Читать книгу Die Gefangene des Königs - Harry Voß - Страница 6
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2. Dezember
Nach der Schule standen Lisa, Timo und Flo vor dem großen Holztor an Herrn Königs Zaun. Sie drückten den Klingelknopf. Nichts passierte. Sie drückten noch einmal. Durch die geschlossenen Scheiben zur Straße hin hörten sie, wie es in der Wohnung klingelte. Aber niemand öffnete.
„Es ist keiner zu Hause“, vermutete Timo.
„Das glaub ich nicht“, sagte Flo. „Herr König geht nie weg!“
„Ist denn das Mädchen noch oben im Zimmer?“, fragte Lisa. Die drei Kinder entfernten sich leicht vom Haus, um besser nach oben schauen zu können. Aber es war niemand zu sehen.
„Vielleicht hat Herr König sein Enkelkind zu Besuch“, versuchte Lisa eine Erklärung zu finden. „Und heute ist er mit ihm einkaufen oder spazieren gegangen.“
„Herr König hat kein Enkelkind“, widersprach Flo sofort. „Das hätte ich doch gesehen. Ich habe noch nie beobachtet, dass Herr König Besuch gehabt hätte.“
„Vielleicht kommt der Besuch nur, wenn du gerade nicht hinschaust“, sagte Lisa.
„Das wäre ja ein Zufall!“
Timo klingelte noch einmal. Er donnerte mit der Faust gegen das Holztor.
Endlich hörten sie etwas. Die Gardine hinter einem der Fenster wurde zurückgezogen. Der alte Herr König öffnete das Fenster. „Was soll das? Warum klingelt ihr wie Verrückte?“
„Wir wollten zu dem Kind, das bei Ihnen wohnt“, erklärte Timo.
„Kind?“ Herr König räusperte sich. „Willst du mich beleidigen?“
„Da hat doch heute Morgen ein Mädchen oben aus dem Fenster geschaut. Wer ist das?“
„Wie bitte?“ Herr König beugte sich aus dem Fenster und schaute nach oben. „Wer soll da aus dem Fenster schauen? Ich glaube, ihr spinnt! Verschwindet und hört auf, ältere Menschen zu belästigen!“
„Aber Moment mal“, schaltete sich Lisa ein. „Als wir heute früh zur Schule gegangen sind, stand da oben ein Mädchen am Fenster und hat zu uns nach draußen geschaut!“
„Ja“, bestätigte Flo. „Und es hat ‚Hilfe‘ auf die Scheibe geschrieben .Und ‚Hilfe‘ gerufen!“
„Was?“ Herr König hob wütend seine Faust. „Das wird ja immer frecher! Ich wohne hier alleine, das dürfte ja wohl bekannt sein! Das obere Zimmer steht seit vielen Jahren leer! Da wohnt niemand!“
„Überzeugen Sie sich selbst!“, rief Lisa. „Wir haben es heute Morgen gesehen! Vielleicht wohnt ja da oben jemand und Sie haben es gar nicht mitbekommen! Schauen Sie doch einfach mal nach!“
„Ich rufe gleich die Polizei, wenn ihr nicht sofort verschwindet!“ Herr König schlug das Fenster zu.
Die Kinder schauten sich an. „Mama mia“, murmelte Lisa nach einer Weile. „Ob Herr König gar nicht weiß, dass da oben jemand wohnt?“
Flo schüttelte den Kopf. „Das kann eigentlich nicht sein.“
„Vielleicht haben wir uns auch nur geirrt“, sagte Timo, „und waren heute Morgen noch so müde, dass wir geträumt haben.“
Flo schüttelte den Kopf. „Nee. Ich war vielleicht müde. Aber nicht verrückt.“
„Und wir haben es ja alle drei gesehen“, stimmte Lisa zu. „Wenn wir müde sind und träumen, dann träumen wir doch nicht alle dasselbe.“
„Das stimmt. Trotzdem hat Herr König gesagt, da ist niemand.“
„Sehr merkwürdig.“
Weil sie sich aber sonst keinen Reim darauf machen konnten, gingen sie erst mal nach Hause. Vielleicht hatten sie ja wirklich nur geträumt.