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Das AE von Peter Globisch
ОглавлениеDas AE ist Handlungsbegleiter, es überprüft Paulos Handlungsintentionen auf ihre Sinnhaftigkeit hin. Es begleitet Paulos Werdegang.
Das AE hat die Fähigkeit, sich mit jemandem zu verständigen, ohne dass dieser bei seiner Antwort den Mund öffnen muss, seine Gedanken werden zum AE übertragen wie ein gesprochenes Wort. Gleichzeitig merkt das Gegenüber, dass mit ihm gesprochen wird, ohne dass er den Absender der Worte sieht.
Als Peter in Templin seine Mechatroniker-Ausbildung gemacht hat, fragte das Das AE ihn einmal:
„Wie fühlst Du Dich in Deiner Ausbildung?“, und Peter antwortete:
„Es ist ungewohnt für mich, immer so früh aufzustehen und mich den Anweisungen des Ausbildungsleiters beugen zu müssen, aber es geht schon!“
Peter lebt mit seinen Eltern in der Kantstraße und hat dort ein eigenes Zimmer, er hat eigentlich ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Sein Vater war Rentner, und er kam oft spät von seinen Treffen mit Freunden nach Hause Peters Mutter saß dann meistens vor dem Fernseher und Peter machte feuertechnische Versuche zumeist im Keller. Eines Tages geschah es aber aus einer Unachtsamkeit heraus, dass Peter sein Versuch entglitt, und der Keller in Brand geriet, ein Nachbar konnte gerade noch mit seinem Feuerlöscher das Schlimmste verhindern.
„Woher stammt eigentlich Deine Liebe zu Feuer?“
„Ich weiß es auch nicht so genau, ich glaube, dass mein Großvater ein Feuerteufel gewesen ist und ich das von ihm geerbt habe.“
Als Peter nach Beendigung seiner Ausbildung ohne Job dagestanden ist, hat er zunächst nicht weiter gewusst, bis Verwandte ihm den Rat gegeben haben, sich im Westen um Arbeit zu bemühen und Firmen anzuschreiben, die in den großen Tageszeitungen annonciert haben. Er hat sich daraufhin ein paar Tage lang die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung gekauft und die Stellenanzeigen studiert, und anschließend hat er Briefe aufgesetzt. Von Weinlinden, wo er sein ganzes Leben lang noch nie gewesen war, hat er schließlich Post erhalten und sich bei, Hopfenbauern Herbert Zacher vorgestellt.
„Hast Du nicht von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei Herbert Zacher gehabt?“
„Nein, in dem Moment, als ich mich bei ihm vorgestellt habe, bin ich froh gewesen, eine Zusage zu bekommen, noch dazu ist mir das Problem mit der Wohnung abgenommen worden.“ Von den politischen Querelen, die zwischen Leopoldsau und Weinlinden bestanden haben, hat Peter nichts mitbekommen, er hat seine Arbeit gemacht und sich aus allem anderen herausgehalten. Da die Tochter von Miriam und Herbert Zacher voltigiert hat, hat sie durch die gesamte Bundesrepublik zu Wettkämpfen gefahren werden müssen, und sie hat ihren ebenfalls reitende Freundin immer mitgenommen. Peter hat sich bemüht, die Mädchen auf Auslieferungsfahrten des Hopfens immer mitzunehmen und machte zu den Wettkampforten einen kleinen Umweg.
„Hast Du auf Deinen Fahrten daran gedacht, dass Du pädophil bist?“
„Woher weißt Du das, ja, ich habe in meiner Jugend einmal ein Negativerlebnis mit der Nachbarstochter gehabt, weshalb ich fürchterlichen Krach mit meinen Eltern bekommen habe.“ Es ist aber nie zu sexuellen Annäherungen an die Mädchen gekommen, Peter hat sie sogar anschließend immer auf ihr Zimmer getragen und sie auf ihr Bett gelegt. Peter macht seine Arbeit gut und Herbert Zacher ernennt ihn zu seinem Vorarbeiter.
„Wie hast Du Dich gefühlt, als Du zum Vorarbeiter befördert worden bist und den Neid Deiner Kollegen heraufbeschworen hast?“
„Ich glaube, dass das ein ganz normaler Vorgang gewesen ist, an meine Arbeitskollegen habe ich dabei überhaupt nicht gedacht.“ Zwischen Weinlinden und Leopoldsau liegt die Berger Mühle, sie gehört als Liegenschaft zu Leopoldsau und soll, wenn der Pachtvertrag ausgelaufen ist, zu einem Fortbildungszentrum der SPD werden, so der einstimmige Beschluss des Leopoldsauer Stadtrates. Leooldsau ist zutiefst sozialdemokratisch geprägt, während Weinlinden CSU-dominiert ist. Das Vorhaben der Leopoldsauer stößt deshalb bei den Weinlindenern auf erheblichen Widerstand,man will in seiner Nachbarschaft keine „linke Kaderschmiede“ haben, auf keinen Fall. Eines Tages kommt Herbert Zacher zu Peter und bittet ihn, Feuer an die Berger Mühle zu legen, damit die Pläne der Leopoldsauer vorerst zunichte gemacht werden. Herbert Zacher stellt Peter für für das Gelingen des Brandanschlages 10000 Euro Belohnung in Aussicht. Peter überlegt nur eine kurze Zeit, bis er sein Einverständnis gibt und den Brandanschlag penibel vorbereitet. Er erinnert sich an seine Versuche mit selbst hergestelltem Napalm und besorgt sich die dazu nötigen Dinge unter anderem in einem Baumarkt in Ingolstadt.
„Bist Du Dir nicht im Klaren darüber gewesen, dass zu einer kriminellen Handlung überredet worden bist?“
„Ich habe daran überhaupt keinen Gedanken verschwendet, ich habe nur im Kopf gehabt, ein Feuer zu entzünden, und der Gedanke hat mich fasziniert.“ Er ist zur Berger Mühle gefahren und hat dort alle Dinge, die er für das Feuer brauchte, abgelegt. Dabei wird er allerdings von Rosi Huber und Hans Diekmann beobachtet, die auf dem Parkplatz der Berger Mühle ein Schäferstündchen halten. Die beiden denken sich aber nichts dabei, dass Peter Globisch dort Kanister und einen Karton mit Kernseife deponiert. Bei dem Feuer wird die gesamte Mühle in Mitleidenschaft gezogen und, was Peter nicht beabsichtigt hat, die behinderte Mutter von Dieter Mertens, dem ehemaligen Pächter, getötet. Auf die Leiche der alten Frau stoßen die Mitarbeiter der Brandursachenerforschung, für sie ist auch der Hergang der Brandlegung schnell klar dargelegt. Rosi Huber stellt Peter Globisch im „Black Rose“,einer angesagten Diskothek in Weinlinden, zur Rede und Peter fühlt sich von ihr überführt. Er sieht seinen einzigen Ausweg darin, Rosi zu töten und macht das auf eine abscheuliche Weise.
„Warum hast Du Rosi Huber umgebracht?“
„Sie hat mich beobachtet, wie ich die Utensilien für den Brand bei der Mühle abgelegt habe und dann natürlich schnell geschlossen, dass ich der Brandstifter und Mörder gewesen bin.“ Hans Diekmann, der Redakteur beim Leopoldsauer Anzeiger ist, schreibt einen Artikel über die Berger Mühle und bringt Peter Globischs Tat zur Anzeige. Die Polizei kommt Peter deshalb schnell auf die Schliche und findet Rosis Blut an Peters Hose und auch das Messer, dessen Fund ihn schließlich zur Strecke bringt.
„Das hat Dir doch klar sein müssen, dass die Polizei Dich kriegt, wenn sie Deine blutverschmierte Hose und auch noch Dein Springmesser findet!“
„Ich habe mich sicher gefühlt, nachdem ich Rosi Huber umgebracht hatte und mir keine Gedanken über Spurenvernichtung gemacht.“ Peter Globisch wird zu 12 Jahren Haft verurteilt, die er in Augsburg im Gefängnis absitzen muss. In dieser langen Zeit geschehen verschiedene Dinge, die für den weiteren Verlauf der Geschichte von Bedeutung sind: Herbert Zacher muss seinen Betrieb schließen, Miriam lässt sich von ihm scheiden und macht einen eigenen Frisörsalon auf, Dieter Mertens betreibt in Leopoldsau sehr erfolgreich die „Traube“ und wohnt mit seiner Freundin ganz in der Nähe, Hans Diekmann steigt zum Chefredakteur beim Leopoldsauer Anzeiger auf und die Berger Mühle wird zum Fortbildungszentrum und auf den neuesten bautechnischen und ökologischen Stand gebracht. Peter Globisch hat während seiner Haft die Fachhochschulreife erworben. Er hat unter den erschwerten Bedingungen seiner Haft die Lernprozedur hinter sich gebracht und sich dabei den Spott seiner Mithäftlinge anhören müssen. Er blieb dennoch bei der Sache und schaffte den Abschluss.
„War die Haftzeit nicht sehr hart für Dich, noch dazu wo Du Dich dazu durchgerungen hast, Dein Fachabitur zu machen?“
„Natürlich ist das kein Zuckerschlecken in Augsburg gewesen und ich habe mir immer wieder die Frage gestellt, warum ich Rosi umgebracht habe, warum ich mich zu dem Brandanschlag habe überreden lassen, aber das bringt ja jetzt auch nichts mehr, ich habe meine Strafe absitzen müssen, und wenn die Umstände auch noch so erdrückend gewesen sind.“ Nach seiner Haftentlassung stellt sich für Peter die Frage, wie es mit ihm weitergehen soll, er muss eine Wohnung und einen Job haben, und das bei den Ressentiments, die bei den Menschen tief verankert sind. Aber da ist das Glück auf seiner Seite: Hans Diekmann klärt sein Verhältnis zu Peter und ist bereit, auf ganz normale Art mit ihm zu verkehren. Dieter Mertens gibt Peter einen Job in der „Traube“, und noch eine Zeit später bekommt er den Hausmeisterjob an der Berger Mühle, nachdem er bei der Stadt vorgesprochen hat. Besonders diese letzte Weichenstellung bringt Peter auf die rechte Bahn und macht aus ihm wieder einen geachteten Menschen. Er ist als Hausmeister für die organisatorischen Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen und für den Unterhalt des Gebäudes zuständig, und das klappt in seinen Händen ausgezeichnet.
„Insgesamt gesehen hast Du doch nach Deiner Haftzeit sehr viel Glück gehabt, man hat Dir geholfen und gesehen, dass Du wieder in geordneten Bahnen lebst.“
„Ja, das stimmt, insbesondere bei der Stadt hat man mir Haftentlassenem sehr viel Vertrauen entgegengebracht und mir den Hausmeisterjob gegeben.“
„Hast Du eigentlich den Job an der Berger Mühle gern gemacht?“
„Ja, sehr gern, ich habe nach der langen Haftzeit endlich wieder eine sinnvolle Aufgabe gehabt, ich bin mit Menschen zusammengekommen, die über ein gewisses intellektuelles Niveau verfügt haben und daran interessiert gewesen sind, sich fortzubilden, dazu sind verschiedene Dinge gekommen, die am und im Haus zu verrichten gewesen sind.“ Peter lernt später Petra Herbers kennen, die die Putzfirma leitet, die in der Berger Mühle saubermacht. Petra lebt von ihrem Mann und dem Vater ihrer Tochter getrennt in einer Eigentumswohnung in Fischgründen, einem Nachbarort von Leopoldsau. Die beiden finden Gefallen aneinander und auch Moni, Petras Tochter, mag Peter gut leiden. Sie treffen sich mal bei Petra und mal bei Peter und kommen sich so immer näher. Dann kommt aber der Moment, vor dem Peter immer große Angst gehabt hat, in dem er Petra beichtet, dass er ein Mörder und Brandstifter ist.
„Das hat Dir doch sicher viel Kopfzerbrechen bereitet, dass Du Petra diese Verbrechen hast gestehen müssen!“
„Das kannst Du wohl sagen und wie sich gezeigt hat, habe ich mit meiner Vorahnung richtig gelegen, dass Petra sich sehr reserviert zeigen würde.“ Aber Petra fängt sich schnell wieder und lässt Peter nicht fallen. Sie fährt mit Moni und ihm nach Augsburg zu Compugate, wo Moni und er sich jeweils einen Computer kaufen, Moni für die Schule und er für sein Fernstudium, das er aufnehmen will. Peter ist über alle Maßen glücklich, dass Petra die Fäden zu ihm wieder aufgenommen hat. Sie vertraut darauf, dass Peter in der Lage ist, sein Leben in die Hand zu nehmen, nachdem er in der Haft sein Fachabitur gemacht hat. Er macht dann einen Termin, an dem er sich mit Petra treffen will, um sich auszusprechen, Petra will einfach von ihm wissen, wie es möglich war, dass er Taten von solcher Grausamkeit verüben konnte.
„Wie hast Du die Aussprache empfunden?“
„Ich habe auch davor einen ziemlichen Bammel gehabt, allerdings nicht mehr so stark, denn Petra wusste inzwischen ja, dass ich ein Mörder gewesen bin.“ Peter gesteht Petra im Anschluss, dass er ihre verständnisvollen Worte doch sehr gut findet, und er gern mit ihr zusammenbleiben möchte. Petra weist aber seinen Vorschlag fürs Erste noch zurück, weil sie gerade erst eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat, und er sie deshalb verstehen soll. In er Folgezeit tragen sich beide für eine Fortbildungsveranstaltung in der Berger Mühle ein. Sie haben sich das Thema „Armut in der Bundesrepublik Deutschland“ ausgesucht und sind mit Inbrunst bei der Sache.
„Was hat für Dich im Vordergrund gestanden, Petra oder das Thema?
„Ich habe zuerst an Petra gedacht, aber auch das Thema hat mich brennend interessiert!“ Peter, inzwischen Student, belegt das Fach Volkswirtschaft an der Fernuniversität und kommt mit der Arbeit prima zurecht. Er ist ein eifriger Student und lernt viel bei sich zu Hause, besonders vor Klausuren, die ihm aber immer sofort mindestens gut gelingen. Eines Tages beschließen Petra und er aber doch, zusammenzuziehen, und Moni freut sich, dass sie zusammenfinden. Peter hat, nachdem seine Eltern in Templin gestorben sind, 200000 Euro geerbt, die er in den Hauskauf stecken will.
„Wie ist der Schritt für Dich gewesen, mit Petra zusammenzuziehen?“
„Ich kann Dir gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich darüber gefreut habe!“ Sie geben eine Annonce auf und haben tatsächlich Glück: es wird ihnen ein altes Haus direkt an der Donau angeboten, das grundsolide ist, und an dem die wichtigsten Reparaturen bereits vorgenommen sind. Fortan wohnen sie im Donau-Haus, das so heißt, weil es direkt am Donau-Ufer liegt. Peter hat die Zeit nicht, über die normalen Hausreparaturen hinaus große Renovierungsarbeiten zu verrichten, er ist zu sehr in seinem Studium befangen. Eines Tages eröffnet Petra ihm, dass sie schwanger ist, und Peter und sie sind glücklich. An Heiraten denken die beiden nicht, denn um glücklich zu sein, muss man nicht heiraten. Petra bekommt einen Jungen und mit Monis und Peters Einverständnis nennt sie ihn Alexander. Nachdem sie ihre Babypause beendet hat, muss sie an eine Kinderfrau denken und gibt einen Annonce auf, auf die sich alle möglichen Frauen melden, sympathische und unsympathische. Sie entscheidet sich schließlich für Anna aus Polen, die von Anfang an einen Draht zu Alexander hat und viel Wärme ausstrahlt. Anna ist mit ihrem Mann Krzysztow von Breslau nach Deutschland gekommen, und sie kann das Geld für die Tätigkeit als Kinderfrau gut gebrauchen, denn Krzysztow verdient auch nicht so viel. Die beiden haben einen Sohn, Jan, der in Monis Alter ist und mit ihr auf das Gymnasium kommt. Da die Urlaubszeit angebrochen ist, steht die Frage im Raum, wohin denn alle fahren sollen, und da macht Anna den Vorschlag, doch nach Polen zu fahren, auf dem Hinweg können alle bei ihren Eltern schlafen. Eine längere Zeit zum Entspannen könne man auf Hel machen. Das ist die Halbinsel, die die Danziger Bucht abschließt, und die auf der Seeseite wunderschöne Strände zu bieten hat. Also packen sie alle Sachen in Petras Corsa und fahren nach Polen. Sie kommen nach langer Fahrzeit in Breslau an und werden dort von Annas Eltern verwöhnt. Alexander macht die lange Fahrt nichts aus, wenn er nicht gerade schläft, nuckelt er an seinem Babyfläschchen und ist ansonsten still.
„Euer Verhältnis zu Anna und Krzysztow ist von Anfang an gut?“
„Wir haben nie Probleme mit ihnen gehabt, das ist bei dem ausgeglichenen Wesen von Anna auch gar nicht möglich!“ Peter macht seinen Abschluss in VWL und ist zufrieden mit sich, Petra hört auf zu arbeiten und überlässt Peter die Leitung des Betriebes.
„Wenn Du noch einmal zurückdenkst, fühlst Du Dich dann vollkommen resozialisiert?“ Es entsteht eine kurze Pause des Überlegens.
„Ich denke schon, dass ich eine Menge glücklicher Fügungen erlebt habe, die sich in Richtung Resozialisierung entwickelt haben, ob ich vollkommen resozialisiert bin, weiß ich gar nicht zu beurteilen, ich finde das auch gar nicht so wichtig, wichtig ist für mich doch, dass ich ein Leben leben kann, wie es jeder andere auch lebt, vielleicht geht es uns materiell ein wenig besser als anderen. Ich denke, dass das, was ich getan habe, nie aus meinem Gedächtnis getilgt sein wird, ich habe aber gelernt, damit umzugehen.“