Читать книгу Teufelskraut - Hans Herrmann - Страница 4

Kapitel 2

Оглавление

Das währschafte Nachtessen hatte herrlich gemundet. Nun sass die Familie beim Kaffee. In der gemütlichen Stube mit der tiefen Holzdecke und den alten Bildern an den Wänden herrschte ein friedvolles Schweigen. Der Grossvater stopfte sich bedächtig eine Pfeife.

Das Wiedersehen lag bereits ein paar Stunden zurück. Zuerst war die Mutter aus dem Wald zurückgekehrt, hatte Kathrin gerührt an sich gedrückt und unter Freudentränen gesagt:

„So, mein kleines Mädchen, jetzt hab ich dich wieder, und so schnell geb ich dich nicht mehr her.“

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Kathrin lächelnd.

Später waren ihr drei Jahre älterer Bruder Toni und der Vater eingetroffen und hatten, jeder auf seine Art, die Heimgekehrte ebenfalls begrüsst, der Vater mit einem kräftigen, warmen Händedruck, der Bruder mit einem gutmütigen Rippenstoss und der Bemerkung:

„So, sieht man sich auch einmal wieder? Du, mach bloss nicht, dass dir vor lauter schulmeisterlichem Hochmut die Nase über den Kopf hinauswächst, sonst könnte man dich hier nur noch als Blitzableiter brauchen.“

Sie knuffte zurück und sagte: „Von wegen schulmeisterlichem Hochmut. Sei froh, dass ich zurück bin, dann bringt dir endlich jemand Manieren bei.“

In der Stube hing noch immer jeder seinen Gedanken nach. Kathrin nahm einen Schluck Kaffee und schaute dem Grossvater zu, der seine Pfeife anzündete und genussvoll begann, blaue Wölkchen in die Stube zu paffen.

Sie dachte an ihre Anstellung, die sie in einer Woche antreten würde. Sie übernahm die erste bis sechste Klasse; die älteren Schüler von der siebten bis neunten Klasse dagegen waren in der Obhut eines männlichen Kollegen. Ob das der alte Balsiger sein würde? Ihre Erinnerungen an die Dorfschule waren untrennbar mit dem etwas kauzigen, aber liebenswürdigen und unendlich geduldigen Herrn verbunden, der bereits ihre Eltern unterrichtet hatte und bei dem auch sie zur Schule gegangen war. Die Vorstellung, nun womöglich die Kollegin ihres ehemaligen Lehrers zu werden, dünkte sie ziemlich spassig.

„Ist der alte Balsiger noch da?“, fragte sie unvermittelt in das Schweigen hinein.

„Nein, er ist vor einem Jahr pensioniert worden und ist weggezogen, ich glaube, in ein Häuschen am Thunersee“, sagte Toni und setzte die riesige Kaffeetasse an die Lippen. „Jetzt ist ein Neuer da, ein Junger.“

„So? Wie heisst er denn?“

„Weiss ich nicht mehr, hab’s vergessen. Er hat so einen komischen Namen, keinen einheimischen jedenfalls.“ Toni überlegte angestrengt. „Holm… Helmen… Ach, ich komme nicht darauf.“

„Helmstedt heisst er, Klaus Helmstedt“, kam ihm die Mutter zu Hilfe.

„Helmstedt? Das tönt in der Tat nicht sehr emmentalisch“, sagte Kathrin.

„Ist es auch nicht“, mischte sich der Vater ein. „Das ist ein deutscher Name. Die Eltern Helmstedt stammen aus Deutschland, wie man hört. Sie sind irgendwann in den Sechzigerjahren in die Schweiz gezogen, nach Bern. Dort ist Klaus zur Welt gekommen. Er spricht Berndeutsch wie jeder andere auch, du wirst mit ihm also nicht Hochdeutsch zu reden brauchen.“

„Na, so schlimm wäre das nun auch wieder nicht. Schliesslich haben wir an der PH fast nur Hochdeutsch gesprochen.“

„Er ist ein angenehmer junger Mann, geradlinig, bescheiden und aufrichtig, soweit ich es beurteilen kann“, sagte die Mutter. „Er wird dir gefallen.“

„Gefallen muss er mir ja nun nicht gerade. Eigentlich genügt es, wenn wir zusammen einigermassen auskommen.“

„Wer weiss? Vielleicht gefällt er dir ja doch. Es ist etwas Nobles an ihm. Man munkelt, seine Eltern seien adeliger Abstammung, und zum Familienbesitz gehöre irgendwo in Deutschland ein Schloss.“

„Zufällig weiss ich, dass er noch zu haben ist“, schmunzelte der Grossvater und zwinkerte Kathrin zu.

„Falls ihr meint, ihr könntet mich mit diesem deutschen Märchenprinzen verkuppeln, dann täuscht ihr euch gewaltig“, sagte Kathrin und drohte scherzhaft mit dem Finger. „Ihr müsst nämlich wissen, dass ich bereits vergeben bin.“

Die Mutter sah sie erstaunt an. „Was hört man da? Du hast einen Freund und hast uns nie von ihm berichtet? Was sind das aber auch für Sitten. Bekommen wir ihn vielleicht einmal zu sehen?“

Kathrin senkte schuldbewusst den Blick. „Nun reagier doch nicht gleich so eingeschnappt. Er heisst Rolf Graber und wohnt in Bern. Ich habe ihn euch nicht aus bösem Willen verheimlicht. Es ist nur so, dass er in manchen Dingen etwas eigenwillig ist. Ich habe ihn zum Beispiel bis jetzt noch nicht dazu überreden können, einmal mit mir hierher zu kommen. Er ist in der Stadt aufgewachsen und hat nicht den Familiensinn, wie wir ihn auf dem Land haben. Deswegen ist er aber noch lange kein übler Bursche.“

„Warum will er sich denn nicht zeigen? Hat mein künftiger Schwiegersohn etwas zu verbergen?“ Der Vater sprach ernst. „Wenn mit ihm alles in Ordnung ist, braucht er sich vor uns nicht zu verstecken.“

„Schwiegersohn? Wer spricht denn da gleich von Heirat? Meine lieben Eltern, nehmt es mir bitte nicht übel, aber heute denkt man nicht gleich ans Heiraten und Kinder kriegen, wenn man einen Freund hat.“

„Mag sein“, erwiderte der Vater. „Wir wollen’s vorläufig gut sein lassen. In der Stadt läuft eben manches anders als bei uns auf dem Land, und das ist vermutlich auch gut so. Wie auch immer: Er ist bei uns jederzeit willkommen, falls er uns einmal besuchen möchte.“

„Ich weiss“, sagte Kathrin. „Danke – und entschuldigt bitte. Ich hätte euch von ihm erzählen sollen. Vielleicht war ich einfach zu lange fort, um noch an solche Dinge zu denken. Von Bern nach hier ist es zwar nicht weit, aber dazwischen liegen Welten. So ist es mir jedenfalls vorgekommen.“

Der Grossvater nahm die Pfeife aus dem Mund und sagte:

„Es geschieht zuweilen, dass Kinder erwachsen werden. Und eines Tages nicht mehr alles mit den Eltern teilen wollen. Ja, das kommt vor. Ich habs selber erlebt. Einmal als Sohn. Und einmal als Vater. Meine Lieben, ihr wisst doch auch, wie das ist. Denkt einmal darüber nach. – So. Und nun möchte ich noch einen Schluck Kaffee. Du braust den besten Kaffee weit und breit, meine verehrte Schwiegertochter. Mit Ausnahme der Grossmutter, die nun freilich den Engeln Kaffee kocht.“ Er hielt Kathrins Mutter die Tasse hin.

Kathrin war dem Grossvater dankbar. Er hatte den Bann gebrochen, die Anspannung in der Atmosphäre gelöst.

Trotzdem war ihr noch immer ein wenig unbehaglich zu Mute.

Teufelskraut

Подняться наверх