Читать книгу Digitale Transformation von Arbeit - Hartmut Hirsch-Kreinsen - Страница 11

1.4 Argumentationsleitende Grundannahmen

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Nun kann die Erwartung eines disruptiven Wandels sozialer und ökonomischer Verhältnisse mit durchaus widersprüchlichen Konsequenzen nicht grundsätzlich bestritten werden. Ohne Frage ist in einer ganzen Reihe von Wirtschaftssektoren und Arbeitsmarktsegmenten durch Digitalisierung ein anhaltender Prozess weitreichender struktureller Veränderungen im Gange. Beispielsweise betrifft dies seit dem Ende der 1990er Jahre jene o. g. Sektoren, wo Produktion, Verkauf und Kommunikation unmittelbar auf immateriellen Transaktionen sowie der Nutzung von großen Datenmengen beruhen. Auch im Konsumtionsbereich finden durch die Nutzung digitaler Plattformen als Koordinationsmedium weitreichende Wandlungsprozesse statt, die zu einer neuen Qualität von Kundenbeziehungen, Geschäftsmodellen und damit zusammenhängenden Arbeitsmustern führen. Zu nennen ist hier die durch digitale Vernetzung und Nutzung von Internetplattformen offensichtlich beschleunigte Ausweitung von Formen entgrenzter und kollaborativer Arbeit, die auch als Crowdwork oder Gigwork bezeichnet werden ( Kap. 3.3).

Indes findet sich ein solcher disruptiver Strukturwandel keinesfalls in allen Wirtschaftssektoren und Arbeitssegmenten. So zeigen Evidenzen, dass entgegen allen Erwartungen etwa des deutschen Industrie-4.0-Diskurses bislang die Mehrheit der Betriebe des industriellen Sektors eher von moderaten Wandlungstendenzen als von weitreichenden Strukturbrüchen infolge der Digitalisierung geprägt ist ( Kap. 3.1). Jenseits aller technikutopischen und -dystopischen Erwartungen sind Richtung, Intensität und Reichweite dieses Wandels bislang offenbar nur schwer absehbar. Dies gilt insbesondere für den Wandel von Arbeit im industriellen Sektor, der im Folgenden im Fokus stehen soll.

Drei Grundannahmen bilden den Ausgangspunkt für den Argumentationsgang des vorliegenden Buches. Sie beziehen sich sowohl auf den Wissensstand der Innovationsforschung zu den Diffusionsmechanismen neuer Technologien (vgl. z. B. Rogers 2003) als auch auf die sozialwissenschaftliche Technik- und Arbeitsforschung zur Frage nach dem Verhältnis von Technik und Arbeit (vgl. z. B. Lutz 1987; Bergmann 1989; Pfeiffer 2018). Empirisch basieren die Grundannahmen auf vorliegenden, insbesondere eigenen Forschungsergebnissen über den Wandel von Arbeit im Kontext von Digitalisierung und Industrie 4.0 im industriellen Sektor in Deutschland.

Erstens ist der Zusammenhang zwischen der Verbreitung und Nutzung digitaler Technologien und ihren sozialen Konsequenzen keinesfalls eindeutig und allein technologisch bestimmt. Vielmehr handelt es sich dabei um einen komplexen und wechselseitigen Zusammenhang, der von einer Vielzahl nicht-technischer, ökonomischer, sozialer und arbeitspolitischer Faktoren geprägt wird. Daher steht die Adaption der digitalen Technologien in Betrieben stets in enger Wechselwirkung mit je gegebenen Arbeitsprozessen und den jeweiligen betrieblichen Strukturen. Langfristig ist allerdings von einem durch digitale Technologien beeinflussten Strukturwandel von Arbeit auszugehen, der sich mit unterschiedlichen Entwicklungsszenarien beschreiben lässt.

Zweitens sind der konkrete Verlauf und die Richtung der digitalen Transformation von Arbeit Resultate betrieblicher Gestaltungsstrategien. Maßgeblich hierfür ist ein ganzes Bündel sozialer und politischer Faktoren wie etwa Entscheidungsprozesse des Managements, arbeitspolitische Verhandlungen, betriebsstrukturelle Bedingungen sowie ökonomische und gesellschaftliche Rahmenfaktoren. Es existieren ganz offensichtlich unterschiedliche Gestaltungsoptionen von Arbeit. Insbesondereeröffnet sich damit die Chance, die digitale Transformation von Arbeit human- und qualifikationsorientiert voranzutreiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass digitalisierte Arbeitsprozesse als sozio-technisches System begriffen werden. Die Systemelemente Arbeit, Organisation und Technologie müssen gleichermaßen Gegenstand betrieblicher Einführungsprozesse der neuen Technologien sein.

Drittens lassen sich die tatsächliche Diffusionsgeschwindigkeit und die betriebliche Adaption der neuen digitalen Technologien nur schwer einschätzen. Denn ihre Einführung ist mit vielfältigen technologischen, ökonomischen, und sozialen Grenzen konfrontiert, die oft den Charakter ungeplanter Nebenfolgen haben. Offen ist vor allem auch, ob in Zukunft Autonome Systeme, die auf der Basis von Methoden der KI ohne menschliche Eingriffe aktionsfähig werden, diese Probleme überwinden können. Die möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung für Arbeit und Gesellschaft sind zwar Gegenstand intensiver Diskussionen, jedoch lassen sich hierzu kaum valide Prognosen formulieren.

Digitale Transformation von Arbeit

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