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Das Gejammer der Doofmenschen

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LANGE HABE ICH NICHTS MEHR vom Ungeheuer von Loch Ness gehört. Vielleicht, weil es das drollige, langhalsige Monster Nessie gar nicht gibt? Wer weiß, da könnte ein Zusammenhang bestehen. Aber nicht zwingend. Es gibt ja auch andere Phänomene, die nachweislich nicht existieren, aber ständig aus den medialen Sommerlochs und -löchern auftauchen.

Die beliebteste Legende der letzten Jahre ist die von der Existenz eines funktionierenden Denk- und Sprechverbots namens »political correctness«. Man könnte nun lange über die Geschichte und Wirkung dieses Begriffes im Ursprungsland USA referieren, aber dafür gibt’s ja das Internet. Empfehlenswert sind vor allem einige kluge Artikel, die Diedrich Diedrichsen darüber geschrieben hat.

Aber reden wir lieber über die angebliche politische Korrektheit in Deutschland: Kaum wird eine politische oder publizistische Krawallschachtel wie Hans-Olaf Hen­kel wie Thilo Sarrazin öffentlich kritisiert, sitzt der emeritierte Geschichtsprofessor und hauptberufliche Quatsch-Prediger Arnulf Baring – ein alter, erstaunlich schlecht erzogener Mann ohne jegliche Manieren und Stil – in der nächsten Talkshow und prangert in komplett wirren und entgrenzten Monologen die linke Zensur in Deutschland an. Lustig daran ist, dass der hemmungslose Greis sich dabei benimmt, als wolle er selbst gerne jeder Person, die nicht Arnulf Baring heißt, das Reden verbieten. Wer auch immer in der Runde sitzt: Baring bellt sie alle an wie ein wütender Dackel mit Tourette. Und dennoch wird er regelmäßig in solche Sendungen eingeladen. Wie auch der albern-schnöselige Jan Fleischhauer vom Spiegel, der es für konservativ hält, zu eng sitzende, wurstpellenartige Tweed-Sakkos zu tragen.

Eingeladen wird Fleischhauer, weil er unter dem unglaublichen Trauma leidet, in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von Sozialdemokraten großgezogen worden zu sein und sich dieses Elend in einem Buch (»Unter Linken: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde«) von der Seele geschrieben hat. Außerdem verfasst er auf Spiegel-online die verschwörungstheoretische Kolumne »Der schwarze Kanal«. Aber egal in welchem Medium: Fleischhauers Lebensthema ist die angebliche Existenz einer linken Medien- und Kultur-Hegemonie in Deutschland. Ach Gottchen, möchte man angesichts all der Neokonservativen und Unpolitischen in diesem Gewerbe seufzen, schön wär’s.

Tatsächlich ist es aber seit einiger Zeit sogar hip, herumzukrakeelen, man sei aus Überzeugung »politisch unkorrekt« und spreche nur verbotene Wahrheiten aus. Leider sind nahezu alle Personen, die dies tun, wahlweise stuhldumm, irre oder beinharte Rassisten. Sie sehen es als ihr Menschenrecht an, Arbeitslose endlich wieder als asozial und Homosexuelle als pervers zu bezeichnen – oder eben Orientalen einen geringeren IQ anzudichten. Manche wollen auch einfach ihre nichtarischen Mitmenschen »Neger« oder »Kanaken« nennen. Oder blödironisch »Kulturbereicherer«. Und das hat bitteschön unwidersprochen geschehen zu dürfen. Was da zum Beispiel alles in den Kommentarspalten der Islamhasser-Seite »Politically Incorrect« formuliert wird, passt auf keine Bomberjacke.

Im Zusammenhang mit dem Gejammer über die political correctness fällt auch gerne das Wort »Gutmensch«. Zugegeben: Eine Zeitlang haben auch vernünftige Leute diesen Begriff benutzt, um linksevangelische Heuchelei zu geißeln. Inzwischen ist es aber das Lieblingsschimpfwort von Junge-Freiheit-Redakteuren und NPDlern. Was nicht überrascht, weil es wohl auch Goebbels schon gebrauchte.

Deswegen hat es auch keinen Sinn, mit Doofmenschen, die das Wort »Gutmensch« verwenden, zu diskutieren. Paranoiker sind Argumenten nicht zugänglich. Bleibt eigentlich nur, sie zu hänseln, aber auch da muss man aufpassen. Der Doofmensch ist empfindlich. So traute sich Thilo Sarrazin nach Erscheinen seines Buches »Deutschland schafft sich ab« nur noch mit einem ZDF-Kamerateam nach Kreuzberg, selbstverständlich nicht, um in irgendeine Art von Dialog zu treten, sondern um eine »Ich werde verfolgt«-Doku zu drehen. Aber als »Die Hard«- und Bruce Willis-Fan hätte Herr Sarrazin eigentlich wissen müssen, was passiert, wenn man mit einem »I hate niggers«-Schild durch Harlem läuft.

Interessanterweise passierte aber genau das nicht. Viele Menschen, denen Sarrazin in Kreuzberg begegnet, argumentieren dem erbarmungswürdig stammelnden Misanthropen gegenüber sehr sachlich und klar. Nur zwischendurch wurde der Pöbler ein bisschen angepöbelt. Mehr nicht. Und sofort fordert die Springerpresse, Kreuzberg dürfe nicht zur »No-Go-Area« für Sarrazin werden. Was es aber lustigerweise schon lange ist – durch Sarrazins eigene Entscheidung. Seinen Aussagen zufolge hatte er Kreuzberg zuvor das letzte Mal in den 90er Jahren besucht.

Revolverhelden auf Klassenfahrt

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