Читать книгу Working Class Hero oder Frauke von damals - Hans Wienrich - Страница 4

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In der 13. Etage stieg Benito aus, ging um den Fahrstuhlschacht herum zum rück­wärtigen Eingang des Rechenzentrums. Er hielt seine Codekarte gegen das in der Wand eingelassene Lesegerät, die Tür entriegelte, und er betrat den großen Raum, der vom beständigen Rauschen der Klima­anlage erfüllt war. Seit er die alten Platteneinheiten gegen moderne hatte aus­tauschen lassen, gab es hier viel freien Platz, der erstaun­licherweise noch nicht wie sonst von nachdrängenden neuen Gerätschaften in Anspruch genommen worden war.

Die Operatoren hatten sein Kommen sofort bemerkt. Sie gerieten in Bewegung. Wagner legte einen aufgeschlagenen IBM-Ordner auf seine Morgenzeitung, Schmidt nahm eine Rolle in die Hand und ging auf die Bandstation zu, nur Lorenz blieb ungerührt an seinem Platz, da er sowieso an der Systemkonsole saß.

Er begrüßte alle drei mit Handschlag. Er fragte, wie jeden Morgen, ob die Online-Systeme sauber liefen. Die meisten ja, Schwierigkeiten mache das Buchhaltungssystem - da habe es in der Nacht einen Absturz im Batch-Lauf gegeben. Nach Angaben der Nachtschicht sei die Online-Program­mierung verständigt. Benito fragte, ob sie sich vergewis­sert hätten. Er kannte seine Pappenheimer und ahnte, dass sie sich auf die Angaben der Nachtschicht verlassen hatten, anstatt selbst nach­zuhaken. Die Wagner­schicht war bekannt für ihre Lässigkeit - er würde mittlerweile sagen: Nachlässigkeit. Wagner beeilte sich zum Telefonhörer zu greifen, um Behnke - Gruppen­leiter Programmierung - anzurufen. Und als Benito den Rechnersaal verließ, kam ihm Behnke mit einem seiner Programmierer entgegen. Angeblich war der Zettel, den die Nachtschicht auf den Schreib­tisch gelegt hatte, unter andere Unterlagen geraten und deswegen übersehen worden. Vermutlich aber hatten die Herren Programmierer wie jeden Morgen erst einmal über Börsenkurse und Geldanlagen palavert und noch gar nicht mit der Arbeit begonnen.

Er ging hinüber zu seinem Büro. Rosi, die Sekretärin, begrüßte ihn freund­lich. Die Buchhaltung hatte sich natürlich schon bei ihr gemeldet. Er ärgerte sich über die Wagner­schicht und die Programmierer und bat Rosi, noch einmal oben anzurufen und zu erklären, dass eine Platteneinheit ausgefallen sei. Der Schaden werde in ca. einer halben Stunde behoben sein.

Er ging nach nebenan und stellte seine schwere schwarze Tasche auf die Fenster­bank. Rosi brachte den Postordner und legte ihn geöffnet auf den Schreibtisch. Für zehn stand ein Vertreterbesuch an. Das Angebot für den Austausch sämtlicher Terminals in der Abteilung lag in der Mappe.

Sie blieb neben dem Schreibtisch stehen. Er legte die Stirn in Falten und schaute zu ihr. Sie fragte, was mit der Hotelbuchung für Berlin sei.

Er zuckte mit den Schultern - da sei noch nichts geklärt. Er spürte ihr Interesse, aber das ging sie nichts an. Er sagte, er wisse noch nicht, wie lange er bleibe werde. Sie solle ihm die Telefon­nummern geben, er werde das selbst regeln. Je nachdem, wie das Wetter werde - er lasse es drauf ankommen. Die Sekretärin ging zurück ins Vorzimmer.

Gehen Sie gleich zum Frühstück? rief er ihr hinterher. Bringen Sie mir drei halbe Brötchen mit? Danke!

Da habe er ja heute einen gesunden Appetit, wunderte sich Rosi, denn üblicherweise nahm er nur zwei.

Immerhin habe er schon Sport getrieben - wegen dem Fahrstuhlausfall - zwei Stockwerke.

Gut für die Gesundheit. Sie kam mit einer Kopie der Hotel­anmeldung sowie den Bahntickets herüber und goss ihm Kaffee ein. Dann verab­schiedete sie sich zum Früh­stück.

Er schaute auf die Uhr: viertel nach neun. Während er in der Postmappe blätterte, ging er die Termine für den Tag durch. Gleich der Hardware-Vertreter. Um elf ein Gespräch beim Buchhaltungsleiter. Der liebäugelte mit einem neuen Buchhaltungssystem, das auf sogenannten Personal­computern laufen sollte. Benito wollte versuchen, ihm das ausreden, vor allem mit dem Argument der größeren Zuverlässigkeit der jetzigen Großrechner. Umso ärgerlicher natürlich der heutige Systemausfall. Nach der Mittags­pause stand ein unangenehmes Schlichtungs­gespräch mit Wagner und Trimborn an, den beiden Streithähnen aus der Früh- und der Spätschicht. Eventuell würde er die Schichten umbesetzen. Etwas Zeit müsste er sich unbedingt für die Vorbereitung auf die morgige Konferenz reservieren. Zwar standen hauptsächlich Vorträge an, allerdings ging es in der Sache um die Neuordnung des Leitungsnetzes im Konzern. Er musste aufpassen, dass ihm nicht die Fäden aus der Hand glitten - Berlin und München waren interessiert. Damit stand fest, er würde am Abend nicht zeitig aus der Firma gehen können. Den Kranken­­besuch bei Frauke Tiemann würde er auf das Wochenende verschieben müssen, auch wenn er es Wolfgang anders zugesagt hatte.

Er nahm den Telefonhörer in die Hand und versuchte Kathrin zu erreichen. Anscheinend war sie nicht am Platz, aber sie würde seine Nummer auf dem Display sehen.

Rosi kam zurück und brachte ihm einen Teller mit drei Brötchenhälften. Zweimal Tilsiter, einmal Mett. Sie kannte seine Vorlieben. Sie goss ihm Kaffee nach und schloss vorsichtig die Tür. Er legte seine Beine auf den Schreibtisch, langte zur Zeitung - trotz seiner jetzigen Position war er bei der gewohnten Morgenpost geblieben, jedenfalls als harmlose Früh­stücks­lektüre. Genüsslich biss er in die krosse Brötchenhälfte mit Mett.

Das Telefon klingelte. Er schaute auf die Uhr. Noch nicht zehn. Für einen kurzen Moment war er verärgert. Rosi wusste doch, dass ihm diese Viertel­stunde heilig war. Im Allgemeinen hielt sie ihm diese kurze Zeit der Ruhe vor dem Sturm frei und war ziemlich einfallsreich - selbst gegenüber der Chefetage - wenn es darum ging, zu erklären, weshalb er im Augenblick nicht erreichbar wäre. Er nahm den Hörer ab.

Frau Kampfert aus Chemnitz für Sie, sagte die Sekretärin und fügte mit gedämpfter Stimme hinzu, der Vertreter von der Firma CP-Hardware sei eingetroffen. Sie legte auf.

Kati?!

Hallo mein Schatz - guten Appetit!

Danke. Er schluckte den letzten Bissen hinunter.

Du hast versucht mich anzurufen. Da hat mein Herz gleich einen Hupfer getan. Wir sehen uns doch morgen - oder ist bei dir etwas dazwischen gekommen?

Nein, wieso? Natürlich sehen wir uns.

Na, Gott sei Dank. Ich habe einiges mit dir vor. Ich weiß nur noch nicht, wann ich von hier los komme.

Und ich dachte, du würdest uns mit deinem Vortrag beehren?

Der ist erst am Nachmittag. Bis dahin bin ich natürlich vor Ort. Oder meinst du, ich lasse mir den Auftritt vor deiner Altherren-Riege entgehen?!

Es klopfte. Rosi schaute herein, hinter ihr der ungeduldige Vertreter. Benito schüttelte unwirsch den Kopf. Die Tür wurde zugezogen.

Du, Kati - lass uns heut Abend weiter sprechen. Hab jetzt Termin.

Ist gut. Sie legte auf.

Er war nicht sicher, ob sie verstimmt war. Aber erfahrungs­gemäß würde das am Abend vergessen sein.

Er blieb einen Moment sitzen, um sich zu konzentrieren, dann öffnete er die Tür. Der Vertreter drängte sofort auf ihn zu. Handschlag. Kommen Sie doch rein.

Benito trat an Rosis Schreibtisch heran.

Sie bringen uns gleich noch ein bisschen Grundversorgung?

Natürlich. Sie wusste Bescheid: für Benito ab jetzt nur noch Wasser, für den Gast Kaffee und die einfache Keksmischung.

Achja - und fragen Sie bitte bei Behnke nach, ob die Buchhaltung wieder läuft. Und wenn nicht, sagen Sie mir sofort Bescheid.

Er ging zurück in sein Büro und schloss die Tür.

Dann wollen wir mal. Nehmen Sie doch Platz, Herr Wenzel. Tut mir leid, wenn Sie ein paar Minuten warten mussten - wir hatten einen kleinen System­ausfall.

Macht nichts - sowas schlagen wir immer gleich auf die Preise drauf.

Breites Vertreter­lachen.


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