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Das AE von Paulo und die Seidenstraße

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Paulo sitzt zu Hause mit den Nachbarn in der Laube und hört besonders dann genau zu, wenn Frau Aldenhoven von ihrer ostpreußischen Heimat erzählt. Sie ist Paulos direkte Hausnachbarin, Paulo liebt diese alte Frau, er mag ihre sehr warme und hausfrauliche Art, und er mag den Duft an ihr, einen Duft, der nur ihr zu eigen ist. Eines Tages stirbt die alte Frau Aldenhoven und Paulo ist sehr traurig, er geht zu ihrem Grab und erzählt ihr von seinem Vorhaben, die Seidenstraße entlangzufahren und als er den Eindruck hat, dass er Frau Aldenhovens Einverständnis findet, trifft er Reisevorbereitungen. Paulo will die Seidenstraße entlang reisen, das heißt, dass er alle Möglichkeiten der Fortbewegung an Land

ausschöpfen will, einschließlich laufen. Auch wird er hin und wieder draußen übernachten müssen. Er besorgt sich also einen Schlafsack, Wanderschuhe und einen Rucksack und achtet bei den Dingen auf gute Qualität.

„Warum fliegst Du nicht nach Australien oder in die USA, wie das beinahe alle nach der Schule tun?“

„Eben weil das alle tun, und ich glaube, dass ein Aufenthalt in Australien oder den USA sehr teuer ist.“ Als Jacke will er die „Northface“ nehmen, die ihm bislang gute Dienste geleistet hat. Er hat „Raichle“-Schuhe, einen „Ajungilak“-Schlafsack und einen „Bach“-Rucksack. Sein Plan ist, zuerst die Türkei zu bereisen und danach in den Iran zu fahren, wo er auf den Originalverlauf der Seidenstraße treffen wird. Doch zunächst verabschiedet er sich von zu Hause, steigt in Düsseldorf in ein Flugzeug zur Türkei und fliegt in 3.5 Stunden dorthin. Er übernachtet bei der Familie eines ehemaligen Klassenkameraden, der selbst aber nicht zu Hause ist und lernt dessen Großvater Yussuf kennen. Er war Messerschmied und stellt für Paulo ein hochwertiges Messer samt Scheide her. Paulo setzt nach Asien über und beginnt seine sehr lange Reise. Er fährt zunächst nach Konya und besucht dort den Bruder des Großvaters. Dann geht es weiter nach Malatya, wo er ein Zimmer in einem kleinen Hotel des Bruders seines Fahrers bekommt. Danach wird er in Bingöl Zeuge eines schweren Erdbebens mit vielen Toten. Zum Glück bleiben sein Begleiter und dessen Eltern am Leben. Paulo hat sich angewöhnt, seine Erlebnisse in eine Kladde zu schreiben und diese, wenn sie vollgeschrieben ist, nach Hause zu schicken, bevor er eine neue anfängt. Er reist weiter nach Van, wo er Aysche kennenlernt und sich in sie verliebt. In Van nimmt er den Zug nach Teheran und schließt im Zug Freundschaft mit Jungen aus England.

„Hast Du in Teheran etwas von dem repressiven System im Iran gespürt?“

„Später ganz sicher, als uns die Basij auf den Leib rücken.“ Sie lernen in der Hauptstadt junge Leute in ihrem Alter kennen und werden auf eine Party eingeladen. Dort wird auch Alkohol getrunken und das wird von den Basij entdeckt. Paulo lernt Daria kennen und reist mit ihr und ihrem Bruder nach Isfahan, Qom und Yazd und zu ihren Eltern. Paulo macht Station an der Seidenstraße vor Semnan, wo er in seinem Schlafsack auf einer Wiese schläft, Danach reist er nach Emamshar und übernachtet bei der Familie seines Fahrers. Paulo zieht zu Fuß die A 83 durch die Nachmittagshitze entlang, er döst vor sich hin und macht eine Pause. Irgendwann nimmt ihn ein PKW mit nach Sabzewar. Dort übernachtet er bein seinem Fahrer Amon und dessen Frau Amina und Amon bringt Paulo am nächsten Morgen zur Stadtgrenze. Von dort läuft er wieder die A 83 entlang, isst von dem guten Brot, das er dabei hat und macht auch in der Höllenhitze Pause. Plötzlich hält ein riesiger LKW neben ihm und bringt ihn nach Soltanabad. Er lässt Paulo da, wo er im Ort abbiegt, aussteigen. Er steht an der Straße herum und weiß nicht so recht weiter, als ihn aus einem Haus ein älterer Mann anspricht und ihn zu sich bittet. Paulo soll von dessen Suppe probieren und lernt dessen Freunds und Nachbarn kennen, er unterhält sich mit ihnen vornehmlich über Zeichensprache. Ausgestattet mit üppigen Proviantpäckchen macht sich Paulo am nächsten Morgen wieder auf die A 83. Auf einem Erdwall an der Seidenstraße setzt sich Paulo hin und schriebt und schreibt. Schnell stellt sih wieder eine unerträgliche Hitze ein, als sich mit einem Mal ein zerlumpter und übel riechender Geselle neben ihn setzt. Paulo bietet ihm von seinem Proviant an und lässt ihn sogar aus seiner Wasserflasche trinken. Haschem heißt der zerlumpte Geselle und Paulo und er machen sich auf nach Masshad. Hashem will in Masshad seinen Bruder besuchen und bietet Paulo an, mitzukommen und dort zu übernachten. Haschem wäscht sich in Masshad gründlich und kleidet sich vornehm. Paulo überschreitet die Grenze nach Turkmenistan und wird von einem britischen Archäologen nach Merv mitgenommen, wo das University College London mit Ausgrabungen beschäftigt ist. Paulo hält sich ein paar Tage bei dem Archäologenteam auf und gräbt auch mit aus. Danach macht er sich aber auf in Richtung Usbekistan und stellt sich in Bayram Ali an die Seidenstraße, als ihn ein schwarzer Schäferhund anbellt und er ihm folgt. Der Hund bringt ihn zu einem verlassenen Bauernhof, in dessen Wohnraum eine Frau völlig apathisch im Bett liegt, die von ihrer Tochter mit einem feuchten Tuch gepflegt wird. Die Frau ist schwanger und trägt offensichtlich den toten Fötus in sich, von dem sie entbunden werden muss, wenn sie nicht sterben soll. Paulo ist kein Gynäkologe, er fasst mit seinem laienhaften Verstand in die Frau und zieht das tote Kind, samt Nabelschnur aus ihrem Leib. Lydia, die Tochter, schaut teilnahmslos zu. Sie fasst einfach Vertrauen zu Paulo, was soll sie auch tun?

„Woher hast Du den Mut geschöpft, so einen gynäkologischen Eingriff vorzunehmen?“

„In dem Augenblick hatte ich gar keine Zeit, zu überlegen, ich habe mir einfach einen Ruck gegeben.“ Paulo setzt einen großen Kessel Wasser auf und lässt Lydia die Zinkbadewanne holen, anschließend lassen sie Mara, so der Name der Frau, baden. Paulo entdeckt viele blutunterlaufene Streifen an Maras Körper und ihm kommt ein leiser Verdacht. Er stellt einen Sud aus heißem Wasser und Kamille her und lässt Lydia Maras Wunden damit behandeln. Inzwischen sieht er nach dem Vieh und entdeckt die Leiche von Lydias Vater und Maras Mann, daneben die Axt, mit der er umgebracht worden ist. Lydia ist die Täterin gewesen, sie hat das Martyrium, unter dem ihre Mutter und sie leben mussten, nicht mehr ausgehalten, wird aber, weil sie noch ein Kind ist, nicht belangt. Paulo sorgt dafür, dass Mara und Lydia in die Stadt ziehen und Lara in ihrem neuen Haus eine Schneiderei für Jeans eröffnet. Sie ist sehr erfolgreich und entwickelt sich zu einer Frauenrechtlerin, die sich gegen Unterdrückung und Misshandlung der Frauen einsetzt. Das AE lässt Paulo weiterreisen und verhindert so, dass sich einen Beziehung zwischen Mara und ihm entwickelt. Paulo stellt sich nach Wochen wieder an die Seidenstraße und fährt nach Usbekistan in ein Land, von dem er vorher kaum etwa gehört hat. Er kommt zuerst nach Buchara und lernt zwei amerikanische Studentinnen kennen, es gibt eine kleine Episode zwischen Jenny und ihm. Er schaut sich mit den beiden die Sehenswürdigkeiten der Stadt an und trennt sich wieder von ihnen, um seinen Weg nach Samarkand fortzusetzen. Schließlich fährt er mit einem Arzt in die sagenumwobene Stadt und lernt dort dessen Familie kennen. Seine Kinder gehen noch zur Schule und seine Frau ist gerade dabei, sich eine gynäkologische Praxis einzurichten. Paulo wohnt bei der Arztfamilie und hilft den Kindern bei der Bewältigung ihrer Schulaufgaben und Katja bei den Plänen für ihre Praxis. Die Kinder, Kolja und Aljoscha, sind 14 und 15 Jahre alt und besuchen beide das Gymnasium. Noch leben Boris und Katja mit ihnen in der Plattenbausiedlung am Stadtrand und haben dort eine ausreichend große Wohnung. Da Katja aber eine Praxis in der Altstadt eröffnen will, sehen sie sich nach etwas Schönerem um und kaufen am Ende ein Haus in Samarkands Altstadt. Von da ab ist Paulo eingespannt zwischen der Besichtigung Samarkands, der Nachhilfe für Kolja und Aljoscha und der Renovierung des alten Hauses. Katja hat ihre Verwandtschaft für die Renovierung des Hauses beauftragt, Boris und Paulo haben Farbe, Spachtel und Pinsel gekauft und es geht los. Die Jugendzimmer sind als erste fertig, die Verwandten schaffen das untere Badezimmer, und Paulo geht daran, das alte Parkett im Wohnzimmer zu schleifen. Als alles fertig ist, wirkt das Wohnzimmer zwar wie neu, es fehlt ihm aber noch die Gemütlichkeit. Aber die lässt sich schon noch mit dem Kauf verschiedener Möbel herstellen. Manchmal fehlt nur eine Kleinigkeit wie eine Kommode oder ein kleiner Tisch. Als Paulo ankündigt, bald weiterreisen zu wollen, erntet er vehementen Protest, erst einmal kommen Katjas Eltern aus Buchara zu Besuch, und die muss Paulo unbedingt kennenlernen. Irina und Igor sind wirklich nette Großeltern, und ihnen gefällt das Haus in der Altstadt auf Anhieb. Igor sieht durch Zufall Paulos Messer und hält es voller Bewunderung in seinen Händen. Paulo soll nur immer auf sein Messer achten, es gebe genügend Diebe, die auf so ein Messer aus sind. Am nächsten Tag steht eine Stadtbesichtigung an, die in dem uralten Samarkand von wirklichem Interesse ist. Am Abend kocht Paulo für alle, er kauft mit Katja Gulasch ein und als später das Gulasch auf dem Tisch steht, hauen die Jungen mächtig rein. Auf einem Ausflug nach Urgut konkretisiert Katja ihre Pläne für ihren Praxis, und Paulo sagt Boris, dass er Katja in ihrem Vorhaben unterstützen soll.

„Du bist ja richtig in die Familie integriert, alle nehmen Dich als Menschen ernst.“

„Ja, ich habe mich auch richtig angestrengt, bis es so weit gekommen ist.“ Kaja gibt eine Stellenannonce für eine Arzthelferin auf, und es meldet sich unter vielen anderen Elvina, die gerade mit ihrer Ausbildung zur Arzthelferin fertig ist. Paulo findet Elvina sehr sympathisch und trifft sich mit ihr, um ihr seine Gefühle für sie zu zeigen. Katja stellt Elvina als Arzthelferin ein und bespricht mit ihr die ersten Schritte, die es zu unternehmen gilt. Elvina will von zu Hause weg und in eine eigene Wohnung ziehen. Paulo hilft ihr beim Einzug und sorgt dafür, dass sie von den Möbeln, die Katja und Boris in ihrem Keller stehen haben, reichlich abbekommt. Aber für Paulo kommt die Zeit des Abschieds,nachdem Elvina Katja, Boris, Aljoscha, Kolja und ihn zu sich zum Essen eingeladen hat. Inzwischen ist die Praxis von Katja eingeweiht und sind die ersten Patientinnen behandelt. Die Praxis erweist sich als voller Erfolg in Samarkand und Katja entwickelt sich zu einer hochangesehenen Gynäkologin. Paulo verabschiedet sich mit einem Brief von Elvina, den er ihr nachts auf den Tisch legt und schleicht sich aus ihrer Wohnung. Er nimmt ein letztes Frühstück bei Katja und Boris ein und sagt, dass er ins Ferganatal will Boris rät ihm, unbedingt den Weg über Taschkent zu nehmen, weil er nicht weiß, ob man überhaupt durch Tadjikistan reisen darf. Der Abschied von Katjas und Boris Familie fällt allen schwer, und Boris fährt Paulo an die Stadtgrenze. Das AE sorgt dafür, dass Paulo seine Reise fortsetzt.

„Drei Wochen bist Du in Samarkand gewesen und hast Deinen inneren Schweinehund erfolgreich bekämpft, der Dich dazu bringen gewollt hat, Deine Reise abzubrechen und nach Hause zu fliegen, gut hast Du das gemacht!“

„Ja, es hat mich schon Überwindung gekostet, weiterzureisen, aber dann habe ich mit Frau Aldenhoven gesprochen und den Entschluss gefasst, weiterzureisen.“ Obwohl Paulo auf seinem Weg nach Taschkent die Seidenstraße verlässt, macht er sich in die usbekische Hauptstadt auf, weil er anders nicht ins Ferganatal kommt, wo er wieder auf die Seidenstraße trifft. Das Aussehen der Hauptstadt enttäuscht Paulo auf der ganzen Linie, sie ist 1966 bei einem Erdbeben komplett zerstört und anschließend nach sowjetischem Vorbild wieder aufgebaut worden mit breiten Straßen und Plattenbauten. Paulo setzt sich an einem Park auf eine Mauer und trinkt mit Jugendlichen, die sich zu ihm gesellen, Bier. Als die Jugendlichen zudringlich werden und an seinem Rucksack herumnesteln, steht er auf und macht sich davon, um sich im Park ein Schlafplätzchen zu suchen. Er schläft wunderbar ein und wird erst von merkwürdig scharrenden Geräuschen wach. Jemand stiehlt gerade seinen Rucksack und als er ihn festhalten will, bekommt er einen schmerzenden Schlag ins Gesicht. Zu seinem Glück kommt gerade die Parkwache und die Diebe rennen davon. Die Nacht verbringt Paulo auf der Polizeiwache, und am nächsten Morgen fordert man ihn unmissverständlich auf, Taschkent schleunigst zu verlassen und den Zug ins Ferganatal zu nehmen. Der Zug verlässt die Stadt, in der der Diktator Karimow seinen Regierungssitz hat und fährt in einem weiten S-Bogen nach Kokand.

Das Alter Ego der Protagonisten

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