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HÖRSPIEL, HÖRBUCH, PODCAST
ОглавлениеDoch die bundesdeutsche Hörspielszene ist durchaus in Bewegung. Neben den Veränderungen in den linearen Radioprogrammen auf Ultrakurzwelle und DAB+ haben die neuen digitalen Möglichkeiten zur programmunabhängigen Nutzung die Ästhetik und Machart der Hörspiele verändert. Das Hörbuch ermöglichte erstmals den gezielten Kauf der nun mit ISBN ausgestatteten Hörbücher (mit dem Inhalt ›Hörspiel‹) im Buchladen. Das Internet ermöglichte neben dem lokalen UKW-Radiokonsum weltweiten Empfang über Computer, Laptop, Smartphone. Und es ermöglichte technisch einfaches, automatisiertes und oft kostenloses Herunterladen von Hörspielen. 2005 stellte MDR Figaro Friedrich Schillers Kabale und Liebe in einer Neuinszenierung 14 Tage zum kostenlosen Herunterladen ins Netz, es gab rund 30.000 Downloads. Beim WDR riefen 18.000 Personen ein erstes, probeweise ins Netz gestelltes Hörspiel ab – und damit »sehr viel mehr, als normalerweise Hörer über UKW ein solches Angebot nutzen. Die Redaktion freut sich natürlich. Aber jeder Abruf lässt es auch bei uns in Form der Serverkosten klingeln« (PIEL 2007).
Im Februar 2008 schaltete der Bayerische Rundfunk seinen Hörspiel Pool frei und bot das erste Hörspiel unter einem eigenen Label zum kostenlosen Hören und Downloaden an: Raoul Schrotts Die Erfindung der Poesie (BR, HR, ORF 1997). Die zwölfteilige akustische Anthologie musste nun nicht mehr als 3-CD-Hörbuch für 98 DM bei Eichborn gekauft werden, sie stand jetzt einige Tage kostenlos als Podcast zur Verfügung. »Wir versuchen Hörspiele anzubieten, die auf dem Hörbuchmarkt nie eine Chance hatten oder schon wieder vergriffen sind, die aber für die Hörspielästhetik eine Relevanz hatten«, sagte Hörspiel-Chef Herbert Kapfer 2008 vorsichtig (KAPFER 2008). Bald folgten auch ein Hörspielspeicher (WDR), eine Hörspielbox (NDR) und – zentralisiert – die ARD-Audiothek (2017). Hörspiele sind seither leicht auffindbar. Sie existieren eine gewisse Zeit unabhängig von der Hörfunkausstrahlung weiter. Und zunehmend auch neben dem linearen Hörfunk. ›Podcast first‹ ist gegenwärtig eine Devise der Hörspielmacher.
Das Hörspiel ist heute also multimedial, radiounabhängig, hoch differenziert und jederzeit zugänglich. Es ist eine sehr offene Form, für die selbst Andreas Ammers pragmatische Definition zu kurz greift: »Ein Hörspiel ist dann ein Hörspiel, wenn es eine Hörspielabteilung bezahlt« (AMMER 2002).