Читать книгу Ben und Lasse - Stille Nacht, unheimliche Nacht - Harry Voß - Страница 6
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2. Dezember
„Was hast du hier zu suchen?“, fragt mich eine tiefe Männerstimme.
Ich drehe mich um. Ein Verkäufer mit dem Namensschild „H. Kunz“ an seiner Anzugsjacke und einem Schnurrbart im Gesicht steht hinter mir.
„Gar nichts!“, antworte ich schnell.
„Richtig, das würde ich auch sagen. Dann geh mal ganz schnell hier weg.“ H. Kunz schiebt mich zur Seite und fasst die Stahltür an, um sie zu schließen.
„Halt!“, rufe ich. „Mein Bruder ist noch da drin!“
„Was?“ Die Augen des Verkäufers funkeln böse.
Da kommt Lasse auch schon angelaufen: „Da hinten ist eine Ritterfigur! So groß, dass sie mir fast bis zum Kinn geht!“ Lasse sieht den Verkäufer, aber seinen strengen Blick scheint er nicht zu bemerken. „Hallo! Sind Sie ein Verkäufer? Gehen Sie mit mir da mal rein? Mein Bruder traut sich nicht!“ H. Kunz fasst Lasse an der Schulter und schiebt ihn aus dem Lagerraum. „Dein Bruder hat ganz recht! Für Kinder ist hier Betreten verboten!“
„Das kann nicht sein“, widerspricht Lasse. „Da ist alles voller Spielsachen! Da kann für Kinder nicht Betreten verboten sein!“
„Alle Spielsachen, die wir anbieten, liegen auch im Verkaufsraum. Da könnt ihr sie euch anschauen.“ Er schließt die Tür und schiebt einen eisernen Riegel vor. „Und jetzt fort mit euch!“
„Der ist ja schlecht gelaunt“, brummelt Lasse, als wir wieder zu den Regalen mit den Spielsachen gehen.
Ein Gong ertönt. Gleich danach verkündet eine Stimme: „Liebe Kunden, wir schließen in zehn Minuten. Bitte begeben Sie sich an die Kassen. Wir wünschen Ihnen und unseren Mitarbeitern einen angenehmen Abend. Auf Wiedersehen.“
Na toll. Jetzt hab ich noch kein Geschenk für Lasse. Nur weil er mich andauernd genervt hat. Na ja. Vielleicht werde ich zu Hause was für ihn basteln. Hier finde ich jedenfalls nichts, solange er um mich herumtanzt. Ich gehe zur Kasse und stelle mich in der Schlange an.
„Wie?“, wundert sich Lasse. „Schon bezahlen? Hast du denn ein Geschenk für mich?“
Ich grinse geheimnisvoll. „Lass dich überraschen.“
„Aber nicht wieder den Playmobil-Polizisten, ja?“
„Ich sage nichts.“
„Oder etwa doch? Na gut. Wenn du mir den Playmobil-Polizisten schenkst, dann freu ich mich auch.“
„Vergiss es, Lasse. Ich verrate nichts.“
Die Verkäuferin an der Kasse behält die Ruhe. Sie bedient einen nach dem anderen, kassiert Geld, packt die Pakete in eine Tüte. „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“, fragt sie jeden. „Nein, danke“, antworten die Leute freundlich und verabschieden sich.
„Die ist nett“, will Lasse mir zuflüstern. Leider flüstert er so laut, dass es alle in der Schlange hören. Auch die Verkäuferin. Alle drehen sich zu uns um und bekommen ein weihnachtliches „Ach-so-ein-süßes-Kind-Gesicht“. Auch die Verkäuferin lächelt und zwinkert Lasse zu. Mir ist das peinlich.
„Ich kann lesen, was auf dem Schild der Frau an der Kasse steht“, sagt Lasse und setzt sogleich lang und umständlich die Buchstaben auf dem Namensschild zusammen. „Fr. Mi-rel-li.“ Er sagt das Wort noch mal leise vor sich hin, merkt aber nicht, dass „Fr.“ und „Mirelli“ zwei unterschiedliche Wörter sind: „Frmirelli.“ Er bricht sich dabei fast die Zunge ab. Dann wieder zu mir: „Da steht Frmirelli auf dem Schild.“
„Das heißt Frau Mirelli.“
„Heißt die Verkäuferin Frau Mirelli?“
„Ja.“
„Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“, fragt die Verkäuferin den Mann direkt vor mir. „Ja, viele“, antwortet der, „aber keinen, den Sie mir erfüllen könnten.“
Die Verkäuferin und der Mann lachen höflich, dann geht der Mann. Endlich bin ich dran.
„Guten Tag, ihr beiden“, sagt die Frau, als würden wir uns schon lange kennen. Ich lege die Armbanduhr und die Kette auf die Ladentheke und brumme ein unsicheres: „Hallo.“
Lasse schaut staunend auf die Artikel: „Wo ist denn mein Geschenk?“
„Meinst du, das leg ich jetzt hier einfach so auf die Theke, wenn du neben mir stehst?“
Lasse grinst. „Nee, natürlich nicht.“ Er dreht sich um und hält sich die Augen zu. „Jetzt kannst du!“
Jetzt müsste ich noch etwas auf den Ladentisch legen, aber ich hab nichts.