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Kapitel 7 Judith, die Fischersfrau

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Mel kann nicht sehen, dass sie tatsächlich am Ufer auf ihn wartet, die glutroten Haare aufgesteckt wie ein zu Haar erstarrter kleiner Springbrunnen auf dem Kopf. Im ersten Moment kann er es nicht begreifen, als er sich umdreht, sie vor ihm steht: die Fischerin. Er sieht sie an, wie zuvor der Karpfen ihn, bleibt im hüfthohen Uferwasser stehen, als er sich an seine Blöße erinnert. Sie mustert ihn mit festem Blick. Mel denkt nur, wie klein sie ist. Als sie ihn fragt, wie er den Fisch gefangen, bricht er sein Erstaunen und als er antwortet, dass der sich fangen ließ, umspielt ein Lächeln ihren roten Mund. Das gleiche rot wie ihre Haare, fällt ihm auf, und dass sie älter ist als er geschätzt hat. Ob er nicht aus dem Wasser komme?

Mel verneint, erklärt seine Nacktheit und wiederum ein Lächeln. Ein breiteres. Mel bittet um den Morgenmantel und sich umzudrehen. Sie legt den Mantel an die Kante des Steges, wendet sich belustigt ab. Er angelt sich das Stück, schlüpft flugs hinein, noch im Wasser, steigt auf die Holzpaletten. „Fertig!“, sagt er und sie sehen sich beide an, amüsiert über ihre Schüchternheit. Wie winzig sie ist, reicht ihm gerade bis zur Brust. Er betrachtet ihre Kinderbeine. Sie trägt sehr kurze, enge Jeansshorts. Die riesigen Plateaujoggingschuhe sehen aus wie Tiere, die ihre kleinen Füße fressen. Unter dem weißen T-Shirt spitze Brüstchen, deren Knospen sich abzeichnen. Breit ist sie in den Schultern, ihre Arme muskulös. Die Hände zu groß, zu erwachsen, mit mehreren silbernen Ringen an den kräftigen Fingern. Fein gezeichnet ist ihr Gesicht. Ein Jungengesicht, verschmitzt, ein wenig gaunerig. Mehr als vierzig wird sie sein, schätzt Mel, als er sie so nahe betrachten kann.

Solche roten Haare hat Mel noch nie gesehen, noch weniger so eine Frisur. Sie inspiziert ihn nicht, blickt ihm in die Augen. Braun sind die ihren, zugleich grün. Mel bewundert noch den roten Springbrunnen, als die Fischerin ihn fragt nach dem Verbleib der Katze. Woher sie weiß, dass eine Katze bei ihm war, will Mel wissen. Die Kinder hätten sie gesehen, als sie auf sein Grundstück schlichen. Als sie seine Skepsis bemerkt, beschreibt sie die Katze: braun, schwarz, grau getigert, der Schwanz im Ganzen schwarz. Sie sieht ihn streng an. „Sie war da bis gestern Nacht, aber vielleicht ist sie zurückgekommen? Sehen wir im Haus nach!“ schlägt Mel vor.

Die Hose kneift ihr in den Po. Die Bäckchen lugen hervor und die Kinderbeine passen so gar nicht dazu, findet er, als er vorangeht durch den Schilfpfad. Und nun fällt ihm plötzlich der heftige Traum ein. Rot wird er im Gesicht. Welch eine Merkwürdigkeit, dass sie nach diesem Traum hier auftaucht. Die Katze ihr gehört. Hat die sie hergelockt? Und was für ein Morgen und dieser Fisch? Ein milder Morgen im sanften Wind. Ein weißgleißender Sonnenstern im vergissmeinnichtblauen Himmel, in dem Gazewölkchen wehen. Samtige Luft duftet nach würzigen, wilden Kräutern. Vögel zwitschern in sommerlicher Euphorie. So ähnlich hätte Mel wohl diesen Morgen beschrieben, wenn er ihn beachtete. Aber im Moment beachtet er aufmerksam das Hinterteil der Rothaarigen. Sie stapfen nah nebeneinander, berühren sich manchmal, bedingt durch die Unebenheit der Wiese. Mel weiß noch immer nicht, wie ihm geschieht. Noch vor zwei Stunden flog er in einer Orgie über den See mit ihr und nun ist sie hier und riecht nach Rosinen.

Sie bekundet ihr Erstaunen ob der Offenheit: die Türe, das Fenster – offen. Alles zu haben, was man will. „Wer was haben will, der soll es sich nehmen!“ entgegnet Mel. Und als sie das Haus betreten, gibt sie ihm insgeheim Recht. Nichts wollte sie von all dem. Das karge Bett, der alte Gasherd neben dem eine rotverblichene Gasflasche steht. Der glucksende, wispernde Riesenkühlschrank, an dem siebenundvierzig kleine Rezeptzettelchen kleben. Zwei wackelig aussehende Thonetstühle an dem rechteckigen Küchentisch, dessen Platte mit Linoleum belegt ist, über der eine zarte lilienförmige Jugendstillampe hängt, mit Bruch im Glas. Das von Isolierband zusammengehaltene, braune Kofferradio, der stumpfgeschruppte Spülstein, aus dem ein dickes gusseisernes Abflussrohr wächst. Inmitten des großen Zimmers ein vorsintflutliches Blechregal, das Mühe hat, die vierhundertdreiundzwanzig Bücher zu tragen. Raumteiler von Küche und Wohnbereich. Die Fischerin steht vor dem Regal, beugt, dreht, streckt den Kopf, geht auf die Zehenspitzen, um Buchtitel zu erlesen.

Mel hat sich in das Klohäuschen verzogen, um sich umzukleiden. Er denkt, sie zum Frühstück einzuladen, sie ein Weilchen bei sich zu haben, und denkt, was für eine außerordentliche Begebenheit! Wie oft hat er sie mit dem Fernglas beobachtet, nackt, sich gewünscht, sie kennen zu lernen. Nun steht sie drüben in der Stube. Er späht durch das Schlüsselloch, sieht ihre Verrenkungen vor dem Bücherregal, sie kommt gefährlich nahe den Tagebüchern und schon hat sie sie entdeckt, winkelt eines heraus, sieht zur Klotüre, schiebt es zurück. Nun wird sie der Katze gewahr, die sich heftig gähnend aus der Decke des Bettes befreit, in die sie sich zuvor eingegraben.

Mel kann nicht verstehen, was die Rote so leise zu der Katze sagt. Aber ich! „Du Weibchen, hast dir ein anderes Herrchen gesucht“ nachdem dieser Arsch uns verlassen hat wegen der jungen Bäckerziege. Idiot! Versager! Verräter!“ Tränen machen sich schon breit, sie legt sich zu dem Tier, schließt es in die Arme und verfällt in ein heißeres Schluchzen.

Mel errät am Beben ihres Oberkörpers, dass sie weint. Bringt es in Verbindung mit dem aufgegebenen Fischerplatz am See. Er verlässt das Häuschen durch die Gartentüre, schreitet die Dahlienhecke ab, zupft da und dort ein welkes Blatt, köpft erblühte Blumenkronen, weiß nicht recht, was weiter zu tun. Frühstück! Sie schläft, die Katze nicht. Bemüht, leise zu sein, stellt er der Schmeichlerin, die um seine Beine schleicht, ein Schälchen hin mit verdünnter Milch. Er setzt Kaffeewasser auf, nimmt die Butter aus dem Kühlschrank, dazu die Marmelade, das Schinkenstück von dem er dünnste Scheiben schneiden will - zwei Eier - schüttet den Rest Milch in den Topf für den Milchkaffee, stellt dazu die dickwandigen Porzellanschalen auf den Tisch. Er schneidet Brot auf von dem großen Bauernlaib, fächert es in den Korb. Die Katze lümmelt auf dem Fensterbrett, als Mel nun aus der Lieblingstischdecke seiner Mutter die Veilchen aus den Falten streicht.

Sie seufzt im Schlaf, die Fischerin, vergrämt ist ihr Gesicht, der kleine Körper entspannt. Jegliche Bewegung Mels verfolgt die Katze mit schräg gelegtem Kopf. Wenn ich sie küssen würde, denkt Mel, belächelt den Flaum auf ihren Wangen… Das glucksende Pfeifen des Wasserkessels bringt beide ins Erwachen. Frühstück! Sie lächelt, hat Tränenschimmer in den Augenwinkel. Mel gießt den Kaffee auf, sie hat das T-Shirt aus der Hose gezogen, so dass es auf den Hintern reicht. Sie setzt sich auf die Stirnseite des Tisches und ordnet ihren Springbrunnen, guckt dabei durch die Ohrenkeile der Katze hinüber an das Fischufer. In diesem Moment hat sie den Feldstecher entdeckt, angelt ihn sich vom Fensterbrett, sieht hinüber, verharrt. Mel, der sie die ganze Zeit nicht aus dem Blick ließ, weiß, dass sie sich nun denken kann, dass er sie heute nicht zum ersten Mal sieht. Er verspürt keinerlei Aufregung noch Anspannung, als die Fischerin durch das Fernglas das Ufer betrachtet. Gerade richtet sie das Glas auf ihn und eine kleine, feine Lächelei beginnt. Mel holt die abgeschreckten Eier, legt sie neben den Schinken, sodann gießt er den Kaffee ein, die heiße Milch dazu. Sie streicht sich Butter auf die Scheibe Brot, teilt sie in drei gleiche Teile, eins mit Marmelade, das andere mit Schinken, das dritte nur gebuttert – ist wohl für das Ei. Der sanfte Wind genügt, um dem Walnussbaum ein Rauschen zu entlocken. Wolken türmen sich hinter dem Horizont, die Katze erschnuppert Gewitter. Mel hat in der Eile die kurzen Hosen angezogen, sieht schinant die bloße Haut. Auch er hat Kinderbeine. Eine vergnügliche Miene ruht in ihrem Gesicht, kaut bedächtig jeden Bissen, macht den spitzen Mund, wenn sie den heißen Kaffee schlürft. Sie schneidet das Butterbrot in zwei Dreiecke, tupft mit einer Spitze das Eigelb aus dem Weiß. Mel bemerkt ihren guten Appetit, schneidet nochmals Brot. Er hofft schon seit Minuten, dass dieser ausstrahlende Druck, der die Herzform fühlbar macht, vom starken Kaffee verursacht wird. Bloß kein Anfall, solange sie anwesend ist, denkt er, vergisst sein Herz im Nu, als sie, wie nebenbei bemerkt, dass ihr Mann sie verlassen hat. Deshalb ist der Fischplatz verwaist, vermutet Mel. Sie nickt zustimmend und legt der Katze ein Fetzchen Schinken vor die Pfote, schiebt den Teller von sich, lehnt sich zurück, kippelt den Stuhl, fasst unter ihr Shirt, holt aus dem Hosenbund ein silbernes Zigarettenetui, entzündet eine Filterlose, inhaliert tief, bläst den Rauch genussvoll gegen die Zimmerdecke. Sie wippt den Stuhl im gleichmäßigen Rhythmus ihrer Stimme, die atonal emotionslos erzählt: von Drogen, Alkoholexzessen, der gewaltigen Selbstüberschätzung ihres Mannes, seiner Ohnmacht, Hilflosig- und Kraftlosigkeit. Die abgebrochenen, wieder begonnenen Therapien, der Arbeitslosigkeit, der soziale Abstieg, die Flucht in diesen unsinnigen Angelsport. Sie setzt den Stuhl abrupt ins Gleichgewicht, redet sich in Rage. Wegen einer neunzehnjährigen Verkäuferin hat er sie verlassen. Der könne er noch was vormachen. Die weiß nichts von ihm und das Beste … sie bereitet eine wirkungsvolle Pause vor, indem sie die Finger verschränkt wie ein geflochtenes Gebinde, auf den Kopf legt, Mel verbittert ansieht und wiederholt: „Das Beste ist, dies geschah eine Woche, nachdem er endlich Arbeit fand.“ Jahrelanges Knausern, alles Geld floss in die Angelei, sie hat auf alles verzichtet, sich nicht gegönnt und zwei Tage bevor er auszog, hat sie sich noch von ihm ein Tattoo aufschwatzen lassen. Sie weitet den Ausschnitt des Shirts und über ihrer kleinen, spitzen Brust kommt ein keltisches Runenzeichen zum Vorschein. Die Haut rundum ist noch gerötet von der frischen Tätowierung. Sie presst eine Faust vor den Mund, so dass die Knöchel weiß hervor treten, unterdrückt das Schluchzen, würgt dafür ein trauriges Kicksen aus der Kehle. Mel fühlt sich unwohl, weiß er doch zu genau, was in ihr vorgeht. Was hat er bloß alles mit der gemeinen Anna erleben müssen. Und um nicht in der ängstlichen Stille zu verbleiben, fängt er an, von ihr zu sprechen. Natürlich will die Fischersfrau wissen, warum die gemeine Anna gemeine Anna genannt wird. Und Mel erzählt ihr bereitwillig die absonderliche Geschichte von dem Kätzchen. Sie ist tief berührt, betrachtet ihn mit zärtlichem Bedauern. Er denkt im selben Augenblick, dass sie ihm sehr gut gefällt. Ihm gefällt ihr offenes, ein wenig naives Gesicht. Ihm gefällt das vertrauliche Gespräch. Ihm gefällt ihre Winzigkeit und dass sie Kinderbeine hat. Mel gefällt es ausgezeichnet, dass sie bei ihm ist, und das sagt er ihr nun. Zugleich erhebt er sich, bietet trotz der frühen Stunde Rotwein an, nur um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie sagt nicht Nein, nicht Ja, sie sagt, dass der Fischer in all den Jahren nicht mit ihr geschlafen hat. Er denkt, ob das eine Aufforderung zum Tanz bedeuten soll, erinnert sich, dass er seit der Trennung von der gemeinen Anna auch keinen Sex hatte. Mel stellt die Gläser auf den Tisch, schenkt ein, sie zupft sich mit den Zähnen Hausstückchen aus den Mundwinkeln, blickt apathisch vor sich hin, bis Mel sie nach ihrem Namen fragt. „Judith“, antwortet Judith, will im gleichen Atemzug Mels Atemzug wissen. „Mel“, kommt es tief und warm aus seinem Munde. „Mel, was?“ fragt sie. „Mel, von Melchior, Heilige Drei Könige!“. Sie hat noch nie gehört, dass jemand so heißt. Er erklärt, dass sein Vater Balthasar hieß. Judiths Vater hieß Emilio, weil er Italiener war. Die Katze heißt Fritz, obwohl sie ein Weibchen ist. Judith raucht eine weitere Zigarette, nippt von dem roten Wein. Fritz klettert vom Fensterbrett auf Mels Schulter, dann auf seinen Schoß, dreht sich viermal bevor er sich einrollt, die Augen schließt. „Fritz liebt Männer“, erklärt sie und Mel erzählt von seinen Katzenphantasien. „Sie fühlt sich wohl bei Dir, Melchior“. Judith sagt Melchior und es klingt so zart, als hätte sie Erdbeereis im Mund. Er spürt sein Herz arbeiten, außerdem erscheint ihm die linke Seite wieder ein bisschen taub. Judith berichtet, wie Fritz zu seinem Namen kam, aber Mel hört nur mit einem Ohr zu.

Mel denkt nämlich zum ersten Mal an mich. Er möchte jetzt nicht sterben. Er möchte aber auch nicht krank sein – halbseitig gelähmt mit Sprachstörungen und was man so hört von Schlaganfallpatienten. Er möchte aber auch nicht zum Arzt und eine sichere Diagnose. Er möchte einfach nur hier sitzen mit Judith und Fritz.

Sie bemerkt, dass er mit den Gedanken ganz woanders ist, fragt ihn danach und Mel beginnt den gestrigen Tag nachzuerzählen. Sie hat die Beine vor die Brust gezogen, umfasst sie mit den Armen, das Kinn stützt auf den Knien, so hört sie ihm zu. Als Mel bei der Stelle angelangt, wie er mit dem Gesicht fast in die Schnecken fiel, beginnt sie mit einem kleinen Lachgemurmel, verfällt ins Kichern, prustet endlich los in schallendes Gelächter, von dem Mel sich anstecken lässt. Als Fritz daraufhin mit einem Satz erschreckt das Weite sucht, reagieren beide wiederum mit Gelächter. Sie seufzen. Judith steht auf, geht zu Mel, gibt ihm kleine, heftige Vogelküsse auf den Mund, umfasst seine Taille, drückt ihn an sich, hat sein Gesicht an seine Brust gelegt, wiegt ihn und sich sachte hin und her, begleitet von einem Singsang – ähnlich wie man es singt, um kleine Kinder zu beruhigen. Mel stellt sich erst ein wenig steif an, stimmt dann in das Gesumme mit ein, traut sich, ihren Nacken zu streicheln, öffnet den Haarspringbrunnen, küsst in den Feuerschopf. Sie beschaukeln sich schon dreihundertzwanzig Sekunden, als Judith in wiederum melchiort, wissen will, ob er sich selbst befriedigt hat im Anblick ihrer Nacktheit durch das Fernglas. Ehrlich verneint Mel – sie sei ihm zu sympathisch und ihr Kinderkörper … Weil sie ihn nicht versteht, erklärt er ihr einigermaßen verschämt die Bilder, die er zum Onanieren braucht. Sie findet ihn lieb. Das sagt sie ihm auch – reibt ihren Bauch an seinem Geschlecht, was Mel peinlich ist, spürt er doch sogleich Erregung. Außerdem hat er den Frauen abgeschworen, nach der Trennung von der gemeinen Anna.

Judith muss wirklich etwas Besonderes für Mel sein – liegen sie doch auf der guten Decke – das letzte Geschenk von Marian, unter dem Walnussbaum, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, Ellenbogen an Ellenbogen und dazwischen Fritz. Mel hat das Radio auf das Fenster gestellt: Es mozartet durch den Garten. Dieser Mel denkt keine Sekunde an die Schwäne, die er sonst um diese Zeit füttert. Er denkt, wie lange wohl Judith bei ihm bleiben wird, ob sie mit ihm schläft und ob er es noch kann. Sein Gehirn hat Bedenken, auch Angst vor Sex. Entsteht etwas daraus? Kommt eine Frau ins Haus? War dann die jahrelange Mühe umsonst, das Alleinsein zu lernen?

Sie sehen durch das Blätterdach in den veilchenblauen Himmel mit entspannten Gesichtern. Mel ist erstaunt ob dieses „Traums“. Sie hat sich nun zu ihm gewendet, liegt an seiner Seite, ein Bein über den Seinen. Judith flüstert mehr als dass sie spricht. Der Kopf ruht auf seiner Brust, betont zärtlich. Vorsichtig gibt sie ihm zu verstehen, dass er keine Angst zu haben braucht. „Vor was?“ „Dass ich bei Dir hängen bleibe!“

Mel ist es sehr behaglich mit ihr, froh über das, was sie sagte, und antwortet mit einem breiten Lächeln. Sie stellt sich vor, dass sie ihn sporadisch besucht. Sie erfreut sind, wenn sie einander sehen, sich küssen, in Zärtlichkeit lieben. Mel spürt ihre Brust an seinen Rippen, hat einen Arm um sie gelegt, atmet synchron mit der schlafenden Judith, kämpft gegen den Schlaf, er will die Zeit mit ihr nicht verschlafen. Die Musik variiert in der Lautstärke, je nachdem wie der Wind sie trägt. Ein Dahlienwind – Mozart wird abgelöst von Beethoven und nach Beginn der zweiten Klaviersonate verschlummert er sich. Mel verweigert den ersten Traum schon im Ansatz, jedoch nach siebzehn Sekunden ist er gefangen im Netz der Träumigkeit. Während Mel in unruhiger Träumerei ist, Judith seinem Arm entschlüpft, begutachtet sie den Schläfer. Sie beugt sich über ihn, eine Sekunde sieht es so aus. als ob sie ihn streicheln wolle, und wie nun Galuppi zärtliche Spielereien aus dem Radio hören lässt, tut sie es, haucht Mel ihr einen Kuss ins Haar.

Ich empfinde auch bei Klaviermusik nichts, dennoch weiß ich, dies ist die Klaviersonate Nr. 8 von Balthasarie Galuppi. Alle Menschen erheitert diese Musik. Mel mag sie auch deshalb wegen Balthasarie … Kaspar, Melchior, Balthasar!

Judith summt die Melodie vor sich hin, lehnt im Türrahmen des Hauses, lässt den Blick kreisen, pendelt sich nun durch den Raum. Sie betrachtet nochmals Mels Kleinigkeiten, nimmt dies und das in die Hand, sitzt auf dem Bett, stülpt sich die clownesken Schuhe über die Füße, verlässt das Haus durch das Klohäuschen.

Schwere Regenwolken verdunkeln den Mittag, die Horizonte bleiern, giftig. Grummelnder Donner wandert über den Himmel, gleißende Blitzadern zucken aus dicken Wolkenbäuschen. Ernste, kleine, harte Regentropfen stechen in Mels Gesicht. Der dreht sich bäuchlings noch in der Benommenheit des Schlafes. Die Katze ist in das Haus gespurtet.

Mel wird plötzlich bewusst, dass Judith fehlt, rappelt sich in die Höhe, schleift die Decke hinter sich her in das Haus. Nein, sie hat keine Notiz hinterlassen!

Mel

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