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Vom Heizwert des Bösen
ОглавлениеDas Böse ist in der Welt vorhanden. Warum? Weil es in dir ist, in deiner menschlichen Kreatur mehr als in jeder anderen. Aber auch das Gute ist in dir größer als in jeder anderen Kreatur. Mancher wird glauben, das Böse sei nicht zu entbehren deshalb, damit das Gute sich davon abhebe, ja abstoße, um dadurch richtig erst in Gang zu kommen. Ein Frommer könnte meinen, Gott lasse das Böse zu, folglich sei es notwendig. Es diene dazu, den Menschen zu demütigen, zu strafen und zu läutern. Jedermann aber wird unterscheiden zwischen dem Bösen, was von der Natur kommt ohne menschliches Zutun und Mutwillen, und dem, was Menschen Böses tun. Wir haben viel Gelegenheit gehabt und haben sie noch, Beobachtungen darüber anzustellen, an uns und an anderen, ob Menschen durch Leid und Leiden zu läutern sind. Und da sehen wir: Weder die heftigsten Erlebnisse des Grauens noch etwa eigene Untaten vermögen viel zum inneren Fortschritt beizutragen, und schon gar nicht die gehäufte Misere des Mangels. Die wenigen Ausnahmen, die wahren Märtyrer, die Überwinder aller irdischen Qual und Unvollkommenheit werden mit Recht als Heilige verehrt. Ach, daß wir doch von allen unsern Übeln genesen und angenehmer würden vor Gott und den Menschen! Ist es so, daß, wie in der nachdenklichsten Heilkunst die Vergiftung durch winzige Mengen gleichen Giftes gesteuert und wie bei den Ozeanriesen das schwere Ruder durch ein kleines Leitruder zum Ausschlag gebracht wird, uns das Böse noch nötig sei? Möge es so sein, möge es, an sich selber übersättigt, in sich selber ersticken, das Böse, möge das Schmutzige sich von dannen spülen, auf daß Platz werde für das Gute und Reinliche! Möge sich das Wort bewahrheiten: Mit scharfen Besen kehrt das Böse selbst sich ins Gericht.
Schon sind uns die ins Prahlerische gefälschten Begriffe des Ruhms, der Pflicht und der Ehre wieder in das rechte bescheidene Licht gerückt, das uns zu leuchten statt zu blenden vermag; schon ist der mißbrauchte Begriff des Heldentums den Zerstörern und Vernichtern entwunden und zurückgegeben denen, die um eines gütigen Zieles willen ihr Alles daransetzen im Dienste der Leidverminderung und des Aufbaues: den Forschern und Ärzten, den Schwestern und Pflegern, denen, die in gefahrvollen Berufen zum Wohle der Allgemeinheit ausharren, und den Rettern auf See und zu Lande, wie auch allen denen, die um der Gerechtigkeit willen zu leiden haben, und allen denen, die ihr Leid, sei es, was es wolle, gelassen ertragen, die, wie es unter Christen in alter großer Symbolik heißt, geduldig ihr Kreuz auf sich nehmen. Ihnen wird die große Sonne aufgehen, die heißt irdische und himmlische Freude. Das Böse, nein, es gebiert das Gute nicht, so wenig wie ein Haifisch Lämmlein wirft. Uns hilft nichts, als das Böse zu verachten und zu überwinden, es niederzuhalten und zu bewachen, damit es, das doch nicht abläßt, ewig in uns zu stacheln und zu schüren, nach Höllen- und Schadenfeuer lüstern, in seiner unzweifelhaften Urzeitkraft vernutzt werde, der weltbegehrten Steinkohle ähnlich, und unsere Freudenfeuer speise, die Stuben unseres Geistes zu heizen.