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1.5 Untersuchungsfeld, Methode und Gang der Argumentation

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Der Untersuchungsfokus der vorliegenden Studie richtet sich auf den Wandel von Industriearbeit. Zugrunde gelegt wird dabei ein weites Verständnis von Industriearbeit, das alle direkt und indirekt wertschöpfenden Tätigkeiten in Industriebetrieben umfasst. Es bezieht sich damit auf die operative Ebene der Fertigungsbelegschaften sowie die Ebene der Planung, Steuerung und Kontrolle der Produktion durch das untere und mittlere Management und die Gruppe der technischen Experten.

Die folgende Analyse richtet sich primär auf innerbetriebliche und nur teilweise auch auf überbetriebliche Wandlungstendenzen der Arbeit infolge der Einführung digitaler Technologien verschiedenster Funktionszusammenhänge. Fragen nach den Konsequenzen des Wandels von Sektoren, Branchen und Standortbedingungen für Arbeit werden hingegen im gegebenen Rahmen weitgehend ausgeklammert. Einerseits umfasst die vorliegende Analyse damit nur einen Ausschnitt aus der breiten Arbeitslandschaft und den Anwendungsfeldern digitaler Technologien und kann daher kaum Aussagen über den generellen Wandel der Arbeitsgesellschaft treffen. Andererseits aber ist bekanntlich der industrielle Sektor trotz begrenzter Beschäftigungsanteile nach wie vor strukturprägend für das deutsche Wirtschaftssystem in seiner Gesamtheit, und der Wandel industrieller Arbeit hat stets auch Auswirkungen auf weitere Sektoren wie industrienahe Dienstleistungen. Daher lassen sich aus den vorliegenden Befunden durchaus auch generelle Aussagen für die Entwicklung der Arbeitslandschaft in Deutschland ableiten.

Die methodisch-empirische Basis der Argumentation setzt sich zusammen aus Informationen, die der Autor im Rahmen einer in den letzten Jahren laufenden Begleitung des Digitalisierungsdiskurses auf den unterschiedlichsten Ebenen von Politik und Unternehmen gewinnen konnte, aus den Ergebnissen einer kontinuierlichen Dokumenten- und Literaturrecherche zu Digitalisierung von Arbeit sowie aus Forschungsergebnissen einschlägiger empirischer Forschungsprojekte, die zwischen 2014 und 2019 an der TU Dortmund zum Wandel digitaler Arbeit durchgeführt wurden.7 Wenngleich diese Projekte im Einzelnen durchaus verschiedenen Fragestellungen in unterschiedlichen betrieblichen Zusammenhängen nachgehen, liegt ihnen doch eine gemeinsame Analyseperspektive im Hinblick auf Fragen nach Beschäftigungsentwicklung, Arbeits- und Betriebsorganisation, Mensch-Maschine-Interaktion sowie Kompetenz- und Qualifikationsentwicklung zugrunde. Methodisch handelt es sich bei allen Forschungsprojekten um qualitative Erhebungen, d. h. um Experteninterviews und Betriebsfallstudien in unterschiedlichen Betrieben und Branchen des Verarbeitenden Gewerbes.

Im Einzelnen wurden die Untersuchungen im Rahmen von zwei Projekten der Grundlagenforschung sowie im Kontext von drei anwendungsorientierten Forschungsprojekten durchgeführt. Das untersuchte Sample umfasst rund 35 Betriebsfallstudien. In der Regel wurden dabei Expertengespräche mit Managementvertretern und Betriebsräten sowie ausführliche und teilweise wiederholte Betriebsbesichtigungen durchgeführt. Dabei handelte es sich um Betriebe der Metall- und Möbelindustrie, Betriebe aus Teilbranchen der Prozessindustrie sowie um Logistikunternehmen, mehrheitlich mittlere und kleinere Unternehmen. Die untersuchten digitalen Systeme sind vielfältig und es finden sich in den Fallstudienbetrieben Lösungen aus sämtlichen Funktionsbereichen digitaler Technologien. Diese reichen von datenbasierten Anwendungen z. B. zur Prozessführung in Echtzeit über Assistenzsysteme zur Kommissionierung und Produktionsplanung und verschiedene Formen von Mensch-Robotik-Kollaborationen sowie weitgehend autonomer Flurfördertechnik bis hin zu fortgeschrittenen cyber-physischen Produktionssystemen. Die digitalen Systeme befinden sich dabei in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Einige stecken noch in der Pilotierungsphase oder werden als Insellösung betrieben, bei anderen handelt es sich um langfristig angelegte Umsetzungsvorhaben, die teilweise aber aus technischen, ökonomischen oder arbeits- und personalbezogenen Überlegungen eher vorsichtig angegangen werden.

Der Gang der Argumentation und die weitere Gliederung des Buches werden von den oben dargelegten Grundannahmen strukturiert: Im Teil I: Strukturwandel von Arbeit werden der komplexe Zusammenhang zwischen Technik und Arbeit diskutiert, die vorliegenden empirischen Forschungsergebnisse zur absehbaren digitalen Transformation von Arbeit zusammengefasst und Entwicklungsszenarien digitaler Arbeit präsentiert ( Kap. 2 bis 4). Teil II: Gestaltungsoptionen präsentiert ausführlich die soziotechnischen Gestaltungsoptionen digitaler Arbeit und befasst sich vor allem mit den Möglichkeiten für eine human- und qualifikationsorientierte Arbeitsgestaltung ( Kap. 5 und 6). Teil III: Perspektiven stellt die Widersprüche und Grenzen der Digitalisierung von Arbeit und die denkbaren technologischen Perspektiven der KI zur Diskussion ( Kap. 7 und 8).

1 Verschiedentlich findet für dieses Konzept einer intelligenten Vernetzung verschiedenster Handlungsbereiche und der hier genutzten Gegenstände auch der Begriff der »Ambient Intelligence« Verwendung; weitere, in eine ähnliche Richtung weisende Begriffe sind »Ubiquitous Computing« und »Pervasive Computing« (vgl. z. B. Fleisch/Mattern 2005).

2 Ergänzend dazu wird in der internationalen Debatte informationstechnologisch von der Stufe der Digitization gesprochen, nämlich von der Konversion analoger Daten in maschinenlesbare digitale Daten, die die Voraussetzung aller weiteren Digitalisierungsschritte ist (OECD 2019).

3 Ähnliche Zielvorstellungen werden in einem Memorandum der deutschen Plattform Industrie 4.0 formuliert, das eine Steigerung der Agilität, der Flexibilität und der Innovativität des deutschen Innovationssystems anmahnt (vgl. ten Hompel et al. 2019).

4 Diese Vision konvergiert unübersehbar mit technokratischen Perspektiven aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, denen zufolge Techniker und Experten als gesellschaftliche Elite für eine ausreichende Wohlfahrt sorgen würden, die auf der Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden und neuer Technologien basiert

5 Diese Perspektive kann – folgt man Nachtwey und Seidl (2017) – auch mit dem Begriff eines spezifischen neuen »Geist des Digitalen Kapitalismus« gefasst werden, mit dem weitreichende normative Orientierungen für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungstrends durch Technologieanwendung begründet werden. Im Zentrum steht hier eine Auffassung, die in Anschluss an Mozorov »Solutionismus« genannt wird. Solutionismus meint das Auffassen und Umformen von »complex social situations either as neatly defined problems with definite, computable solutions or as transparent and self-evident processes that can be easily optimized – if only the right algorithms are in place« (Morozov 2013, S. 5).

6 Vgl. hierzu insbesondere die instruktiven Beiträge in dem posthum herausgegebenen Sammelband von Frank Schirrmacher (2015).

7 Vgl. hierzu insbesondere die ausführlichen Hinweise zur Methode bei Hirsch-Kreinsen et al. (2019, S. 9 ff.) sowie Informationen über die verschiedenen Forschungsprojekte auf https://www.neue-industriearbeit.de/index.php?id=2.

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