Читать книгу Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit - Hansjürgen Blinn - Страница 14
Der Jüngling
ОглавлениеMein Mädchen mit dem schwarzen Haare
Vollendet heute sechzehn Jahre
Und ich nur achtzehn: Welch ein Glück!
Die Sehnsucht weckt uns jeden Morgen,
Und die Unwissenheit der Sorgen
Versüßt uns jeden Augenblick.
Wir wachsen und, mit uns, die Triebe:
Denn unsrer Jugend gönnt die Liebe
Viel Unschuld; aber nicht zu viel.
Verstand kommt freilich nicht vor Jahren;
Allein, was wir bereits erfahren,
Ist gleichwohl auch kein Kinderspiel.
Der Liebreiz, der uns früh verbunden,
Beschäftigt unsre frohen Stunden
Und bringt dich wieder, güldne Zeit!
Zwar lehren wir und lernen beide;
Doch unsre Wissenschaft ist Freude
Und unsre Kunst Geselligkeit.
Ich will die besten Blumen pflücken,
Euch, Wunder der Natur, zu schmücken:
Dich, freies Haar! dich, schöne Brust!
Wir wollen diesen Tag zu feiern,
Den allerschönsten Bund erneuern,
Den Bund der Jugend und der Lust.
Dann soll ein Bad in sichern Flüssen,
Auf dieses Bad ein frisches Küssen,
Auf frische Küsse frischer Wein,
Auf Wein ein Tanz, bei Spiel und Liedern
Mit regen Schwestern, muntern Brüdern:
Das alles soll mich heut erfreun.
So fröhlich soll der Tag verstreichen!
Ihm soll kein Tag an Freude gleichen.
Nichts übertreff’ ihn als die Nacht!
Die Zeit erwünschter Finsternisse,
Die wacher Schöner stille Küsse
Den Müttern unerforschlich macht.
Friedrich von Hagedorn