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Kapitel 5

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Auf dem Trottoir vor der breiten Fensterfront herrschte ein reges Kommen und Gehen. Manche Leute flanierten gemütlich, andere eilten geschäftsmässig vorüber, den Blick gesenkt, den Kragen hochgeschlagen. Es hatte geregnet. Der Asphalt glänzte im abendlichen Schein der Strassenlampen. Die Reifen der Autos erzeugten ein zischendes Geräusch. Berns nächtlicher Puls kam langsam auf Touren.

Kathrin und Rolf sassen in der Spaghetteria und sahen zu, wie der gelangweilte junge Kellner die leeren Teller abräumte. Er warf Kathrin aus melancholischen Augen einen werbenden Blick zu. Sie jedoch hatte nur Augen für Rolf.

„Zwei Espressi, aber bitte heiss“, sagte er. Der Kellner nickte und verschwand.

„Schlaftüte“, brummelte Rolf hinter ihm her.

Kathrin lächelte und drohte ihrem Freund, den sie nun schon zwei Wochen lang nicht mehr gesehen hatte, scherzhaft mit dem Finger.

„Nur immer anständig bleiben, sonst schickt dich die Frau Lehrerin vor die Tür!“

Sie liebte Rolf nicht nur wegen seines verwegenen Aussehens, sondern auch wegen seiner unkonventionellen Art, die von einer widersprüchlichen Mischung aus Unbekümmertheit, Einfühlungsvermögen, oberflächlicher Liebenswürdigkeit, plötzlicher Gereiztheit und grüblerischem Tiefsinn geprägt war. Sein männlich raues, stoppliges Gesicht wurde von üppigen blonden Haarsträhnen umweht, die immer so aussahen, als sei soeben ein steifer Wind in sie gefahren. Obwohl er sehr schlank war, konnte es aufmerksamen Beobachtern nicht entgehen, dass sich sein Oberkörper, den er meistens in etwas zu grosse Pullover kleidete, zu den Schultern hin verbreiterte, seine Unterarme sehnig waren und sein katzenhaft geschmeidiger, fast lautloser Gang von verhaltener Energie zeugte. Seine Augen hatten die Farbe von unergründlichem Bleigrau und zeigten stets einen leicht abwesenden Ausdruck, so, als gehe sie das Treiben dieser Welt überhaupt nichts an.

„Jetzt musst du mir dein Geheimnis aber verraten, du hast es mir versprochen“, schmeichelte sie. Rolf hatte ihr nämlich am Telefon eine Neuigkeit angekündigt, die sie bestimmt freuen werde. Näheres wollte er noch nicht sagen; er sparte sich die Überraschung für den Abend auf.

Nun war es so weit.

„Gut denn, so sei es“, sagte Rolf theatralisch geschwollen. Dann fuhr er in normalem Tonfall fort: „Du hast mich doch gefragt, ob ich nicht in deine Nähe aufs Land ziehen würde, wenn du wieder in dein Dorf zurückkehrst, weisst du noch?“

„Und ob ich das noch weiss“, erwiderte sie. „Du konntest dir das aber überhaupt nicht vorstellen; du seist ein eingefleischter Stadtmensch, sagtest du. Und fügtest noch etwas von kleinkarierten Landeiern an, die den ganzen Tag nichts anderes täten, als sich zwischen den Vorhängen hindurch von Haus zu Haus zu bespitzeln.“

„Du reagiertest ziemlich beleidigt.“

„Und ob.“

„Ich habs mir unterdessen anders überlegt. Ich nehme mir eine Wohnung in Kühnerswald. In einer Woche ziehe ich ein. Es ist alles organisiert.“

Kathrin jauchzte, so laut es ging, ohne im Restaurant Aufsehen zu erregen. „O Rolf, das finde ich aber lieb von dir! Nach Kühnerswald – das ist ja unser Nachbardorf! Dann sehen wir uns endlich wieder öfter. Wo wirst du wohnen?“

„In einem alten Bauernstock. Er gehört einem verwitweten Landwirt. Er lebt allein und fände es ganz nett, wenn jemand im Altenteil wohnen würde.“

„Ich freue mich ja so!“ Kathrin strahlte.

„Nana, freu dich nur mal nicht zu früh“, knurrte Rolf. „Wenn du meinst, dass wir uns nun jeden Tag sehen, täuschst du dich. Du weisst, ich brauche meine Freiheit. Andernfalls hätte ich nämlich vorgeschlagen, dass wir gleich zusammenziehen.“

Über Kathrins eben noch so fröhliches Gesicht huschte ein Schatten. Sie blickte Rolf forschend an. „Ja, ich weiss, deine Freiheit. Du hast mir das oft genug gesagt. Aber könntest du dir denn nie vorstellen, mit mir unter demselben Dach zu leben? Versteh mich nicht falsch. Ich rede nicht von heute und auch nicht von morgen.“

„Warum nicht gleich heiraten? Das ist es doch, was du sagen wolltest! Dass die Frauen auch immer reflexartig mit solchen Sachen kommen müssen!“ Rolf begann sich aufzuregen.

„Jetzt machst du mich aber traurig. Ich habe nicht vom Heiraten gesprochen. Ich wünsche mir im Augenblick eigentlich nur, dass wir uns etwas öfter sehen. Ist das zu viel verlangt, jetzt, wo du nach Kühnerswald ziehst? Liebst du mich eigentlich noch?“

Rolf, dem sich eine gereizte Falte zwischen die Augenbrauen gegraben hatte, entspannte sich. Er griff über den Tisch nach Kathrins Hand und sagte sanft:

„Ich wollte dich nicht verletzen. Lass mir einfach etwas Zeit. Wer weiss – vielleicht kannst du mich eines Tages davon überzeugen, dass wir einen gemeinsamen Haushalt gründen sollten. Für mich ist es halt einfach noch zu früh. Nimm’s nicht persönlich.“

„Verzeih, es ist meine Schuld. Ich bin mit der Tür ins Haus gefallen. Ich wollte dir damit nur zu verstehen geben, wie sehr ich es geniesse, mir dir zusammen zu sein.“

„Ich weiss. Jetzt lass uns aber von etwas anderem reden. Zum Beispiel von deinem aufregenden Gesicht, deinen eleganten Händen, deinen verführerischen Kurven.“ Er lächelte charmant.

Sie lächelte zurück. „Wenn du unbedingt meinst… Zuerst schuldest du mir aber noch eine Antwort. Liebst du mich?“

„Aber natürlich liebe ich dich. Ich müsste mich einen Esel schimpfen, wenn ich’s nicht täte.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“ Rolf senkte seinen unergründlichen Blick in ihre nussbraunen Augen und drückte ihre Hand. Zärtlich erwiderte sie den Druck.

„Wenn du mich so ansiehst, glaube ich dir alles“, sagte sie und deutete über den Tisch einen Kuss an.

Dann kamen die beiden Espressi.

Teufelskraut

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