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Wir ham euch etwas mitgebracht: Hess, Hess, Hess!

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MANCHMAL IST MAN SICH SELBST EIN RÄTSEL. Obwohl mich die klassische schlampig-schlumperige Öko-Ästhe­tik nie angesprochen hat, überrasche ich mich doch immer wieder dabei, in Katalogen irgendwelcher Ökoversandhäuser zu blättern und den Erwerb von dort angebotenen Kleidungsstücken zumindest in Erwägung zu ziehen. Kurios ...

Wobei man dabei auch Interessantes lernen kann. Zum Beispiel, dass der amorphe und rustikale oldschool Öko-Style gar nicht so schlimm ist – im Vergleich zum halb­anthroposophischen, spießigen Öko-Businessschick des modernen, gutverdienenden Mittelschichtakademikers, wie ihn zum Beispiel »Hessnatur« anbietet.

Am widerlichsten in diesen Katalogen sind die Models, wobei mich selbstverständlich nicht die Künstlichkeit der professionellen Damen und Herren stört – das ist ja sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal dieses Berufsstandes –, sondern grade die gefakte »Natürlichkeit«, die ihnen dort verpasst wird.

Vor allem die Damen sehen einen wohlkalkulierten Tick unfrisierter und weniger geschminkt als im herkömmlichen Versandhaus-Katalog aus, dabei aber immer porentief rein, slipeinlagengewindelt, mit gewienerten und glänzenden Bäckchen, gerne auch mal mit keltisch rotem Haupthaar. Aus irgendeinem rätselhaften Grund gilt echtrotes Haar, wenn’s geht auch noch naturgelockt, wohl als besonders ökologisch. Nur alt dürfen die weiblichen Models auch hier nicht sein. »Öko« und »bessere Welt« hin oder her – alte Frauen sind wohl auch für die kapitalistischen Mode-Wollsocken von »Hessnatur« nicht diskutabel beziehungsweise – sagen wir, wie es ist – fuckable. Denn nur darum geht es ja im Model-Geschäft – um sexuelle Attraktivität.

Bei den Herren ist das, wie überall in der Gesellschaft, offensichtlich anders. Hier mogelt »Hessnatur« auch mal einen Silberrücken unter die juvenilen, muskulösen Naturburschen. Wobei der alte Sack – auch dies dem gesellschaftlichen Trend entsprechend – genauso aussieht wie die Jungen, nur eben mit grauem Haar – das aber nicht weniger voll und casual-mähnig ist als das der Twen-Models.

Ganz anders ist dies alles bei meinem Lieblingsökoversand, der eigentlich kein Ökoversand ist, sondern eine Schäfereigenossenschaft aus dem Allgäu. Wenn ich es dem Katalog richtig entnehme, wurde der »Finkhof« irgendwann Ende der 70er Jahre als Aussteigerkommune und Wohngemeinschaft von Mensch und Schaf gegründet und ist inzwischen ein erfreulich florierendes Unternehmen.

Aber noch immer werden hier die alten Werte hochgehalten, zumindest ästhetisch, wahrscheinlich aber auch sonst. Die Kleidung wird im Katalog größtenteils von auf dem Hof arbeitenden Menschen präsentiert, der Rest der »Models« scheinen dazu engagierte Freunde, Nachbarn oder Zufallsbekanntschaften zu sein.

Von Frisuren im herkömmlichen Sinn kann im »Finkhof«-Katalog nicht gesprochen werden, den Menschen wachsen eben Haare aus dem Kopf, mal in die eine Richtung, mal in die andere – und manchmal auch gar nicht mehr.

Bei der Unterwäsche-Präsentation fasziniert die vollkommene Abwesenheit der in diesem Bereich eigentlich schwer vermeidbaren Erotik, was nicht nur an den mäßig erregenden Produkten wie der langen Herren-Wollseide-Unterhose »mit Eingriff« liegt. Auch der »Blaue Damenpanty« und der »Rote Wollslip« werden erstaunlich keusch und unsexualisiert präsentiert. Das Höchste an Emotionalisierung ist ein romantisierendes Gegenlicht-Foto.

Dafür aber wird viel gelächelt auf den Bildern – und zwar das bekannte amateurhafte »Huch, ich werde ja fotografiert«-Lächeln. Auch Falten, graue Haare, Bauchansätze und sogar einen 1A-Siebziger-Retro-Schnauzbart gibt es. Was will man mehr?

Ich muss allerdings gestehen, dass ich auch beim »Finkhof« nur selten etwas bestelle, weil die Einsatzgebiete für diese Art der Mode außerhalb des Allgäus doch etwas begrenzt sind. Wobei: Vor Jahren erwarb ich dort eine Schaffellweste, die so großartig warm ist, dass sie ruhig scheiße aussehen darf. Egal, ob unter einem dünnen Jöppchen oder zur Erwärmung meines verspannten Rü­ckens – diese Weste ist unschlagbar. Als sie mir einmal abhanden kam, bestellte ich eine neue, die just ankam, als meine Freunde Wolfram und Ulrike mit ihrem Border Collie Abby zu Besuch waren. Die neue Weste stank so unglaublich nach Schaf, dass der arbeitslose Hütehund mich erst verstört anbellte und dann versuchte, mich ins Badezimmer zu treiben. Ich vermute zum Scheren ...

Revolverhelden auf Klassenfahrt

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