aufzeigt.
Aus Nachbarwissenschaften
Dem hier verwendeten Verfahren zur Berechnung der Ausbreitung von Emissionen liegen – stark vereinfacht – folgende Annahmen zugrunde:
Die aus einem Schornstein freigesetzten Substanzen formen sich zu einer Wolke mit einem (in Strömungsrichtung betrachtet) elliptischen Querschnitt. Bei labiler Schichtung (im Sinne der Stabilitätsklassen, z. B. Looping) ist diese Ellipse höher als breit. Bei stabiler Schichtung (z. B. Fanning) ist sie breiter als hoch.
Die Konzentration der emittierten Substanzen nimmt innerhalb der Ausbreitungswolke stets vom Zentrum zum Ellipsenrand hin ab. Die Konzentration folgt dabei stets einer sog. „Gauß-Verteilung“, also einer glockenförmigen Kurve und zwar sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen.
Strömungsabwärts dehnen sich die Ellipsen immer weiter aus, ihre Form bleibt dabei aber erhalten.
(Weitere Informationen dazu, insbesondere zur Gauß-Verteilung findet man bei Malberg, 2006)
Bekannte Persönlichkeiten
Gauß, Carl-Friedrich; Mathematiker, Physiker und Astronom; * 30.4.1777 in Braunschweig; † 23.2.1855 in Göttingen. Naturwissenschaftliches Universalgenie; von P. S. de Laplace als „größter Mathematiker Europas“ bezeichnet.
Dazu werden 5 Stabilitätsklassen definiert:
sehr stabil
stabil
stabil-neutral
labil-neutral
labil
sehr labil
Um Verwechslungen zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass die „Stabilitätsklassen“ nicht mit den in der Meteorologie verwendeten Bezeichnungen „stabil“ und „labil“ identisch sind – sonst dürfte es zumindest die Klasse „sehr labil“ überhaupt nicht geben, weil eine solche Schichtung keinen dauerhaften Bestand hat (→ S. 51).
Welche Stabilitätsklasse bei einer gegebenen Situation gilt, wird von der Windgeschwindigkeit (Höhere Windgeschwindigkeit – stärkere Wirbelbildung) und vom herrschenden Temperaturgradienten festgelegt. Wenn der Temperaturgradient (wegen des zu großen Messaufwandes) nicht bestimmt werden kann, darf ersatzweise die Bewölkung als Kriterium verwendet werden. Wie später noch gezeigt wird, fallen nämlich die Temperaturgradienten umso extremer aus je weniger Bewölkung vorhanden ist. Auf diese Weise kommt es nachts zu kräftigen Inversionen und tags zu adiabatischen – zeitweise sogar zu leicht überadiabatischen Gradienten.
Diese Definition erlaubt es, die 5 Stabilitätsklassen – stark vereinfacht und generalisiert – folgenden Wettersituationen zuzuordnen:
sehr stabil: windstille, klare Nächte
stabil: windschwache, wolkenarme Nächte
stabil-neutral: windige wolkenreiche Nächte, windige wolkenreiche Tage
labil-neutral: windige, wolkenarme oder windschwache, wolkige Tage
labil: windschwache, wolkenarme Tage
sehr labil: windschwache, wolkenlose, extrem sonnige Tage
Die so gefundene Ausbreitungsklasse wird dann den Rechnungen zugrunde gelegt. Diese können natürlich nicht jeden einzelnen Wirbel und jede kleinste Luftbewegung erfassen. Sie beschreiben vielmehr einen mittleren Ausbreitungsvorgang. Man spricht von „quasistationären“ Verhältnissen. In Abbildung 1.14 sind Ergebnisse von Aus 45 breitungsrechnungen dargestellt, die mit einem Gauß-Rechenmodell bearbeitet wurden. (Näheres → vorhergehende Seite und Malberg, 2006). Die Grafik zeigt die Abnahme der SO2-Konzentrationen (in Bodennähe) hinter einem 125 m hohen Schornstein bei unterschiedlichen Ausbreitungsbedingungen.
Abb. 1.14 Berechnete SO2-Konzentrationen in Abhängigkeit vom Abstand zum Schornstein bei verschiedenen Wetterlagen (nach Malberg 2006, abgeändert).
Bei Wetterverhältnissen, die der Ausbreitungsklasse „labil“ oder „sehr labil“ entsprechen, kommt es, wie man sieht, in der unmittelbaren Umgebung des Emittenten zu auffällig hohen Konzentrationen, die aber mit der Entfernung rasch abnehmen. Dieses Ergebnis lässt sich leicht deuten: Man braucht sich nur klarzumachen, dass unter diesen Bedingungen SO2-reiche Luftschwaden immer wieder bis in Bodennähe heruntergedrückt werden können (→ Abb. 1.13 a). Herrschen dagegen die Ausbreitungsbedingungen „stabil“ oder „sehr stabil“, dann treten erst in größeren Entfernungen nachweisbare Konzentrationen auf, die jedoch über eine weite Distanz erhalten bleiben.
Achtung: Die hier vorgestellten Ergebnisse gelten nicht mehr, wenn die Ausbreitungsbedingungen durch lokalklimatische Einflüsse modifiziert werden.