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Geben Sie Ihrer Zukunft Zucker!

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Der Besuch der alten Tante

Familienfeste können furchtbar langweilig sein. Nicht bei uns! Nicht wenn Tante Lucie ihr Kommen ankündigte. Dann wurde es in jedem Fall aufregend oder zumindest skurril.

Einmal brachte sie ihre aktuellen Liebhaber mit – gleich zwei! »In meinem Alter braucht eine Frau völlig unterschiedliche Männer!« Und so sahen sie auch aus. Gregor, der Russe, und André, der Philosoph. Tante Lucie machte keinen Hehl daraus, dass Gregors Stärke nicht das gesprochene Wort war, während die zarten Hände von André niemals den Gedanken an körperliche Arbeit zuließen.

Wen oder was würde sie wohl dieses Mal anschleppen? Wieder neue Männer? (Wobei niemand wusste, was aus Gregor und André geworden war.) »Kinder, das müsst ihr euch ansehen!« Umständlich zog sie aus ihrer Reisetasche einen Stoffsack, aus dem sie wiederum einen schwarzblauen Holzkasten hob, der mit zwei großen goldenen Schlössern versehen war. »Na, was vermutet ihr?« Allgemeines Schulterzucken.

Sie öffnete die Holzkiste so vorsichtig, als sei darin der größte Schatz der Welt versteckt. Dann hob sie mit beiden Händen eine große Kristallkugel heraus, die sie auf einen silbernen Fuß setzte. »Diese Kristallkugel habe ich von meiner letzten Indienreise mitgebracht, um in die Zukunft sehen zu können! Irre, oder?«

»Und wie funktioniert die Kugel?«, fragte ich. »Der Inder, der sie mir damals gab, sagte mir, das müsse ich selber herausfinden. Und seit ein paar Tagen weiß ich, wie es geht! Man nimmt sie einfach in beide Hände und wartet, bis die Bilder und Geschichten darin erscheinen. Hat man sie nur kurz in der Hand, dann zeigt sie ein paar Tage, doch je länger man sie in seinen Händen hält, desto länger geht die Reise in die Zukunft.« »Hast du dir deine Zukunft denn angesehen?» »Was glaubst du denn? Stellt euch vor, ich werde noch einen wunderbaren Liebhaber treffen!« »Tante Lucie, du bist über siebzig!« »Glaubst du im Ernst, dass mich das interessiert?« »Und zeigt die Kugel auch dein Lebensende?« »Vermutlich – aber danach habe ich noch nicht geschaut.«

Wenn es jemand wagen würde, bis zu seinem Finale in die Zukunft zu sehen, dann Tante Lucie. »Tante Lucie – komm – trau dich!« Sie zögerte ein wenig, nahm dann aber doch die Kristallkugel und schaute in das Glas. Ihr Gesicht leuchtete plötzlich, sie sah wohl gerade ihren nächsten Liebhaber – verrücktes Huhn! Doch dann verfinsterte sich ihr Gesicht: »Oh Shit, es sind nur noch knapp acht Jahre!«

Wie ist das mit Ihnen – würden Sie in eine Kristallkugel schauen wollen, um Ihre Zukunft zu sehen?

Jetzt erzähle ich Ihnen erst einmal eine Geschichte, die für mein Leben eine große Bedeutung hatte und möglicherweise auch Ihnen einen dramatischen Kick geben wird. Sie sehen auf der Folgeseite eine ziemlich simple Grafik. Es sind 88 Felder, elf Reihen mit jeweils acht Feldern.

Als Leserin sollten Sie die letzten fünf Felder ausixen, als Leser setzen Sie bitte ein X in jeweils alle Kästchen der letzten Reihe und in zwei weitere aus der 10. Reihe.

Als Frau stehen Ihnen damit durchschnittlich 83 und als Mann 78 Lebensjahre zur Verfügung. Nun ixen Sie bitte, mit Kästchen 1 beginnend, für jedes Lebensjahr, das Sie bereits erlebt haben, ein Feld aus. Was dann als freie Kästchen stehen bleibt, ist rein statistisch Ihre Rest-Lebenszeit.

Als ich das erste Mal eine solche Grafik ausfüllte, war ich 22 Jahre alt. Vor mir lag noch eine ganze Menge freie Fläche. Würde ich diese Grafik heute, am 29. Februar 2016, bearbeiten, blieben noch 10 Kästchen leer.

Lassen Sie uns über zwei Extreme sprechen: Im ersten Fall sind bei Ihnen nur noch wenige Felder frei. Dann wäre es doch ein guter Zeitpunkt zu überlegen, was in dieser Restzeit geschehen soll. Und was wäre im zweiten Fall, wenn noch viele Lebensjahre vor Ihnen liegen? Ich würde Ihnen genau dieselbe Empfehlung geben: Überlegen Sie sich ebenfalls, was in der verbleibenden Zeit geschehen soll.

Dass ich heute so neugierig auf meine durchschnittliche Restlebenszeit bin, begründet sich in meinem erfüllten Leben; dieses »Füllen« begann natürlich in der Kindheit, wurde aber ab meinem 22. Lebensjahr sehr viel bewusster von mir erlebt. Fragen Sie sich: Wie ist Ihr bisheriges Leben verlaufen? Super? Oder so lala? Sie haben keine Ahnung?

Zugabe!

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