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»Toll trieben es die alten Römer« – der Fall Roms im Film
ОглавлениеDas römische Imperium war und ist ein beliebtes Filmthema, weil sich hier vor prächtiger Kulisse große Geschichte und blutige Schlachten, Machtkämpfe und verwickelte Intrigen, aber auch Liebesdramen darstellen lassen. Die ersten großen Monumentalfilme wie »Quo vadis« (1951), »Ben Hur« (1959), oder »Cleopatra« (1963) spielen zu Beginn der Kaiserzeit; die unzähligen als »Sandalenfilme« bezeichneten B-Produktionen greifen bis in die sagenhafte Gründung Roms zurück. Meist spielen muskelbepackte Helden, oft Gladiatoren, die Hauptrolle.
Nebenthemen sind gelegentlich Völlerei und Dekadenz als wichtige Kennzeichen des Imperiums, in Streifen wie »Caligula« (1979) oder »Messalina« (1977) geht es um ausschweifenden Sex bis zum Exzess. Ein cineastisches Highlight, das Sandalen- und Monumentalfilme auf die Schippe nimmt und kein Klischee über das alte Rom auslässt, ist Richard Lesters Filmmusical »Toll trieben es die alten Römer« (1966). In diesem komödiantischen Filmmusical der Irrungen und Wirrungen laviert sich ein arbeitsscheuer Sklave durch das Luxusleben und kämpft gegen vertrottelte Politiker und dummdreiste Legionäre um Liebe, Leben und Freiheit.
Ebenso tiefschürfend wie witzig sind zwei weitere Filme. In der dreizehnteiligen Fernsehserie »Ich Claudius, Kaiser und Gott« (1976, Regie: Herbert Wise) werden Augustus und seine Familie so gezeigt, als würden mit ihnen Dekadenz und Niedergang des Imperiums schon beginnen. 1965 verfilmte Helmut Käutner Dürrenmatts Stück »Romulus der Große«, eine eher unhistorische Parabel über die letzten Tage des Weströmischen Reiches: Der letzte Kaiser züchtet Hühner, trinkt Spargelwein und sehnt den Einmarsch der Germanen herbei!
Sehr viel ernsthafter nimmt sich der 1964 vom Regisseur Anthony Mann gedrehte Monumentalfilm »Der Untergang des Römischen Reiches« des Themas an. Etwas unhistorisch beginnt der Untergang um 180 n. Chr., wenn der von Alec Guiness glänzend gespielte Marc Aurel seinen Kampf gegen die Germanen endlich siegreich beendet. Er will nun nicht seinen Sohn Commodus zum Nachfolger machen, sondern den Tribun Livius. Doch der Kaiser wird vorher vergiftet, und der größenwahnsinnige und lasterhafte Commodus führt Rom seinem Verderben entgegen. Held Livius sieht aus Loyalität zum Kaiserhaus lange zu, dann aber wendet er sich gegen den Imperator, den er schließlich tötet. Ein Happy End gibt es nicht: Livius wendet sich angewidert von Rom ab, und zum Schluss des Films sagt ein Sprecher im Off: »Ein Weltreich beginnt nicht erst dann unterzugehen, wenn die äußeren Feinde es bekämpfen, sondern wenn es von innen her zerfällt.« In diesem Film wird vieles kolportiert, was der Normalsterbliche über den Fall des Imperiums zu wissen glaubt: Rom ist dekadent, die Führung inkompetent und in Intrigen verwickelt, der Kaiser größenwahnsinnig. Schließlich: Integration und Verständigung mit den Barbaren hätten das Imperium retten können. Doch Commodus lässt die friedlich feiernden Germanen von einer Soldateska töten.
Im Jahr 2000 gab es ein Remake fast gleichen Inhalts: In dem mit fünf Oscars prämierten Film »Gladiator« (Regie: Ridley Scott) ist es ein fulminanter Russell Crowe alias »Maximus«, der sich dem dekadenten Commodus entgegenstellt. Am Ende sterben beide – und auch das Imperium scheint am Ende. Hier wird neben der Dekadenz und inneren Schwäche des Reiches die Professionalität der römischen Armee geradezu zelebriert, ein Thema, das auch in Filmen wie »Die letzte Legion«, »King Arthur«, »Centurion« (2010, Regie: Neil Marshall) oder »Der Adler der siebten Legion« (2011, Regie: Kevin Macdonald) eine wichtige Rolle spielt. Bei letzteren beiden Filmen ist der Untergang einer Legion in den unwirtlichen Wäldern Britanniens Vorbote des Untergangs und des vergeblichen Versuchs, einen Ausgleich mit den Barbaren geschweige denn deren Integration zu erreichen.
In dem Streifen »Die letzte Legion« (2007, Regie: Doug Lefler) wird Romulus Augustulus ganz unhistorisch statt nach Sizilien nach Capri verbannt, wo er wunderbarerweise das Schwert Julius Caesars entdeckt. Damit flieht er nach Britannien, wo es eine letzte dem Kaiserhaus treu ergebene Legion geben soll. Die Legionäre aber sind längst Bauern, erst nach langem Hin und Her lassen sie sich zum Kampf gegen die räuberischen Angelsachsen bewegen. Am Schluss stellt sich – was für eine Überraschung – Romulus Augustulus als Vater eines gewissen Artus heraus, und Caesars Schwert trägt die Aufschrift »E. S. Calibur«. Eine immer noch gewagte, aber nicht ganz so hanebüchene Verknüpfung vom Ende des Imperiums und der Artus-Sage finden wir in »King Arthur« (2004, Regie: Antoine Fuqua). Dienstverpflichtete Sarmatenreiter unter ihrem Anführer Artorios verbünden sich nach schweren Kämpfen mit den Ureinwohnern gegen die eindringenden Sachsen. Dabei wird nicht nur die Dekadenz des alten Reiches, sondern auch die Verkommenheit der christlichen Kirche angeprangert.
Aus einem anderen Blickwinkel und in einer anderen Region des Imperiums beschäftigt sich der spanische Regisseur Alejandro Amenábar in »Agora – Die Säulen des Himmels« (2009) mit der neuen Staatsreligion. Im Mittelpunkt steht die an der Bibliothek von Alexandria lehrende Philosophin Hypatia (355–415), die im eskalierenden Streit zwischen fanatischen Christen und Anhängern der alten Religion steht und ihm letztendlich zum Opfer fällt. Ihre Ermordung und Schändung wird von Kirchenkritikern seit langer Zeit als Beispiel für die intolerante und frauenfeindliche Haltung des frühen Christentums gesehen. Hier reiht sich dieser preisgekrönte Monumentalfilm auch ein in die schon zu Zeiten der Renaissance aufkommende Auffassung, das Christentum trage eine Mitschuld am Verfall des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes des römischen Imperiums.
Wenn man den Fall Westroms wie die meisten heutigen Historiker nicht einem einzelnen Ereignis zuordnen will, sondern als Prozess begreift, kann man sich fragen, wann denn der Niedergang begonnen habe. So setzen manche Wissenschaftler den Beginn des »Untergangs des Römischen Reiches« mit dem Tod Marc Aurels und der Herrschaft seines unfähigen Sohnes Commodus an – adaptiert im gleichnamigen Monumentalfilm von 1964. Andere wieder verlegen den Anfang vom Ende in die Zeit der Soldatenkaiser. Das Ende dieser wirren Periode durch die Machtübernahme Diokletians und seine Reichsreform wird dann je nach Lesart als zeitweilige Stabilisierung oder als Wende zu einer wenn auch kurzen Spätblüte des Imperiums angesehen.
Mit dieser Reichsreform, die zu mehr Effizienz, aber auch zu einer Bürokratisierung des Imperiums führte, beginnt die Spätantike, eine Periode, die nicht nur – wie vor allem frühere Historiker behaupteten – von Niedergang gekennzeichnet war, sondern auch von kultureller Blüte, von rascher wirtschaftlicher Erholung nach Krisen, ja sogar von erstaunlichen militärischen Siegen nach verheerenden Niederlagen. Dennoch, Niederlagen prägten zwei Drittel dieser Periode, angefangen mit der Schlacht von Adrianopel 378, einer für das gesamte Reich einschneidenden, wenn auch oströmischen Niederlage. Bedeutende Zäsuren sind dann etwa die Plünderung der Stadt Rom 410, der Tod des Aëtius 456 und der Beginn der Herrschaft Theoderichs 493. Die Epoche endet 568 mit der Inbesitznahme Italiens durch die Langobarden – ein Datum, das oft auch als Endpunkt der Völkerwanderung gilt. Dennoch ist das Jahr 476 zum Symbol des Niedergangs geworden, weil man das Römische Reich durch einen Kaiser repräsentiert sah. Um es mit Friedrich Dürrenmatt zu sagen, der sein Drama »Romulus der Große« (1956) mit den Worten des gewesenen Kaisers enden lässt: »Damit, meine Herren, hat das römische Imperium aufgehört zu existieren.«
Sicher ist, dass mit diesem Akt das Weströmische Reich als politische Organisationsform faktisch nicht mehr bestand. Sicher ist auch, dass von diesem Zeitpunkt an alle Bemühungen, das Weströmische Reich als Gesamtgebilde, das den früheren Westen des Imperiums umfasste, zu erhalten, vergeblich blieben. Was folgte, war einerseits der kurzfristig erfolgreiche Versuch Ostroms, sich einige Reste – Italien und Afrika – einzuverleiben oder zumindest nicht gefährlich werden zu lassen. Andererseits strebten germanische Heerführer und Könige danach, auf den Trümmern des Imperiums ihr eigenes, möglichst großes Reich zu errichten. Schon aus propagandistischen Gründen legitimierten sie ihre Staatsgründung als Nachfolge des Imperiums mit oder ohne Duldung des oströmischen Kaisers. Doch auch wenn auf diese Weise Strukturen des alten Imperiums regional in die neuen Reiche übergingen, die zentralen Strukturen und mit ihnen ein eigentliches Zentrum waren verloren. Die Römer in den Provinzen arrangierten sich, ja verschmolzen im günstigsten Fall mit den neuen Eliten.
Imperien sterben langsam, und für ihren Fall gibt es nicht eine einzige Erklärung oder eine klar zu benennende Hauptursache, vielmehr sind es komplexe innen- und außenpolitische Faktoren. Gleichwohl sollte man eine Gesamtwertung und eine Gewichtung der Einzelursachen – wie sie am Ende dieses Buches vorgenommen wird – nicht scheuen. Dass eine solche Deutung indessen oft mehr über die Gegenwart des analysierenden Historikers sagt als über die beschriebene Epoche, birgt ein zusätzliches spannendes Moment. Reizvoll ist auch eine kontrafaktische Betrachtung: Gab es Momente, in denen der Fall des Imperiums wenn auch nicht verhindert, so doch hätte verzögert werden können?
Weitaus wichtiger als solche Überlegungen und als die Festlegung des einen, unzweifelhaften Wendepunkts ist die Frage, was denn der Fall des Weströmischen Reiches für die Nachwelt, für den weiteren Verlauf der Geschichte bedeutete. Folgte dieser Epoche – wie immer man sie datiert – eine harte Zäsur, ein Bruch, eine dunkle Zeit? Oder sind solche dark ages eher Erfindungen späterer Epochen, ideologisch geprägte Überspitzungen eines eher unspektakulären Transformationsprozesses? Auch darauf gibt es keine einfache Antwort. Aber sehen wir uns zunächst einmal die hundert Jahre vor dem Fall an …