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Die Träumerin

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Ein kleines schwarzes Mädchen,

Hielt auf dem weichsten Bette,

Die sanfte Mittagsruhe.

Es schlief, wie Mädchen schlafen,

Es lächelte im Schlafe;

Es regte sich der Busen,

So oft es Atem holte.

Es tat, als wollt es wachen;

Es warf sich hin und wieder,

Und lächelte noch zweimal;

Es steckte bei dem Lächeln,

Die rechte Hand im Busen.

Ich bückte mich und lauschte

Die Linke zu erblicken;

Allein sie war verborgen.

Doch, als ich nicht mehr lauschte,

Zog es sie schnell zurücke,

Und warf sie zu der Rechten,

Und faltete die Hände,

Wie fromme Beterinnen,

Die Händ’ aus Andacht falten.

Ach! sprach ich zu den Brüdern,

Ach seht, das Mädchen betet!

Warum mag doch das Mädchen,

Den harten Himmel bitten?

Vernimm es, sprach ein Bruder:

Ich weiß, dass fromme Mädchen

Gott oft um Männer bitten,

Und dass sie oft, in Träumen,

Die Bitten wiederholen,

In Träumen Männer haben,

Und glauben sie zu küssen.

Dies glaub es, lieber Bruder,

Dies glaubet auch das Mädchen.

Gleich schlich ich zu dem Mädchen,

Und fragt es: Willst du küssen?

Da streckte mir das Mädchen

Die Lippen schnell entgegen,

Und eh ich sie berührte,

Ertönten schon die Schmätzchen.

Nun sagt einmal, ihr Schönen,

Zu mir und meinen Brüdern:

Ihr wollt nur immer küssen.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit

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