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RADIO, TECHNIK, LIVE-PRINZIP

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Die frühen Hörspiele konnten einzig in den Funkhäusern produziert werden. Sie waren unabdingbar mit der Radiotechnik verbunden und ein reines und ausschließliches Radioprodukt. »Die Tatsache, dass die Hörspielform ohne die technischen Rundfunkvorgänge nicht entstehen kann, unterscheidet sie grundsätzlich von allen anderen Sendeformen des Rundfunks, die, sofern sie nicht mit Hörspielelementen gemischt sind, bloß Übertragung, bloß Reproduktion darstellen. In diesem Satz ist die erste Definition des Hörspiels enthalten« (SCHWITZKE 1963: 43). Die frühen Hörspiele wurden ausschließlich live gesendet und unter schwierigen Produktionsbedingungen hergestellt: »Ich hatte«, schrieb Erich Kästner 1929, »anderthalb Stunden Gelegenheit, zu beobachten, mit welcher Präzision die Inspizienten und ihre Handlanger zu arbeiten verstehen. Und ich sah auch, welche Mühe und welche Aufmerksamkeit diese Präzision erfordert. Kein Wort darf gesprochen oder auch nur geflüstert werden. Zwanzig Menschen, über zwei Räume und einen Flur, der die Säle verbindet, verteilt, und jeder hält ein Textbuch in der Hand, in dem der Regisseur mit Blau- und Rotstift inszeniert hat, und jeder wartet auf bestimmte Winke, winkt weiter, winkt wieder, führt Winkbefehle aus! […] Er selber, der Regisseur, sitzt inzwischen in seiner Isolierzelle, hört per Radio, was außerhalb seiner Zelle geschieht, gibt durch ein Fenster Wink-Kommandos, jagt seine Sendboten zu den Inspizienten, sie möchten den Regen das nächste Mal besser machen, und zu der Schauspielerin X, sie möge lauter sprechen oder eindringlicher weinen. Und zwischendurch verschlingt er ein Wurstbrötchen, weil er den ganzen Tag schon gesprochen und einstudiert und gewirkt hat« (BLAES 2002: 28).

Außerhalb der technisch noch einfachen Hörfunkstudios war das frühe Hörspiel nicht realisierbar. Es war ausschließlich im Radio mit seinen knisternden Mittel(MW)- und Langwellefrequenzen (LW) hörbar. Unabhängig vom Hörfunk war die spezifische Radiokunst nicht möglich. Hörspiele wurden nicht separat aufgeführt (wie etwa Theaterstücke), sondern waren ein Bestandteil eines vielfältigen – 1925 durchschnittlich etwa sechsstündigen und bald permanenten – täglichen Live-Radioprogramms. Und sie waren vor allem regionale Spiele. Weiter als 150 Kilometer konnten die ersten Sender nicht senden; das Hamburger Programm blieb den Leipziger Hörern unbekannt – und umgekehrt. Die Hörer hatten kaum Alternativen, aber das störte damals wenig. Und wenn ein Stück von mehreren Sendern gespielt wurde, dann immer in verschiedenen Realisationen. Kein Spiel war gleich. Doch die Ausstrahlung eines Hörspiels bei zwei Sendern war lange nicht die Regel, sondern ein »unwahrscheinliches Glück« (SCHNEIDER 1984: 162).

Kleine Geschichte des Hörspiels

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