Читать книгу Römerfund - harald hohensinner - Страница 7
Kapitel 5
Оглавление„Wenn das stimmt, dann mach ich den Kerl fertig“, brüllte Ferdinand Grabner und klopfte mit einem Finger ständig auf das Schreiben in seiner linken Hand. Seine Sekretärin hatte gerade die Post geholt und als erstes diesen Brief vom Denkmalamt geöffnet. Darin wird bestätigt, dass keine Notgrabungen stattfinden, weil das Grundstück außerhalb des Legionslagers liegt. „Uns hat dieser Windisch erklärt, dass er auf Grund seiner Beziehungen die Grabungen abwenden wird können. Dafür hat er die Hand aufgehalten, natürlich nur für das Museum. Für wie bescheuert hält der mich“, ereiferte sich der Ferdl. Frau Herzig brachte ihm Kaffee, „vielleicht einen kleinen Cognac dazu“, lächelte sie ihren Chef fragend an. „Nicht klein, einen großen Schluck brauche ich jetzt“, bellte er zurück. Grabner griff zum Hörer und wählte Kronhausers Nummer. Der meldete sich, ja und auch er wusste Bescheid. Auch ihn hat ein Schreiben erreicht. „Ja, es ist eine Sauerei und nein, ich würde noch nichts unternehmen. Vielleicht sollten wir diesen Windisch beobachten, vielleicht begeht er noch weitere Fehltritte“. Es bedurfte einiger Überredungskünste, auch Grabner zu überzeugen und schließlich einigten sich die Beiden, die weitere Vorgangsweise bei einem Glas Wein näher zu erörtern.
Windisch hatte sich seine neue Wohnung in Enns ohne großes Aufsehen eingerichtet und er fühlte sich einigermaßen wohl. Hohe Räume, teilweise mit Gewölbe versehen, hell und trotz der zentralen Lage ruhig. Die Küche, ein sehr wichtiger Ort für ihn, war geräumig und die Fenster in Richtung Hauptplatz ließen den Hobbykoch am öffentlichen Leben der Stadt teilhaben. Er öffnete eine Flasche Sekt, um den Einzug in das neue Heim zu feiern, prostete sich zu und leerte das Glas in einem Zug. „Verdammt gutes Zeug“, lobte er seine Wahl und schenkte sich nach. Allein zu sein war er nicht gewohnt, es gab immer einen an seiner Seite, das vermisste Windisch am meisten. Mit Lothar war es so ein harmonisches Miteinander, er war verständnisvoll, einfühlsam und er hatte immer ein Ohr für seine Anliegen oder Sorgen. Sie hatten viele gemeinsame Interessen und einer war für den anderen da. Auch bei Aktionen, die manchmal jenseits der Legalität gelagert waren, standen sie für einander ein. Und dabei gab es einige Fälle, die durchaus der Kriminalität hätten zugeordnet werden können, doch alles ging, immer gut aus. Dabei hatte keiner von ihnen eine grundsätzliche Veranlagung für kriminelle Handlungen. Im Gegenteil, beide kamen aus einem soliden Elternhaus, hatten eine behütete Kindheit - was, wie man ja weiß - allerdings keine Garantie bedeuten muss.
Windisch hatte einen Halbbruder, ein von der Mutter mitgebrachtes lediges Kind, mit dem er sich nicht verstand. Beide gingen sehr bald getrennte Wege. Wie lange habe ich den Gerhard nicht mehr gesehen, überlegte er, konnte aber keine exakte Antwort geben. Nicht, das es ihm ein Bedürfnis gewesen wäre, seinen Halbbruder wieder zu treffen - im Gegenteil, hatte er doch bei der Versicherung eine Bestätigung vorgelegt, die den Tod seines Bruders dokumentierte. Verstorben an einem Krebsleiden und begraben in Boston. Er wollte die Summe der Lebensversicherung seiner Eltern alleine kassieren, nachdem beide bei einem Autounfall ums Leben kamen. Also, dieser unerklärliche Drang zu illegalen Handlungen kam ganz von selbst. In seinem Innersten musste irgendwo ein Samenkorn des Bösen begonnen haben zu gedeihen. Von irgend woher ein Angebot, das verlockend war und schon nutzte er die Gelegenheit.
Lothar kannte eine Adresse in Frankfurt, die Ansprechperson war ein Chinese, der nach Linz kam, die Ware übernahm und das Geld auf dem Tisch legte. Wenn Bedarf an antiken Gegenständen war, egal ob Münzen oder Statuetten, meldete sich der Asiate per Telefon und man versuchte, die gewünschten Stücke aufzutreiben. Nachdem es so leicht möglich war, zu zusätzlichem Geld zu kommen, häuften sich diese Aktivitäten, ohne dass sie sich Gedanken darüber machten. Jetzt, wo Windisch alleine war, ohne seinen Lothar, versuchte er zu recherchieren, ob sein unsichtbarer Feind möglicherweise aus dieser Ecke kommen könnte, um ihn zu erpressen. Gleichzeitig fragte er sich, ob dieser unbekannte Abnehmer auch seine Telefonnummer kannte, für den Fall eines neuen Auftrages, jetzt wo Lothar nicht mehr da war. Während er darüber sinnierte und einige seiner unreellen Fälle durchging, meldete sich sein Handy. Er erschrak so heftig, dass er das Glas Sekt umschüttete, was seine emotionale Situation widerspiegelte.
„Windisch, hallo wer spricht“, meldete er sich schließlich. Der Anrufer blieb anonym, doch dessen Worte ließen den ohnehin nervösen Wahlennser erstarren. „Deinen Lover hast du beseitigt, ich habe alles gesehen. Ich weiß noch viel mehr über deine Machenschaften. Bald wirst du die Rechnung für deine Verbrechen präsentiert bekommen“, dann legte er auf. In seiner Angst und Ratlosigkeit griff er zur Flasche und leerte den Rest.
Leo Blech chauffierte die beiden Kriminalisten zu dem Grundstück, auf dem die Bagger bereits ganze Arbeit geleistet hatten und die Baugruben ausgehoben waren. „Um das Grundstück ging es damals im Museum, ich habe dir davon erzählt“, erklärte er seinem Freund, „da hat mir dieser Dr. Watzl richtig leid getan. Die beiden Eigentümer dieses Areals waren so aufgebracht wegen der Verzögerung bei der Notgrabung, ich glaube die zwei hätten den armen Kerl am liebsten in der Luft zerrissen. Aber seit damals hat er sich nicht mehr anschauen lassen, eigentlich auch niemand vom Denkmalamt“, fügte Blech hinzu.
Kurz und sein Mitarbeiter betraten das Grundstück. „Es ist lehmiger Boden“, stellte Oktavius fest, „vielleicht ist die Leiche hier eingegraben worden“. Kurz prüfte, ob vielleicht Nachbarn gute Sicht auf das Grundstück hätten, doch es gab nur drei Häuser, von denen aus man eventuelle Aktivitäten beobachten hätte können. „Lassen sie die Bodenbeschaffenheit prüfen, vielleicht finden wir eine Übereinstimmung und befragen sie die Bewohner der drei Häuser, vielleicht hilft uns das weiter“, wies er seinen Kollegen an. „Wie hieß der Mann vom Denkmalamt“, fragte er Leo und der gab bereitwillig Auskunft. Kurz notierte sich den Namen, bevor er wieder in Richtung Auto ging. Er reinigte seine Schuhe so gut es ging und klopfte den Staub von seiner Hose. „Ja, und die Namen der neuen Besitzer hätte ich auch noch gerne“ und schenkte seinem Freund ein müdes Lächeln.
„Was ist los mit dir?“, fragte Blech verwundert, „bist du krank, oder ist dir etwas über die Leber gelaufen?“ Nach einer kurzen Pause, drehte er sich zu Blech und sagte, „Dagmar hat mich verlassen, sie will die Scheidung, das muss ich erst einmal verkraften“. Der sonst so redegewandte Blech blieb stumm, lediglich ein leises „Scheiße“ kam ihm über die Lippen. Er lud Martin zum Essen ein, dieser aber lehnte ab, „ein anderes Mal gerne Leo, aber momentan ist mir der Appetit ein wenig vergangen.“ Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und stieg in den Wagen.
Oktavius Befragungen bei den Nachbarn haben nichts ergeben. Er befand sich auf dem Weg zur Firma Grabner und wurde von Frau Herzig freundlich empfangen. „Der Chef ist auf der Autobahn und wird in 10 Minuten hier sein, vielleicht kann ich ihnen die Zeit mit einem Kaffee verkürzen“. Das ist ein Weib, dachte Oktavius, er konnte sich gar nicht genug sehen. Diese Figur, dieser Gang und der Ausschnitt. Das Angebot nahm er gerne an.
„Sagen sie, haben sie den Dr. Watzl kennen gelernt“, begann er ein Gespräch und rührte im heißen Kaffee. „Nein, habe ich nicht“, war ihre Antwort. Auch ihre Stimme gefiel ihm. „Aber das Grundstück, auf dem ihr neuer Arbeitsplatz entsteht, das haben sie sicher schon besichtigt“. Sie nickte: „Ich habe es meiner Freundin gezeigt, aber es gibt ja noch nicht viel zu sehen“. Oktavius, der sonst nie so viel redete, war in seinem Element. „Fand ihre Besichtigung statt, bevor die Aushubarbeiten begannen“, war seine nächste Frage, während seine Augen auf dem Körper der Frau klebten. „Es war nur der Acker zu sehen und ein Mann, der mit einer Schaufel hantierte. Vielleicht war das dieser Dr. Watzl“, gab sie ihm zu verstehen. „Könnten sie die Person beschreiben - groß oder klein“, jetzt interessierten ihn auch andere Details. Vielleicht fand er einen brauchbaren Hinweis. „ Eher groß. Es war schon dämmrig. Alles an dem Mann war dunkel und er ging so sonderbar, so als hätte er Kurzski an den Füssen“, schilderte Frau Herzig dem Kommissar, der immer mehr die Ohren spitzte und eifrig Notizen machte. Das könnte ein sehr wichtiger Hinweis sein, trug doch der Bestatter beim Friedhof solche Schneeschuhe.
Das Telefon läutete und die hübsche Dame sprach mit ihrem Chef. Dann wandte sie sich an Brenner: „Leider Herr Inspektor, Herr Grabner steckt im Stau, es wird später“, entschuldigte sie sich im Namen ihres Chefs. „Ich komme sicher ein anderes Mal wieder und zwar gerne“, flötete er und verabschiedete sich mit einem gefühlsbetonten Timbre in seiner Stimme. Im Allgemeinen kam der junge Kommissar mit seinen 33 Jahren bei den Frauen gut an, er war schlank und sportlich, sah gut aus und deshalb kalkulierte er ernsthaft, bei Frau Herzig irgendwann landen zu können. Aber sie will erobert werden und das braucht eben seine Zeit, dessen war er sich gewiss.
Brenner stammte aus St. Florian, seine Eltern betreiben eine Gärtnerei, aber für ihn war das nie eine Option, auch wenn sich sein Vater das gewünscht hatte. Also kein grüner Daumen beim Junior, der nach dem Abitur zum Militär ging und sich für einige Jahre verpflichtete. Hier merkte er bald, dass sein Aufgabengebiet sehr begrenzt war und viele, zu viele Leerläufe im Tagesablauf nicht sein Ding waren. Er rüstet ab und bewarb sich bei der Polizei, machte die notwendigen Ausbildungen. Seit zwei Jahren arbeitet er mit Kommissar Kurz zusammen.
Es war schleierhaft, wie diese Aussagen von Frau Herzig in Blechs Hände gelangten. In der Wochenendausgabe war ein Bild von ihr zu sehen, darunter in fettgedruckten Lettern zu lesen. „Hat Frau Herzig den Mörder beobachtet?“
„Ich finde, ich bin gut getroffen“, bemerkte sie stolz und legte die Zeitung für jeden sichtbar auf ihren Schreibtisch.
Weniger gut getroffen hatte es Leo Blech, der sich von seinem Freund allerhand anhören konnte. „Wenn in Zukunft all unsere Recherchen in der Zeitung zu finden sind, dann können wir gleich auf- hören zu ermitteln“, belehrte ihn sein Freund Kurz. Auch Oktavius war das Lachen vergangen, war es doch er, der voller Euphorie seine Konversation mit der hübschen Sekretärin ausgerechnet dem Zeitungsmann erzählen musste.
„Es gibt weitere Informationen, die aber jetzt unter Ausschluss der Öffentlichkeit berichtet werden. Leo, wir sehen uns bald“ und elegant komplimentierte er den Neugierigen aus dem Raum, den sie für die Arbeit vor Ort angemietet hatten. Oktavius wollte sich bei seinem Chef entschuldigen, doch der hob die Hand und meinte: „Jeder macht mal einen Fehler. Ich hoffe, Sie merken sich das für die Zukunft“. Damit war das Thema erledigt.
Kurz kam zum Römerfund zu sprechen. „Was wissen wir bis jetzt: eine Leiche, männlich, vielleicht fünf Monate unter der Erde. Ein gesplitterter Rückenknochen, sowie ein Loch im linken Schulterblatt, welches von einer, vermutlich aber von zwei Kugeln stammen könnte. Wir wissen auch, dass die Leiche auf dem Baugrund, wo wir gestern waren, begraben wurde. Der Mord ist wahrscheinlich auch dort begangen worden. Aber das ist vorläufig leider alles. Keine Vermisstenmeldung, die wir weiter verfolgen könnten. Bleibt nur zu hoffen, dass uns der Kollege „Zufall“ einen Hinweis liefert. Das ungewöhnliche Schuhwerk sollten wir noch prüfen. Stellen sie fest, ob solche Schuhe ausgeborgt werden können - wenn ja, die Leute überprüfen. Das ist im Moment alles. Sie bleiben in Enns, ich fahre nach Linz. Also bis demnächst.“ Noch ein kurzes Winken, dann verschwand der Kommissar in Richtung Hauptplatz.
Martin Kurz schloss die Wohnung auf, die in Zukunft ganz allein seine Bleibe sein sollte, zog seine Schuhe aus und ging in die Küche, wo er sich aus dem Kühlschrank ein Bier holte. Außer drei Flaschen Bier, einer Packung Milch, die sich dem Ablaufdatum näherte und einer angefangenen Tube Senf, herrschte gähnende Leere. Im Wohnzimmer war aufgeräumt, Dagmar hatte bereits ihr Hab und Gut abtransportiert, ein Zusammentreffen mit ihr würde nur noch beim Scheidungstermin stattfinden. Dann würde dieses Kapitel abgeschlossen sein, dachte er sarkastisch und prostete sich selbst zu.
Oktavius Brenner war im Grunde sehr froh darüber, dass Herr Grabner unlängst im Stau stecken geblieben war, hatte er doch heute erneut die Gelegenheit, Frau Herzig zu treffen und vielleicht die Chance, ein wenig mit ihr zu plaudern und weitere Kontakte in Erwägung zu ziehen. „Ach, der Herr Inspektor“, hieß sie ihn willkommen und schenkte ihm ein Lächeln, welches seine Knie weich werden ließ und seine Handflächen zum Schwitzen brachte. „Heute haben sie Glück, mein Chef erwartet sie bereits“. Sie führte ihn in Grabners Büro. Sie servierte den beiden Herren Kaffee und verschwand sogleich mit einem lasziven Blick, den sie an beide möglichst gerecht zu verschwenden versuchte.
Oktavius musste sich erst einmal sammeln, bevor er sich in der Lage fühlte, die ersten Fragen zu stellen. „Bevor Sie mich fragen, ob mir etwas aufgefallen sei, Herr Brenner - nein“, kam ihm Grabner zuvor. „Ich war froh, als endlich der verdammte Bescheid vom Denkmalamt kam und wir der Baufirma grünes Licht geben konnten“. Der Jungkommissar überlegte kurz und wollte dann von seinem Gesprächspartner wissen, wer die Person vom Denkmalamt war und warum es so lange gedauert hat, bis die Baubewilligung eintraf.
„ Watzl! Doktor Watzl - dieser Name verfolgt mich wahrscheinlich in alle Ewigkeit. Der hat mir vielleicht Nerven gekostet. Ehrlich gesagt, bei dem Wahnsinnigen lagen mir Mordgedanken nicht fern. Ein Glück, dass der nicht mehr aufgetaucht ist. Zur zweiten Frage, warum es so lange gedauert hat - ich weiß es nicht“. Grabner stand auf und kam mit zwei Gläsern und einer Flasche Brandy zurück. „Auch einen kleinen“, fragte er und goss, ohne auf Antwort zu warten, beide Gläser halbvoll. „Was ist mit diesem Dr. Watzl passiert? Weiß man etwas Näheres?“, bohrte Brenner nach. „Ich habe keinen blassen Schimmer, aber ich weine ihm keine Träne nach“, untermauerte der Angesprochene seine unverhohlene Abneigung gegenüber dieser Person und prostete Oktavius zu. „Das Denkmalamt in Linz wird ihnen mehr Details dazu geben können“, ergänzte Grabner, stand auf, blickte auf seine Armbanduhr und verwies auf seinen nächsten Termin.
„Ich habe im Moment keine weiteren Fragen. Danke Herr Grabner.“ Oktavius reichte ihm die Hand und verschwand ins Vorzimmer, wo die Sekretärin anscheinend schon auf ihn wartete. „Herr Inspektor „, begann Frau Herzig und sendete einen gekonnten Augenaufschlag, „meine Freundin hatte damals einige Fotos gemacht und auf einem davon ist eine Person zu erkennen. Nicht sehr scharf, aber vielleicht können sie damit etwas anfangen“.
Nur verschwommen war ein Mann auszumachen, immerhin ein Bild vom möglichen Täter. „Vielen Dank, es könnte uns weiterhelfen“, sagte er und blickte seinem hübschen Gegenüber eine Spur zu lange in die Augen. Dann packte er die Gelegenheit beim Schopf. „Darf ich sie zu einem Abendessen einladen? Den Zeitpunkt wählen Sie, es würde mich sehr freuen“. Er hat es geschafft, mit leicht geröteten Wangen, aber sichtlich stolz wartete Oktavius auf eine Antwort. Die Angesprochene zierte sich ein wenig, dankte für die Einladung und versprach den Kommissar anzurufen. Zumindest ein Teilerfolg, dachte dieser und empfahl sich lässig winkend.
Beate empfing dem Kommissar Kurz und führte ihn in ihr Büro. Windisch sollte recht behalten, sie war jetzt tatsächlich die neue Chefin des Büros in Linz, also zuständig für ganz Oberösterreich. „Was kann ich für sie tun“, fragte sie neugierig. „Dr. Lothar Watzl war bis vor einem halben Jahr hier der Chef. Was ist eigentlich mit ihm geschehen? Was ist aus ihm geworden?, stellte Kurz die Fragen. Die Dame nahm ihre Brille ab, fuhr sich durch das Haar und setzte sich umständlich, nachdem sie auch dem Kommissar einen Stuhl angeboten hatte.
„Eine wirklich gute Frage, auf die auch wir hier alle keine Antwort wissen. Dr. Watzl ist eines schönen Tages nicht mehr im Büro aufgetaucht. Kein Anruf, keine Krankmeldung, nichts, einfach weggeblieben. Ich habe das der Zentrale gemeldet und die hat sehr viel Geduld bewiesen, ihn schriftlich um Stellungnahme ersucht, allerdings auch eine Kündigung angedroht, sollte er nicht bis zum Jahresende auftauchen oder zumindest einen Grund für sein Fernbleiben bekanntgeben. Genau genommen hat er noch ein Monat Zeit bis zum Jahresende. Vor ungefähr zwei Monaten ist sein Freund aufgetaucht, David heißt er, und berichtete uns von einem Brief Watzls, den dieser aus Sri Lanka geschrieben hätte. Darin kündigt er einen längeren Aufenthalt an, er spricht von mehreren Monaten. Außerdem, so schrieb er weiter, wolle er den Job beim Denkmalamt nicht mehr ausüben. Das war auch der Grund, warum wir ihn nicht als vermisst gemeldet haben“
. Kurz machte sich Notizen und fragte nach der Wohnadresse Watzls, die ihm Beate gerne gab. „Den Familienname und die Adresse seines Freundes David weiß ich leider nicht“, ergänzte die Chefin. „Klingt alles reichlich allgemein und unverbindlich, finden sie nicht.“ Kommissar Kurz konnte seine miese Laune kaum verbergen.“ Hilfreich wäre auf jeden Fall die Anschrift und Adresse von David, vielleicht kann uns der weiterhelfen. Sollten Sie irgendwelche Informationen bezüglich ihres Arbeitskollegen erreichen, rufen sie mich unverzüglich an“, er reichte Beate seine Visitenkarte und verließ das Büro mit knappen Gruß.
Mit schlurfenden Schritten und vorgebeugter Haltung schlich Windisch durch die Ausstellungsräume des Museums. Obwohl er mit seinen Gedanken ganz wo anders war, bemerkte er sofort, wenn eine Vitrine nicht sauber geputzt war, oder ein Ausstellungsstück nicht ordnungsgemäß platziert war. Bei den Münzen blieb er eine Weile stehen, er war begeistert von diesen seltenen Stücken. Vor allem die Goldmünzen übten eine Faszination auf den Archäologen aus. Im Geiste überschlug er den Gesamtwert dieser Stücke, ein Betrag in fünfstelliger Höhe würde dafür erzielt werden. In diesem Metier kannte er sich aus. Zusammen mit Watzl hatte er in der Vergangenheit solche Transaktionen durchgeführt und dabei gutes Geld gemacht. Sollte der Boden in Enns zu heiß werden, und genau danach sah es aus, würde er rechtzeitig handeln, um einen Bonus oder Reisekosten mitzunehmen. Obwohl die Stadt, vor allem die Gemeinde, sowie die freiwilligen Mitarbeiter des Museums, überaus zufrieden mit ihm waren. Die Besucherzahlen waren im Steigen, die Maßnahmen, die Windisch setzte, brachten einen Erfolg auf allen Linien. Aber diese anonymen Nadelstiche, die leicht zu Messerstichen werden könnten, erinnerten ihn nicht nur an seine vergangenen Verbrechen, sondern ließen ihn ständig um sein Leben bangen.
Die Tageszeitungen lagen auf seinem Schreibtisch als er sein Büro betrat. Einen Espresso aus der Maschine, dann startete er seine Informationsphase in Sachen Kultur, Kunst und Lokales. Die lange Nacht der Museen wurde massiv beworben, das Museum Lauriacum beteiligte sich zum ersten Mal, obwohl es viele Gegenstimmen im Vorstand gab, doch Windisch hatte sich durchgesetzt. Der Erfolg gab ihm recht. Ein Bus aus Mauthausen, es war ein Singverein, der um 19h das Museum füllte.