Читать книгу Die Gefangene des Königs - Harry Voß - Страница 8
Оглавление[no image in epub file]
4. Dezember
Auf dem Weg nach Hause kamen Lisa, Timo und Flo wieder am Haus von Herrn König vorbei. Obwohl Flo die ganze Zeit an das Mädchen am Fenster denken musste, redeten sie über alles Mögliche andere: die Weihnachtsfeier in der Schule, die Weihnachtsgeschenke, die Hausaufgaben – aber nicht über das unheimliche Mädchen. Da hörten sie, wie oben ein Fenster geöffnet wurde. Keiner von den Dreien sah nach oben. Es war, als gruselte es ihnen vor der unheimlichen Gestalt, die sie nun schon zweimal gesehen hatten, die es aber laut Herrn König dort nicht gab.
Ein Blatt Papier segelte von oben herunter und landete neben den Kindern auf dem Gehweg. Jemand hatte etwas darauf gemalt. Eine Tüte. Oder eine Tasche. Oder einen Sack? Jedenfalls sah es so aus, als wäre diese Tasche oben zugeknotet. Oder unten, je nachdem, wie herum man das Bild betrachtete. Sofort blieben die drei stehen.
„Was ist das?“, fragte Lisa nachdenklich.
Timo schaute zum oberen Fenster von Herrn Königs Haus. „Es kommt von da oben!“
„Das weiß ich auch“, sagte Lisa. „Ich habe nicht gefragt, woher es kommt, sondern was das sein soll.“
„Eine zugeknotete Tüte“, sagte Flo. „Eine Einkaufstasche.“
„Könnte auch sein Sack sein“, überlegte Lisa.
Timo betrachtete das Bild genauer. „Es ist ein Sack“, bestätigte er. „Genau so habe ich mir den Sack vom Nikolaus vorgestellt, in dem ich weggetragen werden sollte.“
Flo schaute nach oben zum Fenster. Niemand war zu sehen. „Eine Botschaft“, murmelte er. „Das Mädchen am Fenster sendet uns eine Nachricht!“
Lisa nahm den Zettel in die Hand und betrachtete ihn genauer. „Aha? Und welche?“
Timo zeigte auf den gezeichneten Sack: „Dass wir am 6. Dezember alle in den Nikolaussack gesteckt und fortgetragen werden!“ Er schüttelte sich. „Das da oben ist tatsächlich ein Geist, der uns warnen will! Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass wir verschleppt werden! Ich muss mein Zimmer aufräumen! Ich muss lauter nette Sachen zu meiner Schwester sagen!“
„Hör doch auf damit!“, schimpfte Lisa. „Du hast selbst gesagt, das mit dem Nikolaus sind nur leere Drohungen von deinen Eltern gewesen!“
„Ja, aber dieses Blatt hier kommt nicht von meinen Eltern, sondern von dem geheimnisvollen Wesen aus dem oberen Stockwerk von Herrn König! Es ist ein Himmelswesen! Und es erscheint uns einmal am Tag, um uns zu warnen!“
„Nein, nein.“ Lisa hielt das Bild in der Hand und rieb sich das Kinn. „Aber was sonst könnte das bedeuten?“
„Gefangen!“, fiel es Flo plötzlich ein. „Das Mädchen ist dort oben im Zimmer von Herrn König gefangen! Der Sack steht symbolisch für eingesperrte Kinder, so wie Timo es gesagt hat! Und sie will uns sagen, dass sie dort oben eingesperrt ist! Wir sollen sie retten! Das hat sie uns doch gestern schon versucht zu sagen, als sie ‚Hilfe‘ an die Scheibe geschrieben hat!“
Lisa schaute ihn nachdenklich an. „Meinst du wirklich?“
„Mir ist das unheimlich“, sagte Timo. „Wir müssen es unseren Eltern erzählen. Die sollen die Polizei rufen.“
„Das stimmt“, sagte Flo. „Ich sage gleich nachher meinen Eltern Bescheid.“
„Moment noch“, sagte Lisa und ging direkt auf das Hoftor von Herrn König zu. Sie klingelte einmal, zweimal, dreimal.
Herr König erschien am Fenster, öffnete es aber nicht. „Haut ab!“, schimpfte er durch das geschlossene Fenster. „Sonst rufe ich die Polizei!“
„Wir rufen die Polizei!“, rief Lisa ihm laut zu. „Sie halten nämlich ein Mädchen in Ihrem oberen Zimmer gefangen! Lassen Sie es sofort frei!“
Herr König zog sein Gesicht finster zusammen, dann winkte er mit der Hand ab und verschwand.
„Mama mia“, stöhnte Lisa.
Timo sah Lisa verwundert an: „Was meinst du damit eigentlich immer?“
„Ich könnte auch ‚Ach du meine Güte‘ sagen, aber meine Oma sagt auch immer: ‚Mama mia‘!“
„Ich sage jedenfalls meinen Eltern Bescheid“, kam Flo noch einmal auf die Sache mit dem rätselhaften Mädchen zurück. „Außerdem müssen sie mir erklären, wieso sie von einem Christkind singen und erzählen, das es überhaupt nicht gibt.“