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IN GEHEIMER MISSION

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Michael kauerte, in seinen Sicherheitsgurt gerutscht, auf der mit Zelttuch bespannten Alu-Klappbank des US-Air-Lifters.

Die Turbinen der Maschine dröhnten monoton.

Michaels Schaumstoffpfropfen im Ohr dämpften das Heulen und Stampfen des Großraumtransporters nur wenig.

Er nahm das Dauerzittern des Flugzeugs nun schon drei Stunden wahr.

Eigentlich wollte er lesen.

Doch war es abgedunkelt, und Lesen im zitterigen Taschenlampenschein war ermüdend.

Einige Passagiere schienen zu schlafen.

Die freien Sitzplätze wurden zum Langlegen genutzt, wie auch die ebenen Metall-Bodenflächen zwischen Ladeschienen und Verzurr-Ösen.

Zwischen den Ketten einer Pionierraupe hatte es sich ein Angehöriger der US-Special-Forces in seinem Schlafsack bequem gemacht.

Die multinationale Gruppe von Zivilisten bestand aus Mitarbeitern von US-Diensten, wie der CIA, aber auch aus Angehörigen des Pentagon, sowie aus Vertretern der Dienste kooperierender Nationen.

Alle unterstützten die Operation „Enduring Freedom“.

Die Gruppe war an den in Bagram inhaftierten Islamisten interessiert.

Michael sollte die deutschen Interessen und die der Abteilung 5 des BND, ‚asymmetrische Bedrohungen‘, vertreten. Er musste in Bagram und Kabul Erkenntnisse der Amerikaner aus den Befragungen der Gefangenen abgreifen. Mit dem deutschen Botschafter und den afghanischen Ansprechpartnern wollte er die Sicherheitslage besonders in und um Kabul analysieren.

Zusammen mit einem Vertreter der Abteilung 2 des Militärischen Abschirmdienstes MAD, ‚Extremismus und Terrorismusabwehr‘, muss er für ein eventuelles militärisches Engagement Deutschlands im Rahmen der Schutztruppe ISAF Informationen über den Norden des Landes beschaffen.

Michael sollte dem Bundeskanzleramt aber auch pikante Fakten zu Verhörmethoden in Bagram, zu den Kontakten zum Roten Kreuz dort und zu einem wahrscheinlichen Massaker an gefangenen Taliban-Kämpfern Ende 2001 in Mazar-i-Sharif liefern.

Ein „Request for Information“, ein „RFI zweiter Priorität“, galt den Kontakten von „Amnesty International“ in Afghanistan und Pakistan.

Luisa hatte am Telefon häufig über Evelyn v. Bernsdorff und die Aktivitäten von A.I.-Berlin berichtet.

Sollte A.I. Kenntnis über seinen Aufenthaltsort und seine Tätigkeit haben und Luisa gezielt über ihn einsetzen wollen?

Das war eher unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen.

Das Flugzeug mit Michael befand sich irgendwo im russischen Luftraum; ein befremdliches Gefühl.

Der Flug von Ramstein nach einem ihm bisher unbekannten US-Stützpunkt „K1“ in Usbekistan zog sich hin.

Michaels Gedanken sprangen hin und her.

Er stellte sich vor, was Luisa gerade machte.

Es tat ihm leid, dass er beim Zwischenstopp in Ramstein nur eine knappe Stunde Aufenthalt hatte, um ein paar Telefonate erledigen zu können.

Er hatte mit Luisa einige Minuten über das Handy geplaudert.

Obwohl er ein tiefes Grundvertrauen in seine Frau hatte, ergriff ihn jedes Mal ein Ziehen im Bauch, wenn Luisa von ihren Ausflügen mit Gregor an den Wannsee, in den Zoo, ins Theater, ins Museum etc. erzählte.

Da sie ihrem Mann nicht schreiben konnte, er aus Tarnungsgründen zu schreiben vermied, verflachte das Thema „Gregor“ bei jedem Telefonat.

Beide waren gut trainiert im Umgang mit Konflikten, die der Partner am anderen Ort der Welt nicht lösen konnte. Eifersucht hatte zwischen ihnen eigentlich keinen Platz. Dennoch, Gregor?

Der war ein fröhlicher Typ, weit jünger als Michael, dazu beruflich unabhängig und unkonventionell im Umgang.

Michael sprach sich leise Mut zu:

„Luisa steht zu mir!“.

Michaels Gedanken verließen Berlin und wanderten nach Bagram und Kabul.

Was würde ihn erwarten?

Wer würde für seine persönliche Sicherheit sorgen?

Würde er sich in Kabul einem Taxifahrer anzuvertrauen, dessen Sprache er nicht spricht?

Würde er über Land nach Mazar-i-Sharif reisen?

Er fragte in sich:

„Bin ich geistig und körperlich noch fit genug, um die möglichen Strapazen von Entführung, Gefangenschaft und Folter zu überstehen?

„Bin ich noch in der Lage, mich im Falle einer geglückten Flucht durch die Stammesgebiete des Hindukusch nach Kabul durchzuschlagen?“

Michael dachte nach, wer ihm in seiner Entwicklung das nötige Rüstzeug mitgegeben hatte.

Vor dem Kosovokrieg hatte er sich diese Frage schon einmal beantwortet.

Er fand die Fundamente seiner Prägung nicht etwa erst in der früheren militärischen Ausbildung.

Es war bereits seine Pfadfinderzeit, die ihn abgehärtet hatte.

Er hatte im Winter kurze Hosen getragen, und die Führung einer Gruppe hatte für ihn früh schon Verantwortung, aber auch Anerkennung bedeutet.

Michael fiel ein Pfingstlager ein:

Die Pfadfinder waren Gast auf einem Bundeswehrgelände.

Ein Geländespiel war angesetzt.

Die Pfadfinderstämme sollten ein „Fort“ mit Jurten und Koten auf einem Hügel einrichten, und es als Trapper zwei Tage lang gegen Indianer verteidigen.

Jeder hatte ein „Leben“, in Form einer vierstelligen Nummer auf zwei rechteckigen Pappschildern, jeweils an Stirn und Hinterkopf sichtbar.

Es galt, die gegnerischen Nummern laut zu rufen oder dem Gegner die Nummer abzureißen.

Eine Taschenlampe, Überlebenspäckchen und das Messer gehörten zur Ausrüstung.

Indianer unterschieden sich von den Trappern durch freie Oberkörper.

Michael gehörte zu den Indianern.

Der Indianerführer Sepp beschloss, die Dunkelheit abzuwarten.

Er sammelte seine „Krieger“ an einem Bauerngehöft. Sie sollten zunächst ruhen und Kräfte sammeln.

Michael aber hatte keine Ruhe.

Der „Häuptling“ gab ihm die Erlaubnis, den „Feind“ zu erkunden.

Michael erklomm einen Baum, von dem aus er die Bewegungen in dem Fort begutachten konnte.

Er fröstelte auf seinem Aussichtsposten und fragte sich, wann die Trapper wohl schlafen gingen und ob man das Stromkabel des Fort-Scheinwerfers mit einem Finnenmesser durchschneiden konnte?

Gegen Mitternacht stieg Michael von seinem Ausguck, lief unbemerkt zum Bauernhof zurück und erstattete Meldung: „Trapper bis auf kleine Wache schlafen gegangen. Annäherung durch Laufgräben möglich. Wenn es gelingt, den Standscheinwerfer vor dem Hauptangriff auszuschalten, kann das Fort überrannt werden. Ich weiß, wo das Lebensmitteldepot liegt.“

Der Indianerhäuptling ließ alarmieren.

Er gab die erforderlichen Anweisungen und sagte zu Michael:

„Bleib an meiner Seite, Mischa, und zeig mir das Lebensmitteldepot. Unsere Indianer haben Hunger!“

Dass der Häuptling damals vorrangig an seine Leute dachte, hatte Michael nachhaltig beeindruckt.

Eine schnarrende Sirene holte Michael aus seinen Erinnerungen zurück.

Sie warnte vor Turbulenzen.

Dank schlechter Erfahrungen war er bereits angeschnallt.

Die Uhr zeigte Michael, dass die C 17 „Globemaster“ noch eineinhalb Stunden in der Luft sein würde.

Mit Blick auf seine amerikanischen Kollegen fiel ihm eine Indianerweisheit ein:

„Der weiße Mann hat die Uhr, wir haben die Zeit.“

Die unguten Gedanken waren verschwunden.

Michael beschloss, Kräfte zu sammeln.

Er aß einen Riegel, nippte an seiner Feldflasche, entspannte sich, dachte einen Augenblick noch an das Paradies der Moslems und nickte trotz der Turbulenzen ein.

Afghanistan ade

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