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TEIL I Das Spiel des Zufalls 1

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Der Hafen von New Orleans, Winter 1835/36

Jarrett McKenzie bemerkte die Frau, sobald sie die alte Hafenkneipe betrat, wenn er auch nicht viel von ihr sehen konnte.

Ein weiter, schwarzer Umhang mit Kapuze verhüllte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Daß sie weiblichen Geschlechts war, entnahm er nur ihren anmutigen Gesten, als ihr Harold Eastwood entgegeneilte, der Wirt des Etablissements. Eine neue Dienstmagd? Oder gehörte sie zu den schönen, willfährigen Frauen, mit denen sich die Herren im nächtlichen New Orleans zu amüsieren pflegten? Kam sie zu spat zur Arbeit?

Jarrett beobachtete sie neugierig und wartete. Wann würde sie endlich den Umhang ablegen? Falls sie in Eastwoods Lokal arbeitete, war dessen Niveau eindeutig gestiegen.

Nicht, daß man die Taverne schäbig nennen durfte. Wenn man bedachte, daß sie am Hafen lag, wirkte sie sogar sehr respektabel. Viele Männer kamen hierher, wenn sie in diesem Teil Louisianas ihre Geschäfte erledigten, und die meisten erzählten sogar ihren Ehefrauen von Eastwoods Restaurant. Hier wurde ein gutes Essen serviert, hübsche Mädchen spielten Spinett und sangen dazu. Alkoholische Getränke aus aller Welt standen zur Verfügimg, auch Frauen, wenn man Wert darauf legte. Und gelegentlich konnte man sich die Zeit vertreiben, indem man wilde Keilereien beobachtete.

Jarrett fühlte sich wohl in New Orleans. 1718 war die Stadt von den Franzosen gegründet worden und dann während des Exodus der Akadier aus dem Nordosten gewachsen. Sie stand unter spanischer Herrschaft, dann wieder unter französischer, bis es Thomas Jefferson gelang, mit Napoleon zu verhandeln und ihm Louisiana abzukaufen.

Als kleiner Junge war Jarrett zum erstenmal nach New Orleans gekommen, während Andrew Jackson die Stadt 1815 gegen die Briten verteidigt hatte. Seit damals liebte er die schmalen Straßen am Fluß, die schöne französische, spanische und amerikanische Architektur, die schmiedeeisernen Balkone und kleinen Gärten, den breiten Mississippi, das rege Leben und Treiben am Ufer.

Nun saß er, wie schon so oft, in Eastwoods Kneipe. Und obwohl dieses Hafenlokal einen etwas besseren Ruf genoß als die anderen, wußte er, daß die Frau im schwarzen Umhang nicht hierhergehörte.

»Ich geb’s auf«, seufzte sein Freund Robert Treat, der zu seiner Linken saß, und warf die Karten auf den Eichentisch. Mit schmalen Augen musterte Jarrett sein eigenes Blatt. Drei Damen. Zwei Vierer. Ein Full House. Sein Blick streifte die Banknoten und Goldmünzen auf dem Tisch. Ihm gegenüber saß Smiling Jack, der reiche Kreole aus dem Bayou, und grinste breit. Verdammt, der Mann würde es sogar schaffen, den heiligen Petrus an der Himmelspforte zu bluffen.

Nachdem Jarrett ein Fünf dollarstück auf die Tischplatte geworfen hatte, beobachtete er wieder die Frau im weiten Umhang. Offenbar versuchte sie immer noch, dem kleinen, dicken Wirt etwas zu erklären. Fühlte er sich eingeschüchtert, weil sie ihn um Haupteslänge überragte?

Schwungvoll legte Rupert Fürstenberg, der schlanke, blonde Deutsche aus St. Louis, ein Bündel Geldscheine hin. »Gentlemen, ich erhöhe. Hundert Dollar.«

»Nur gut, daß ich aufgehört habe!« murmelte Robert.

»Hundert?« Smiling Jack schenkte dem Deutschen ein verächtliches Lächeln. »Für mich ein Pappenstiel, Sir!«

Robert Treat stieß seinen Freund an, der immer noch die Frau musterte. »Hundert, Jarrett.«

»Natürlich«, antwortete Jarrett geistesabwesend und zählte die geforderte Summe ab.

Robert runzelte verwundert die Stirn. »Konzentrierst du dich überhaupt auf das Spiel?«

»Ja, das ist die Frage.« Smiling Jack zwirbelte seinen dunklen Schnurrbart. »Ist Ihre Plantage da unten im Sumpf wirklich so viel wert, daß es sich lohnt, darum zu pokern?«

»Soviel wert wie Ihre in Bayou«, erwiderte Jarrett leichthin.

»Ah, mais oui! Wir beide haben den Sumpf und die Insekten und die Alligatoren am Hals.« Warnend hob er einen Finger. »Aber Sie haben auch noch die Seminolen. Was auf meinem Land wächst, gehört mir. Seit siebzig Jahren steht mein Haus. Und Ihres, mon ami? Puff! Vielleicht geht es gerade in Flammen auf. Sie waren Soldat. Also müssen Sie’s wissen. Lautlos schleichen die Indianer in der Nacht heran, durch dichtes Gestrüpp. Glauben Sie mir, es wird noch eine Menge Schwierigkeiten geben. Der alte Andy Jackson hat 1816 und 1817 tapfer gegen diese Wilden gekämpft, aber nicht alle erwischt. Jetzt braut sich neuer Ärger zusammen. Manche Leute behaupten, diese Renegaten würden auf Krokodilen durch den Fluß reiten.«

Jarrett lächelte gezwungen. Was für seltsame Vorstellungen die Leute von den Indianern in Florida hatten ... Sie kamen aus mehreren Stämmen, sprachen verschiedene Sprachen, und sie wurden Seminolen genannt. Seminole – das bedeutete ›Flüchtling‹. Ihr Kampfgeist war gefürchtet. Aber Jarrett glaubte wie so viele Weiße, daß die Indianer einfach nur ein besseres Leben anstrebten, für sich selbst und ihre Familien. Oder war das nur ein schöner Traum?

Das Land eignete sich für Träumer. In diesem Staat standen riesige Grundstücke zur Verfügung. So wie der Westen am anderen Ende des Kontinents bot auch Florida den Amerikanern neue Möglichkeiten – fruchtbares Ackerland, zahlreiche wilde Tiere, die man jagen konnte, ein angenehmes, mildes Klima, auch wenn im Winter oft bittere Kälte und im Sommer unerträgliche Hitze herrschten. Durch das kristallklare Wasser der tiefen Bäche und Flüsse konnte man bis zum Grund sehen.

Ein schönes, aber gefährliches Land – keine Heimat für Feiglinge ...

Und die Seminolen trugen zum beängstigenden Ruf dieses Gebiets bei, um das Amerikaner und Spanier so lange gerungen hatten. Einmal hatten es die Spanier den Briten überlassen, und während des Amerikanischen Freiheitskrieges waren Briten nach Süden gezogen. Dann fiel Florida wieder in spanische Hände, doch die Amerikaner überquerten immer wieder die Grenzen, auf der Suche nach neuem Land. Sie behaupteten, die Spanier könnten die Region nicht kontrollieren, die Indianer nicht daran hindern, amerikanische Farmen und Plantagen zu plündern oder entlaufene Sklaven zu beherbergen.

Bei den Indianern führten die schwarzen Sklaven ein menschenwürdigeres Leben als zuvor bei ihren weißen Herren. Denn die Seminolen standen ihnen gewisse Freiheiten zu und erlaubten ihnen sogar, eigene Äcker zu bebauen.

Für die Amerikaner gab es viele Gründe, das Land den Spaniern zu entreißen. Vor allem brauchten die Siedler Land, um sich niederzulassen, Felder zu bestellen, Vieh zu züchten, Salzminen zu erschließen, die langgestreckte Küste zu nutzen und Meeresschätze zu beigen. Spanien gab Florida auf, weil die US-Regierung als Gegenleistung spanische Schulden an die Bürger zahlte und ihre Position in Texas festigen konnte.

Und jetzt, seit über zehn Jahren in amerikanischem Besitz, war Florida immer noch die Heimat der Alligatoren, Schlangen und stolzen Indianer. Jacksonville lag nicht weit hinter der Grenze Georgias, eine relativ zivilisierte Stadt. Einige der nördlichen Florida-Häfen galten als einigermaßen sicher, doch die meisten Leute fanden alles, was sich südlich von St. Augustine an der Ostküste und der geschäftigen Stadt Pensacola im Westen befand, eher barbarisch.

Diese Menschen sahen nur die Wildnis von Florida, die Gefahren, aber nichts von alldem, was Jarrett so spektakulär und verführerisch erschien. Sie kannten die Sonnenuntergänge nicht, die er so oft beobachtete, die erstaunliche Farbpalette, die am Horizont leuchtete, lebhaftes Gold, glühendes Blutrot. Diese Farben glichen lodernden Flammen, dann verblaßten sie zu sanftem Rosa und Gelb, um schließlich einen samtigen schwarzen Hintergrund für die glitzernden Sterne zu bilden. Und diese Leute wußten nichts von der Überfülle wilder Orchideen, hatten nie den Kuß der Sonne gespürt, die im Winter das Gesicht wärmte.

St. Augustine blieb die älteste europäische Siedlung in Amerika, mit dem grandiosen Castillo de San Marcos, das die Küste bewachte, mit schönen alten spanischen Häusern und maurischer Architektur. Und Pensacola war ein florierender Hafen, wo man Waren aus aller Welt fand. In Key West hatte man einen effektiven Marinestützpunkt errichtet, und Tallahassee, die Hauptstadt des Territoriums, entwickelte sich allmählich zu einem würdevollen politischen Zentrum.

Für Jarrett war das Gebiet eine Goldmine. Er hatte sein Land gerodet, sein Haus gebaut und zu arbeiten begonnen. Auf saftigen Wiesen gediehen seine Rinder, die Zukkerrohrfelder brachten ihm reiche Erträge ein. Außerdem baute er Baumwolle und Getreide an. Alles, was er anfing, führte zum Erfolg. Seine Ländereien waren ungewöhnlich fruchtbar. Und da er direkt am Fluß lebte, konnte er seine Produkte schnell verfrachten. Viele Siedler merkten nun, was er längst erkannt hatte – ein Teil der Region war sumpfig, aber es gab auch hervorragendes Ackerland.

Er liebte sein Paradies. Und er hatte schon viel davon gesehen, seine Begeisterung für dieses Land und seine Träume mit einer geliebten Frau geteilt. Aber Lisa war gestorben – und mit ihr seine romantische Schwärmerei.

»McKenzie!« murmelte Smiling Jack. »Hören Sie mir überhaupt zu?«

Ob er zuhörte? Das war überflüssig. Jarrett lehnte sich zurück. Da er gute Karten in der Hand hielt, interessierte ihn die Konversation nicht mehr. Wieder erregte die fremde Frau seine Aufmerksamkeit. Und er beobachtete sie, während er seinen Einsatz erhöhte.

Fürstenberg starrte sein Blatt an, dann legte er es auf den Tisch. »Bedienung!« rief er ärgerlich. »Whiskey!« Nun spielte Jarrett nur mehr gegen Jack, dessen Lächeln langsam erlosch. Zusehends schrumpfte der goldene Münzenberg, der vor ihm lag.

»Wollen Sie nicht aufgeben, eh?« fragte Jarrett höflich.

Der Franzose zog ein Silberetui aus der Innentasche seines eleganten beigen Gehrocks, nahm eine Zigarre heraus und entzündete sie an einer Kerzenflamme. Dann erwiderte er Jarretts Blick. »Das Gold liegt auf dem Tisch, Monsieur.«

Gleichmütig zuckte Jarrett die Achseln. »Wie Sie wünschen, Monsieur.«

»McKenzie, Sie bluffen! Das werden wir bald sehen!«

Aber in diesem Augenblick sah Jarrett nichts mehr außer der Gestalt im weiten Cape. Sie drehte sich um, schaute ihn an. Als die Kapuze nach hinten fiel, sah er ihr Haar, ein faszinierendes Goldblond mit rötlichen Lichtern. Sogar im gedämpften Kerzenschein schimmerte es hell wie die Sonne. Wie gern hätte er festgestellt, ob es sich so seidig anfühlte, wie es aussah ...

Von plötzlichem Zorn erfaßt, von einem Schmerz, der sein Herz zusammenkrampfte, schloß er die Augen. Warum begehrte er diese Frau so inbrünstig? Lag es an ihren anmutigen Gesten, am üppigen Glanz ihres Haars? Fast widerwillig hob er die Lider. Jetzt konnte er im Licht des Lämpchens, das über dem Eingang hing, ihr Gesicht betrachten. Dichte, dunkle Wimpern umrahmten tiefblaue Augen. Auch die Brauen waren dunkler als das Haar und sanft geschwungen. Die zarte Haut erinnerte an Marmor, und die zierliche gerade Nase trug ebenso zu ihrer klassischen Schönheit bei wie die perfekt geformten vollen Lippen. Beinahe überwältigte ihn der Wunsch, diesen Mund zu küssen, die weiche Wange zu streicheln, die Finger in das goldene Haar zu schlingen.

Robert räusperte sich. »Jarrett? Leg doch deine Karten auf den Tisch!«

Wortlos gehorchte Jarrett, schaute die anderen kaum an. Auch Smiling Jack hatte ein gutes Blatt. Einen Straight. Nicht schlecht. Aber nicht gut genug.

Robert starrte seinen Freund an, dann schob er das Geld zu ihm hinüber. Aber der Sieg bedeutete Jarrett nichts mehr. Nicht einmal der Ärger, den er dem Franzosen bereitete, interessierte ihn. »Machen wir weiter?« fragte er Jack. »Geben Sie, mon ami?«

»Oui, mon ami», bestätigte der Franzose. Flink und geschickt verteilte er die Karten. Jarrett lehnte sich zurück, die Augen halb geschlossen, und beobachtete alles. Die Karten. Den Franzosen. Das Mädchen. Dies war einer der Vorteile, den das Leben im Sumpf bot, inmitten der ›Wilden‹. Man lernte zu beobachten.

Für Tara Brent war der Abend ein Alptraum. Unentwegt jammerte der kleine, dicke Eastwood, weil sie ihren Dienst nicht rechtzeitig antrat. O Gott, es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Aber sie brauchte das Geld so dringend. Mit diesem Geld konnte sie eine Schiffsfahrkarte kaufen, nach Norden reisen und sich verstecken. Dort würde man sie niemals aufspüren.

In New Orleans fand man Arbeit, ohne daß einem Fragen gestellt wurden. Alle möglichen Leute trieben sich hier herum – Kreolen, Spanier, Engländer, Süd- und Nordstaatler. Es war nicht schwierig, in diesem Getümmel unterzutauchen. Deshalb hatte sie beschlossen, vorerst in New Orleans zu bleiben.

Eine alte Straßenhändlerin zeigte ihr den Weg zur Taverne, und Eastwood stellte sie sofort als Kellnerin ein. Dabei erwähnte er, sie könne gutes Geld machen, wenn sie die Gentlemen in ihre winzige Dachkammer mitnehmen würde. Das lehnte sie entschieden ab. Lachend prophezeite er, eines Tages würde sie sich anders besinnen. Doch das interessiere ihn nicht, erklärte er. Er würde sie wegen ihrer Schönheit engagieren, die seinen Umsatz steigern könnte, und vielleicht irgendwann selber in ihrer Dachkammer landen.

Lieber wollte sie sich vierteilen lassen. Aber das verriet sie ihm nicht, denn immerhin verdankte sie ihm ihre Stellung. Bis jetzt hatte er sie nicht belästigt. Sie hätte nicht so lange über den Blumenmarkt wandern und in die Wellen des Mississippi starren sollen. Dann wäre sie nicht zu spät gekommen, und er würde sie jetzt nicht anschreien. Wenn sie sich nicht in acht nahm, würde er sie womöglich hinauswerfen.

Oder war sie hier ohnehin fehl am Platz? Einige Leute hatten ihr versichert, die Taverne sei respektabel. Wäre sie nicht so naiv – oder verzweifelt gewesen, hätte sie erkannt, daß diese Leute nicht den allerbesten Ruf genossen. Und wenn diese Kneipe schon als respektabel galt, wie mußten dann erst die anderen in diesem Hafen aussehen? Bei diesem Gedanken erschauerte Tara.

Plötzlich stockte ihr Atem, als Eastwood sie am Arm packte. »Hören Sie nicht zu? Ich führe dieses Gasthaus, nicht Sie! In Ihrer hochnäsigen Art haben Sie mir schon erklärt, Sie würden keine Männer in ihre Kammer mitnehmen. Und ich dachte, Sie wären so hübsch, daß das keine Rolle spielt. Aber ...«

»Lassen Sie mich los!« befahl sie in eisigem Ton.

Sofort gehorchte er. »Fangen Sie endlich zu arbeiten an, wenn Sie Ihren Lohn verdienen wollen!«

Wortlos legte sie ihr Cape ab, hängte es an einen Wandhaken und eilte in die Küche. Eastwood war ein Tyrann, aber er beschäftigte zwei freundliche kreolische Köche, und Emma, die rundliche Irin, die am Herd das Zepter schwang, hatte Tara unter ihre mütterlichen Fittiche genommen.

»Da sind Sie ja, ma belle chérie Gaston nahm das Brot aus dem Backofen. Offensichtlich wußte er seine eigenen Kochkünste zu schätzen, denn er war noch dicker als Emma.

Tara lächelte ihn schüchtern an. »Tut mir leid, daß ich zu spät komme.«

Lässig winkte er ab. »Das Essen ist fast fertig. Aber da sitzen vier Pokerspieler, die nach Whiskey schreien. Um die sollten Sie sich mal kümmern.«

Auf dem Weg zur Schankstube stieß sie mit Marie zusammen, eine der hübschen Kreolinnen, die in der Taverne arbeiteten – und auch in den Dachkammern. Seufzend verdrehte sie die Augen. »Aus allen Richtungen schreien sie mich an! Mon Dieu, alors! Da bist du ja endlich, chérie. S’il te plaît, bring den Pokerspielern Whiskey, bevor mir dieser Deutsche den Kopf abreißt.«

»Ja, gleich«, versprach Tara. »Welcher Tisch?«

»Den kannst du gar nicht übersehen. Der Deutsche ist groß und schlank, und er sieht fantastisch aus, wie ein Wikinger. Und Smiling Jack, ein gewitzter, gefährlicher Franzose.« Vielsagend zwinkerte sie Tara zu. »Jeder dieser beiden würde dir deine Schiffahrt bezahlen – für eine einzige Nacht.«

Das Blut stieg in Taras Wangen, und sie schüttelte rasch den Kopf.

»Zwei Amerikaner sind auch noch da«, fügte Marie hinzu. »Ein hübscher, freundlicher Junge. Und der andere ...« Nach einer kurzen Pause verkündete sie lächelnd: »Der andere ist McKenzie.« Fast ehrfürchtig sprach sie den Namen aus. »Ein schwarzhaariger Ire mit dunklen Augen. Als die Engländer die spanische Armada besiegten, blieben viele Spanier eine Zeitlang in Irland, bevor sie nach Hause zu segeln versuchten. Also gibt’s eine Menge dunkelhaariger Iren. Und die sind auch genauso heißblütig wie die Spanier. Sicher wird McKenzie dir gefallen, chérie.«

Statt einer Antwort lächelte Tara nur, rannte zur Bar, holte eine Flasche Whiskey und kleine, schwere Gläser. Dann schaute sie sich in der Gaststube um, die von dichten Rauchschwaden erfüllt war.

In einer Ecke vergnügten sich einige Matrosen und Straßendirnen. In einer anderen schäkerten ein paar Hafenarbeiter mit Lisette, Maries Kusine. Und an mindestens drei Tischen saßen Kartenspieler.

Aber Marie behielt recht. Diese vier Männer konnte man nicht übersehen. Ein Deutscher, ein Franzose und die Amerikaner. Der eine wirkte etwas jünger als die anderen. Auf einen Ellbogen gestützt, beobachtete er das Spiel. Und McKenzie, der Ire mit dem rabenschwarzen Haar ... Nie zuvor war Tara ein solcher Mann begegnet. Offenbar beobachtete er sie schon seit einiger Zeit. Verwirrt erwiderte sie den Blick seiner großen, dunklen Augen. Er besaß markante Gesichtszüge – ein eigenwilliges Kinn, hohe, breite Backenknochen, ebenholzschwarze, hochgewölbte Brauen, eine lange, gerade Nase und volle, sinnliche Lippen. Seine gebräunte Haut schimmerte wie Bronze.

Als er bemerkte, daß sie ihn anschaute, lächelte er. Ein sonderbares Gefühl stieg in ihr auf. Heiße Wellen schienen ihren ganzen Körper zu durchströmen, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen.

Er trug einen eleganten schwarzen Gehrock, eine hellbraune Hose und ein schneeweißes Hemd. Und seine Finger, die die Spielkarten festhielten, waren so braun wie sein Gesicht, mit kurz gestutzten Nägeln.

»Endlich! Der Whiskey!« rief der Deutsche.

Hastig stellte Tara die Flasche und die Gläser auf den Tisch, spürte den forschenden Blick dieser faszinierenden nachtschwarzen Augen, wollte so schnell wie möglich fliehen.

»Offenbar sind Ihnen die Goldmünzen ausgegangen, Jack, also sollten wir aufhören«, meinte McKenzie. Seine tiefe, wohlklingende Stimme ließ Tara erschauern.

»Vielleicht die Münzen«, erwiderte der Franzose, »aber ich habe noch etwas anderes zu bieten, mon ami.« Erschrocken hielt Tara den Atem an, als seine Finger ihr Handgelenk umklammerten. »Das Mädchen gehört Ihnen, für eine Nacht.«

»Was?« stieß sie empört hervor.

»Sie ist nicht Ihr Eigentum«, entgegnete McKenzie.

»Gewissermaßen schon. Eastwood steht in meiner Schuld. Das Mädchen für eine Nacht, gegen Ihre dreihundert in Gold.«

»Keine Hure, nicht einmal diese, ist dreihundert wert!« protestierte der Deutsche und trank einen Schluck Whiskey. Seine hellen Augen musterten Tara aufmerksam. »Oder vielleicht doch?«

Entrüstet riß sie sich los. »Ich arbeite für Eastwood. Und ich gehöre weder ihm noch sonst jemandem!« Sie wollte sich abwenden, aber der Franzose hielt ihren Rock fest. Ungläubig starrte sie ihn an. »Lassen Sie mich gehen! Verstehen Sie doch, Sie können mich nicht einfach auf den Tisch legen, wie einen Gegenstand, mit dem Sie spielen. Ich bediene hier und ...«

»Heute nacht werden Sie diesen Mann bedienen, chérie», fiel Smiling Jack ihr ins Wort, und der Deutsche kicherte.

»Zum Teufel mit Ihnen, Sir! Ich hole Eastwood.« Da brach der Franzose in schallendes Gelächter aus. »Tun Sie das, chérie! Der wird Sie eigenhändig in die Tischmitte setzen. Diesem kaltschnäuzigen Bastard hier bin ich verpflichtet, aber Ihr Eastwood schuldet mir seine halbe Kneipe!«

Nun konnte sie sich nicht länger beherrschen. Sie packte das Glas des Franzosen und schüttete ihm den Whiskey ins Gesicht.

Mit einem wilden Wutschrei hob er eine Hand, als wollte er sie schlagen. Aber da stand McKenzie auf. »Lassen Sie das Mädchen los!« befahl er.

»Sacré bleu ...«

»Lassen Sie sie los!«

Widerstrebend gehorchte der Franzose, und Tara hätte das Weite gesucht, aber jetzt umschlossen McKenzies Finger ihren Oberarm. Sie schaute unsicher zu ihm auf. Wie groß er war – schlank, mit breiten Schultern ... Jeder Fluchtversuch wäre sinnlos. Niemals würde dieser Mann sie gehen lassen, wenn er es nicht wollte.

»Setzen Sie sich«, forderte er sie auf. In seinen dunklen Augen lag ein rätselhafter Ausdruck.

»Wie ich bereits sagte – ich stehe keinem Mann für eine Nacht zur Verfügung.«

Belustigt hob er die dunklen Brauen. »Ich sagte nicht, daß ich Sie für eine Nacht haben will.«

»Aber ...«

»Wir werden sehen. Überlassen wir die Entscheidung den Spielkarten. Dreihundert Dollar ist viel Geld – für jede Frau. Setzen Sie sich!«

»Nein ...«

»Sie sollten hoffen, daß ich Sie gewinne – und nicht der Franzose«, warnte er sie.

»Und nun bringen wir das verdammte Spiel hinter uns. Setzen Sie sich! Oder ich nehme Sie auf meinen Schoß.«

Tränen brannten in ihren Augen, und sie biß die Zähne zusammen. Da sie keine Wahl hatte, sank sie auf einen Stuhl.

Der vierte Mann am Tisch, der Junge mit dem blonden Haar und den freundlichen grünen Augen, ergriff ihre Hand. »Keine Bange, Miss, so schlimm wird’s nicht werden.«

»Keine falschen Versprechungen, Robert!« mahnte McKenzie und setzte sich wieder. »Noch habe ich das Spiel nicht gewonnen.« Dann wandte er sich an den Franzosen. »Also, es geht um das Mädchen. Hier ist mein Blatt.« Er legte seine Karten auf den Tisch, und Tara hielt den Atem an. Eine Drei, eine Vier, eine Fünf, eine Sechs – und eine Sieben.

Das sah nicht allzugut aus. O Gott, wie lächerlich! Sie wußte nicht einmal, welchen Sieger sie sich wünschte. Was würde geschehen, wenn der Franzose McKenzie schlug? Der Ire hatte wenigstens erklärt, er würde keinen Wert auf sie legen.

Fluchend warf Smiling Jack seine Karten hin, und Tara blinzelte. Drei Asse, ein König, eine Zehn.

Wer zum Teufel hatte gewonnen? In tiefem Schweigen verstrichen die Sekunden.

Endlich begann McKenzie zu sprechen. »Nun habe ich Sie schon wieder besiegt, Jack. Ich glaube, jetzt ist das Spiel endgültig vorbei.«

»Mais oui!« fauchte der Franzose. »Das Spiel ist vorbei!«

Entsetzt stieß Tara einen Warnruf hervor, als der Franzose eine Pistole zog und auf McKenzies Herz zielte.

Doch die Waffe explodierte nicht. Blitzschnell stand McKenzie auf, griff in seinen Stiefel, eine Klinge flog wie ein Silberstreif durch die Luft und bohrte sich in Jacks Hand.

Schreiend vor Schmerz verkrümmte er sich. Das Messer nagelte seine Hand auf den Tisch, krachend landete die Pistole am Boden. »Man sollte Sie einsperren, McKenzie!«

»Das würden Sie eher verdienen als ich. Immerhin wollten Sie mich kaltblütig niederschießen. Jeder Mann in diesem Raum kann das bezeugen.«

»Natürlich wollte ich Sie niederknallen! Weil Sie mich betrogen haben! Und hätte diese kleine Hure Sie nicht gewarnt ...«

»Wie können Sie es wagen ...«, begann Tara erbost, aber die Männer ignorierten sie.

»Auch dann wäre ich schneller gewesen als Sie«, entgegnete McKenzie.

»Elender Bastard!« keuchte der Franzose. McKenzie zog das Messer aus dem Tisch und der Hand seines Gegners, der vor Schmerzen aufheulte. »Nie im Leben habe ich jemanden betrogen, mon ami. Das wissen Sie. Eigentlich hätte ich Sie töten müssen. Seien Sie dankbar, daß Sie noch leben.«

»Trotz allem sind Sie der Verlierer, McKenzie. Welche Frau ist schon dreihundert Dollar wert?«

»Diese hier!« McKenzie umfaßte Taras Handgelenke und zog sie zu sich heran. Um Himmels willen, warum hatte sie dagestanden und Matdaffenfeilgehalten, statt die Gunst des Augenblicks zu nutzen und zu fliehen, solange sie nicht beachtet worden war? »Teilen Sie Eastwood mit, daß sie seine Schuld um dreihundert Dollar verringert hat – und warum sie ihn verläßt.«

Mit langen Schritten ging er zur Tür und zerrte Tara hinter sich her. Erfolglos versuchte sie, sich zu befreien. Und jeder Hilferuf wäre sinnlos gewesen. Keiner der anderen Gäste, die sie neugierig anstarrten, hätte ihr beigestanden. Und Eastwood, um einen Teil seiner Schulden erleichtert, grinste zufrieden und rührte sich nicht von der Stelle.

»Ich würde sagen, sie ist dreihundert wert!« lallte ein Betrunkener.

Nur kurz hielt Jarrett inne, nahm Taras Umhang vom Wandhaken, an den sie ihn gehängt hatte, und warf ihn tun ihre Schultern.

»Warten Sie!« bat sie. »Ich kann doch nicht ...«

»Kommen Sie, verschwinden wir von hier.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihr zuflüsterte: »Kleine Närrin! Für diese Nacht gehören Sie mir. Seien Sie doch froh, daß Sie diesem Höllenloch entrinnen.«

Aber tun welchen Preis? Wilde Panik stieg plötzlich in ihr auf.

Wechselspiel der Liebe

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