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2.9 Schlusswort
ОглавлениеDARWIN hat die Gesetze der biologischen Evolution an einigen Arten entdeckt. (Die Darwin-Finken waren es übrigens nicht!) Und es zeigte sich, dass diese Gesetze für alle Lebewesen gelten, für Pflanzen, Tiere und Menschen, auch für Lebewesen, die zu DARWINS Zeit noch gar nicht bekannt waren. Daran hatte schon DARWIN keine Zweifel, während sein Kollege und Konkurrent ALFRED R. WALLACE den Menschen von diesen Gesetzen ausnehmen zu müssen glaubte.
Wir haben gesehen, dass die Gesetze der Evolution auch auf Bereiche anwendbar sind, die mit Biologie zunächst gar nichts zu tun haben. Diese Erweiterungen seiner Theorie hat DARWIN nicht miterleben dürfen. Sicher war er glücklich, dass er einen so tiefen Blick in die Ordnung der Welt werfen durfte. Wir haben das Glück, mit diesen Einsichten arbeiten und leben zu dürfen; wir haben die Zuversicht, dass es im Bereich des Komplexen noch ungeheuer viel zu entdecken, zu erklären und zu gestalten gibt; und wir sind überzeugt, dass die Evolutionstheorie, wo sie falsch oder unvollständig ist, noch verbessert werden kann.
Die Welt, die belebte wie die unbelebte, ist nicht weniger faszinierend, wenn wir sie erklären können. Wir dürfen uns über vieles wundern; aber wir brauchen deshalb nicht an Wunder zu glauben. Im Gegenteil: Wer sich nicht wundert, hat keine Fragen, und wer an Wunder glaubt, verlernt das Fragen. Denn was er nicht versteht, was nicht in sein Menschen- oder Weltbild passt, das erklärt er kurzerhand zum Wunder – und hat fortan seine Ruhe. Aber wenn wir uns damit abfänden, was gäbe es dann noch zu erforschen?
Zum Glück hat es sich für unsere evolutionären Vorfahren gelohnt, bis ans Lebensende neugierig zu sein. Auch wenn Neugier im christlichen Mittelalter als Laster galt: Als Kinder der Neuzeit und der Aufklärung dürfen wir hoffen, dass uns diese lebenslange Neugier erhalten bleibt.
1 THEODOSIUS DOBZHANSKY: Nothing in biology makes sense except in the light of evolution. American Biology Teacher 35 (1973) 125–129.
2 Zum Begriff circulus virtuosus GERHARD VOLLMER: Über vermeintliche Zirkel in einer empirisch orientierten Erkenntnistheorie (1983). In ders.: Was können wir wissen? Band 1: Die Natur der Erkenntnis. Stuttgart: Hirzel 1985, 42008, 217–267, S. 236–243.
3 ALFRED WEGENER: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Vieweg 1915, 41929, Nachdruck 2005.
4 ALBERT CHARLES SEWARD (Hrsg.): Darwin and modern science. Cambridge University Press 1909; Nachdrucke 2006, 2008, 2009.
5 JULIAN HUXLEY: Die Anfänge des Darwinismus (Vortrag 1958). In ders.: Ich sehe den künftigen Menschen. Natur und neuer Humanismus. München: List 1965, 37–54, S. 31.
6 CHRIS BUSKES: Evolutionär denken. Darwins Einfluss auf unser Weltbild. Darmstadt: WBG 2008 – PHILIPP SARASIN, MARIANNE SOMMER (Hrsg.): Evolution. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2010.
7 GERHARD VOLLMER: Im Lichte der Evolution. Darwin in den Wissenschaften und in der Philosophie. Stuttgart: Hirzel 2015.
8 GEORG TOEPFER: Generelle Evolutionstheorie. In SARASIN/SOMMER, s. Anm. 6, 126–137.
9 DANIEL C. DENNETT: Darwins gefährliches Erbe. Die Evolution und der Sinn des Lebens. Hamburg: Hoffmann und Campe 1997 (vergriffen, auch gebraucht unerschwinglich!) (engl.: DARWIN’s dangerous idea: evolution and the meanings of life. 1995).
10 Über vergangene, gegenwärtige und zukünftige Kränkungen GERHARD VOLLMER: Abwertung des Menschen – Aufwertung des Tieres? Kränkungen und kein Ende. In: HELMUT FINK, RAINER ROSENZWEIG (Hrsg.): Das Tier im Menschen. Münster: Mentis 2013, 235–272.
11 ENRICO COEN: Die Formel des Lebens. Von der Zelle zur Zivilisation. München: Hanser 2012 (engl.: Cells to civilizations. The principles of change that shape life, 2012).
12 GERHARD SCHURZ: Evolution in Natur und Kultur. Eine Einführung in die verallgemeinerte Evolutionstheorie. Heidelberg: Spektrum 2011. – Nicht zu verwechseln mit dem Sammelband VOLKER GERHARDT, JULIAN NIDA-RÜMELIN (Hrsg.): Evolution in Natur und Kultur. Berlin: de Gruyter 2010, bei dem keine übergreifende Theorie angestrebt wird.
13 PETER MERSCH: Die egoistische Information. Eine neue Sicht der Evolution. North Charlton, SC: Create Space 2014 – Einige ältere Bücher von Mersch wie Evolution, Zivilisation und Verschwendung von 2008 und Systemische Evolutionstheorie von 2012 kann man als Vorstufen des Buches von 2014 ansehen.
14 RICHARD D. ALEXANDER: The search for an evolutionary philosophy of man. Proc. Roy. Soc. Victoria 84 (1971) 99–119.
15 JOHN LOSEE: Wissenschaftstheorie. Eine historische Einführung. München; Beck 1977, 112 (engl. 1971).
16 Den Einfluss der Evolutionstheorie auf die Philosophie diskutiert der Philosoph MICHAEL HAMPE (∗1961) in dem Buch PHILIPP SARASIN, MARIANNE SOMMER (Hrsg.): Evolution. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler 2010, 273–286.
17 CHARLES S. PEIRCE: Naturordnung und Zeichenprozess. Schriften über Semiotik und Naturphilosophie (Hrsg. HELMUT PAPE). Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998, Manuskript 975, etwa 1884, 117–119; der Ausdruck evolutionäre Philosophie findet sich dort auch auf S. 237.
18 Einen Einblick in die naturalistische Weltsicht gibt GERHARD VOLLMER: Gretchenfragen an den Naturalisten. Aschaffenburg: Alibri 2013.
19 JOHN DEWEY: Der Einfluss des Darwinismus auf die Philosophie. In JOHN DEWEY: Erfahrung, Erkenntnis und Wert. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2004, 31–43, S. 36 (engl. 1909).
20 Die zahlreichen Irrtümer von Schwanitz im Hinblick auf Evolutions- und Relativitätstheorie benennt und erläutert GERHARD VOLLMER: Interdisziplinarität – unerlässlich, aber leider unmöglich? In MICHAEL JUNGERT u.a. (Hrsg.): Interdisziplinarität. Theorie, Praxis, Probleme. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 2010, 22013, 47–75, S. 68–71.
21 GEORGE G. SIMPSON: Biology and the nature of science. Science 139 (1963) 81–88, S. 84.
22 KLAUS RICHTER: Die Herkunft des Schönen. Grundzüge der evolutionären Ästhetik. Mainz: Philipp von Zabern 1999.
23 GÁBOR PAÁL: Woher kommt der Sinn für das Schöne? Grundzüge einer evolutionären Ästhetik. In H.A. MÜLLER (Hrsg.): Evolution: Woher und Wohin? Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008, 165–179 – Umfassend und überzeugend ist auch THOMAS JUNKER: Die Evolution der Phantasie. Wie der Mensch zum Künstler wurde. Stuttgart: Hirzel 2013.
24 GERHARD VOLLMER: Wie viel Metaphysik brauchen wir? In DIRK WESTERKAMP, ASTRID VON DER LÜHE (Hrsg.): Metaphysik und Moderne. Würzburg: Königshausen & Neumann 2007, 67–81, S. 78–81.
25 KARL R. POPPER: Natural selection and the emergence of mind. Dialectica 32 (1978) 339–355, S. 345; deutsch gekürzt in: KARL R. POPPER: Lesebuch. Ausgewählte Texte. Tübingen: Mohr Siebeck 1995, 225–233, S. 229.